ORF-Reform "zu oft und zu lange verschoben": Thomas Drozda will "schnell Finanzierung und Unabhängigkeit sicherstellen".


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Überraschend schnell waren Türkis und Grün mit den Medien fertig. Sagen Menschen mit Einblick in die Regierungsverhandlungen und existenziellem Interesse, wie es mit ORF und Rundfunkgebühren, mit Medienförderungen oder auch der Informationsfreiheit weitergeht.

Das Tempo der Medienverhandler kann man auf noch überraschendere Einigkeit zurückführen. Oder eher darauf, dass ÖVP und Grüne einige Schlüsselthemen in dem Feld vorerst vertagen.

Aus der Distanz der Opposition verfolgt Thomas Drozda diese Regierungsverhandlungen. Der ehemalige Medienminister von Kanzler Christian Kern ist heute Abgeordneter und Mediensprecher der SPÖ. Und er hat einige Anregungen für die Medienpolitik der nächsten Regierung, die er ungern weiter vertagt sähe.

Freiheitlich infiziert

Denn die Regierung von ÖVP und FPÖ habe klargemacht, wie rasch Österreichs Medienpolitik "abdriften" könne, sagt Drozda im Gespräch mit dem STANDARD. "Man kann ja jeden Tag froh sein, dass der Spuk vorbei ist und die FPÖ nicht mehr die Zeit hatte, sich medienpolitisch durchzusetzen."

Die FPÖ bestand in der Koalition mit der ÖVP darauf, die GIS-Gebühren abzuschaffen und den ORF aus dem Staatsbudget zu finanzieren, die Regierung platzte nur zu früh. Als Vizekanzler warf Heinz-Christian Strache dem ORF und seinem Anchorman Armin Wolf auf Facebook "Lügen" vor. Der Vorsitzende des Stiftungsrats, der ehemalige FPÖ-Chef Norbert Steger, dachte etwa laut darüber nach, "nicht korrekt" berichtende Korrespondenten einzusparen.

Drozda zeigt sich "besorgt, wie sehr die ÖVP von diesem freiheitlichen Gedankengut infiziert ist. Die ÖVP steht mittlerweile dem Rechtspopulismus sehr nahe, ihr Vorsitzender wünschte sich eine ordentliche Mitte-rechts-Regierung. Für die Grünen wird es nicht leicht sein, dagegenzuhalten."

Mit einem Verfassungsgesetz will Drozda die Finanzierung der Medien und insbesondere des ORF absichern: "Wir sollten ein für alle Mal außer Streit stellen, wie der ORF finanziert wird, damit man nicht wieder auf Ideen wie die Budgetfinanzierung kommt. Man braucht eine ganz generelle Festlegung, wie die Finanzierung nachhaltig gesichert wird, und damit die Unabhängigkeit."

Die "Streaminglücke" in der ORF-Finanzierung will Drozda auch gleich schließen. Derzeit kann die GIS nur für klassisches Fernsehen und Radio Gebühren einheben; wer streamt, muss dafür bisher nicht zahlen. In Deutschland und der Schweiz zahlen alle Haushalte Gebühren, unabhängig von Nutzung und Geräten. "Ich bin absolut offen für die Diskussion über eine Haushaltsabgabe", sagt Drozda: "Das ist eine vernünftige Regelung."

Mehr Medienförderung

Drozda will auch gleich neu geregelt wissen, wohin die Gebührengelder fließen. Von mehr als 900 Millionen Euro pro Jahr an die GIS gehen rund 640 an den ORF, rund 150 an die Bundesländer und rund 140 Millionen an den Bund. Ein Teil des Geldes geht in Medienförderungen, etwa für Inhalte von öffentlichem Interesse in Privatsendern. "Alles, was unter dem Titel Medien eingehoben wird, soll künftig Medien zugutekommen", fordert Drozda. Die Länder sollen – wie bisher Vorarlberg und Oberösterreich – auf Gebührenanteile verzichten. "Ein Regierungsprogramm ist eine gute Gelegenheit, sich vorzunehmen, dass man das über den Finanzausgleich mit den Ländern neu aufstellt."

Mit dem Geld will Drozda die bisherige Presseförderung auf gut 30 Millionen verdreifachen und auch für Monatsmagazine und digitale Medien öffnen. Auch die Privatrundfunkförderung will er deutlich erhöhen, die Subvention für nicht kommerzielle Sender auf sechs Millionen Euro verdoppeln.

Grünen-Chef Werner Kogler hat sich im Sommer im medienpolitischen STANDARD-Fragebogen für eine Haushaltsabgabe ausgesprochen, die Mittel sollten einen möglichst unabhängigen ORF finanzieren und Medienvielfalt fördern. Kogler sprach sich auch für einen "zivilgesellschaftlich besetzten Konvent" aus, der den ORF-Stiftungsrat bestellen soll.

Da ist Drozda skeptisch: "Ich stehe immer noch unter dem Eindruck des Konvents der Jäger und Berufsschützen, die die ÖIAG unter ihre Kontrolle gebracht haben. In einem repräsentativen politischen System halte ich es für vernünftig, wenn sich der Parlamentarismus widerspiegelt."

Aufsichtsrat für den ORF

15 statt bisher sechs ORF-Räte sollten nach den Kräfteverhältnissen im Parlament besetzt werden, findet Drozda – und nicht mehr neun von der Bundesregierung. Die neun Bundesländer sollten weiter vertreten sein. Und die – heute 35 – ORF-Stiftungsräte sollten acht Aufsichtsräte bestellen, weitere vier der Betriebsrat. Dieser Aufsichtsrat solle künftig vier Vorstände bestellen statt des bisherigen Alleingeschäftsführers.

Die ÖVP stellt nach dem aktuellen Besetzungsschlüssel die weitaus größte Fraktion im ORF-Stiftungsrat, dem wichtigsten Entscheidungsgremium in Österreichs größtem Medienkonzern. Änderungen dürften also auf wenig türkise Begeisterung stoßen.

Der amtierende ORF-Alleingeschäftsführer Alexander Wrabetz, ein Sozialdemokrat, wünscht sich eine rasche kleine Novelle, die dem ORF im Internet mehr erlaubt – etwa Videos und Audiobeiträge allein für das Internet zu produzieren. Für die großen Themen wie Finanzierung und Gremien könne man sich Zeit nehmen.

Drozda sieht das anders: "Ich bin dafür, dass man schnell was großes Ganzes macht, Finanzierung und Unabhängigkeit sicherstellt. Wir haben das zu oft und zu lange verschoben." (Harald Fidler, 11.12.2019)