Wien – Die Polizei hat am Dienstagabend die Besetzung des Festsaals der Technischen Universität Wien (TU) beendet. Gegen zehn Uhr abends verlasen die Beamten den Aktivisten ihren Räumungsbefehl. Wer nicht freiwillig den Saal verließ, wurde von den Polizisten hinausgetragen. Der Einsatz dauerte eine Viertelstunde und verlief – soweit bekannt – ohne Komplikationen. Die Besetzer zeigten sich jedoch ob der Räumung empört über das Rektorat, das den Einsatz in die Wege geleitet hatte.

Besonders heftig kritisierten die Aktivisten das Agieren der Rektorin Sabine Seidler, die keinen ehrlichen Austausch mit ihren Anliegen gesucht habe. Vielmehr habe sie trotz signalisierter Dialogbereitschaft von Anbeginn die Räumung des Festsaals forciert. Per Aussendung vermeldete die Initiative "Uns reicht's" kurz vor der Räumung, dass Seidler sowie TU-Vizerektor Josef Eberhardsteiner die laufenden Gespräche mit der Gruppe abgebrochen hätten.

Die Presseabteilung der Uni war zunächst nicht erreichbar, im Lauf des Abends verteidigte Rektorin Seidler ihr Vorgehen. "Sich gewaltsam Zutritt zu TU-Räumen zu verschaffen ist kein adäquates Mittel, Forderungen durchsetzen zu wollen", erklärte Seidler. Die Forderungen nach einem Bildungsschwerpunkt in der neuen Regierung, mindestens zwei Prozent des BIP für die Unifinanzierung oder Gendergerechtigkeit unterstütze sie aber.

In Anlehnung an einen Spruch des rosaroten Panthers verkündeten die Aktivisten nach der Räumung, dass die Universität mit ihrer Wiederkehr rechnen müsse.


Securitys überwunden

Die Studierenden hatten am Dienstagnachmittag den Festsaal der TU besetzt. Nach einer kurzen Kundgebung vor der Universität drangen sie gegen den Widerstand von Security-Mitarbeitern in den prestigeträchtigen Saal ein. Die hausinternen Security-Kräfte konnten den Festsaal zunächst erfolgreich blockieren, mussten dann allerdings nach einem Handgemenge die Türen freigeben. Die Polizei war schon wenige Minuten nach dem Durchbruch der Aktivisten vor Ort. Die Beamten verhinderten in der Folge das Eindringen weiterer Personen, ließen aber jene, die schon drinnen waren, vorerst gewähren.

Die Aktivisten wollten im Festsaal übernachten, wurden allerdings von der Polizei hinausgetragen.
Foto: APA/ Hochmuth

Die Protestierenden stellten im Festsaal Forderungen an das Rektorat sowie an die politischen Entscheidungsträger, insbesondere die türkis-grünen Koalitionsverhandler. Die Vertreter der Protestierenden wollten, dass "diejenigen, die gerade die zukünftige Bildungspolitik verhandeln", zu ihnen ins Plenum kommen und mit ihnen über ihre Forderungen diskutieren. Damit gemeint sei auch Sigrid Maurer, die vor zehn Jahren bei den Hörsaalbesetzungen von #UniBrennt ÖH-Vorsitzende war und nun für die Grünen als Chefverhandlerin für Bildungsthemen in den Regierungsverhandlungen sitzt.

Kritik an Platzmangel und Unterfinanzierung

Konkret kritisiert wird der Mangel an Platz in den Universitätsgebäuden und an Räumen zu Lern- und Übungszwecken. "Studieren bedeutet Austausch, Diskussion, voneinander Lernen, dafür braucht es Räume", heißt es in einem Forderungspapier. Finanziell wird eine Aufstockung des Hochschulbudgets auf zwei Prozent des BIP gefordert. Zudem solle die Hochschulfinanzierung "von Indikatoren wie der Prüfungsaktivität und der Absolvent*innenzahl" entkoppelt werden.

Organisiert wurde die Besetzung vom Kollektiv "Uns reicht's", das sich selbst als parteiübergreifend bezeichnet. Namentlich hervortretende Vertreter des Kollektivs gibt es nicht. Beim Protest dabei waren nicht nur Studierende der TU, sondern auch von anderen Universitäten Wiens. Unter den Besetzern befand sich zeitweilig auch die Vorsitzende der ÖH aus den Reihen der grünen Studierendenfraktion, Adrijana Novakovic, die den Protest "solidarisch unterstützen" wollte.

Die Aktivisten berieten in einem Plenum die weitere Vorgangsweise.
Foto: mvu

Nach Beratungen in einem Plenum beschlossen die Aktivisten, den Festsaal nicht zu verlassen, bevor die geforderten Funktionäre aus Politik und Rektorat zu einem Gespräch in den Festsaal kommen. Ein Sprecher erklärte zudem, dass man nötigenfalls auch in der Uni übernachten wolle. Dazu sollte es allerdings nicht mehr kommen.

Rektorin signalisierte Unterstützung

Eine Sprecherin der TU Wien betonte am Nachmittag, dass Universitäten als Ort der freien Meinungsäußerung fungieren sollten. Die Protestaktion der Studierenden bewege sich in diesem Rahmen und sei durchaus legitim, sagte sie im Gespräch mit dem STANDARD.

TU-Rektorin Seidler traf wenige Stunden nach Beginn der Besetzung mit zwei Vertretern des Aktivistenkollektivs zusammen. Diese hatten schon zu Beginn der Besetzung ein Gespräch mit Seidler verlangt. Dabei versprach die frischgebackene Chefin der Universitätenkonferenz (Uniko) ihre Hilfe bei der Herstellung einer Gesprächsbasis zwischen "Uns reicht's" und den Koalitionsverhandlern. Sie werde sich bemühen, beide Seiten zusammenführen.

Die Besetzer erachteten Seidlers Agieren allerdings als unglaubwürdig. Sie würde "Wasser predigen und Wein trinken", hieß es im Plenum. In Wahrheit lasse das Rektorat die Studierenden im Stich und forciere eine Räumung des Festsaals durch die Polizei. Die zugesagte Vermittlerrolle sei daher nicht ernst zu nehmen.

Maurer hatte vorerst keine Zeit

Die Grünen-Abgeordnete Maurer reagierte am frühen Abend via Twitter auf die Bitte der Studierenden, zu einem Gespräch vorbeizukommen.

Sie habe erst am Donnerstag Zeit, denn am Mittwoch sei sie durch die Tagung des Nationalrats terminlich eingedeckt. Als geschäftsführende Parlamentarierin komme ihr eine starke politische Verpflichtung zu, die sie wahrnehmen müsse, erläuterte Maurer im STANDARD-Gespräch.

Durch die rasche Räumung nach nur sechs Stunden Besetzung am Dienstag wäre sich selbst ein Besuch am Mittwoch ohnedies nicht mehr ausgegangen. (Text: Theo Anders, Video: Ayham Yossef, Maria von Usslar, 11.12.2019)

In dem kurzen Videoclip sieht man, wie die Polizei Aktivisten einzeln die Stiegen der Technischen Universität hinunterträgt.
DER STANDARD