Saudia Arabien ist der weltgrößte Exporteur von Rohöl. Mit einer Verlängerung der Wertschöpfungskette versucht der Staatskonzern Aramco, der nun an die Börse geht, in den Raffinerien mehr aus Öl zu machen.

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Aramco. Was nach Aromahersteller klingt, hat mit viel Öl zu tun, mit arabisch-amerikanischem Öl, wenn man auf die Anfänge zurückblickt. Es waren dieselben Firmen, mit denen John D. Rockefeller in den USA ein Vermögen gemacht hat, die ab 1933 mit Erlaubnis der Saudis in der arabischen Wüste nach Öl suchen, es fördern und verkaufen durften (siehe Chronologie).

Mit der Teilnationalisierung von Aramco in den 1970er-Jahren und der Komplettverstaatlichung Anfang der 1980er-Jahre änderte sich das radikal. Die Firmenzentrale des Ölgiganten in Dhahran war fortan mit dem mächtigen Energieministerium in Riad kurzgeschlossen.

Schock durch Drohnenangriffe

Von der Stadt Dhahran im Osten des Landes in die Hauptstadt Riad sind es gut 400 Kilometer. Die Landschaft links und rechts der Autobahn lässt sich mit einem Wort beschreiben: eintönig. Sand, nichts als Sand, nur hie und da unterbrochen von Ungetümen aus Stahl, an denen Bohrgestänge hängt. Das aus dem sandigen Untergrund gepumpte Öl wird gesammelt und über ein ausgeklügeltes Pipelinesystem zu den Raffinerien gebracht. Die sind des Nachts hell erleuchtet und rund um die Uhr schwer bewacht. Seit September, als Drohnenangriffe auf zwei neuralgische Punkte, ein Erdölfeld und eine Raffinerie, die Saudis schockten, gilt Alarmstufe rot in Aramco-Land.

Fast 70 Prozent der saudischen Staatseinnahmen kommen von Aramco. Einblick in die Bilanzen hat der Ölgigant, der nach außen jahrzehntelang verschlossen wie eine Auster war, erst im Werben um Investoren für den Börsengang gewährt. Man wusste zwar, dass Saudi Aramco der weltgrößte Exporteur von Rohöl ist; über die finanzielle Situation gab es nur Spekulationen.

Profitabelstes Unternehmen

Nun ist klar, dass Aramco mit einem Reingewinn von 111 Milliarden Dollar (gut 100 Milliarden Euro) laut den veröffentlichten Finanzzahlen zumindest 2018 auch das profitabelste Unternehmen der Welt war – vor Apple. Der US-Technologiekonzern schaffte im selben Jahr nicht ganz 60 Milliarden. Wahr ist allerdings auch, dass Apple zwei Jahre zuvor, 2016, einen deutlich höheren Reingewinn als die Saudis machte, die damals unter dem am Boden liegenden Ölpreis litten. Seitdem hat sich der Preis des schwarzen Goldes aber wieder deutlich erholt.

Der große Vorteil von Aramco sind die niedrigen Förderkosten, die bei 2,80 Dollar je Fass (159 Liter) liegen. Rechnet man den Investitionsaufwand hinzu, erhöhen sich die Förderkosten im Schnitt auf 7,50 Dollar je Fass – ein Wert, der weltweit zu den niedrigsten gehört. Zum Vergleich: Ein Fass Rohöl kostet in Europa derzeit knapp 65 Dollar. Aramco ist eine Geldmaschine – noch.

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Yasser al-Rumayyan, der Aufsichtsratschef von Saudi Aramco, in Vorbereitung des Börsengangs. Mit dem eingespielten Geld soll die saudische Wirtschaft diversifiziert werden, so der Plan.
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Die Herrscherfamilie braucht zweifellos sehr viel Geld. Um die Bevölkerung bei Laune zu halten, kostet nicht nur Benzin fast nichts; es gibt auch viele andere Wohltaten. Dafür müssen Saudis den Mund halten, Frauen in Saudi-Arabien sowieso.

Rund 76.000 Mitarbeiter stehen im Sold von Aramco. Hunderttausende leben direkt von Aramco-Geld, indirekt das ganze Land. 2018 zahlte Aramco 56 Milliarden Dollar an Lizenzgebühren und 102 Milliarden Dollar an Unternehmenssteuern. Und vom Reingewinn ging zusätzlich eine Dividende von 52 Milliarden Dollar an den Staat. Alles zusammen sind es 210 Milliarden Dollar, die von Dhahran in die Staatskasse nach Riad geflossen sind. Aramco ist nicht nur ein Staatskonzern, wirtschaftlich ist er (beinahe) der Staat

Schwierige Investorensuche

Und jetzt der Börsengang – eine Idee, die Kronprinz Muhammed bin Salman 2016 erstmals ventiliert hat. Der Plan, den MBS, wie der 33-jährige Thronfolger genannt wird, in seiner "Vision 2030" skizziert hat, geht so: Teile des Schatzes versilbern, solange es noch Interesse an fossilen Brennstoffen gibt, und das Geld für den Umbau der Wirtschaft nützen. Dabei geht es vor allem um die Reduktion der Abhängigkeit vom Öl.

Die Suche nach Investoren gestaltete sich lange Zeit alles andere als einfach. Statt der ursprünglich geplanten fünf Prozent kommen vorerst nur 1,5 Prozent des Ölunternehmens an die Börse. Weil viele westliche Investoren wohl auch wegen des politischen Einflusses auf das Unternehmen kalte Füße bekommen haben, wurden im Vorfeld des Börsengangs Fonds befreundeter Staaten ersucht, Aramco-Papiere zu zeichnen. Auch reichen Saudis wurde nahegelegt, beim Börsengang mitzutun, auf dass das IPO (Initial Public Offering) ein Erfolg werde.

Rekord-Börsengang

Noch vor dem ersten Handelstag heute, Mittwoch, stand fest, dass der Börsengang von Aramco das Rekord-Volumen von 29,4 Milliarden Dollar erreichen wird. Neben den eigentlich angebotenen Anteilen im Volumen von 25,6 Milliarden Dollar wurden auch sämtliche für die Mehrzuteilungsoption (Greenshoe) reservierten Papiere angebracht.

Dennoch schwebt ein Damoklesschwert über Aramco. Aufgrund der Klimadiskussion und technischer Umwälzungen könnte es passieren, dass die Saudis zumindest mittelfristig auf ihren Bodenschätzen sitzenbleiben. Wie hat der frühere saudische Ölminister Ahmed Zaki Yamani vor mittelerweile fast 20 Jahren schon so treffend formuliert: "Die Steinzeit ging nicht zu Ende, weil die Steine ausgingen, und das Erdölzeitalter wird nicht zu Ende gehen, weil das Erdöl aufgebraucht ist." (Günther Strobl, 11.12.2019)