Auf dem Plakat ist Osman Kavala zu sehen (Bild von einer Pressekonferenz seiner Anwälte im Oktober 2018)

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Mehr als ein Jahr hat es gebraucht, bis die türkische Justiz eine Anklageschrift gegen den renommierten Bürgerrechtler und Kulturmäzen Osman Kavala vorgelegt hat. Weitere vier Monate vergingen, bevor der 62-Jährige mit 15 weiteren Vertretern der Zivilgesellschaft vor Gericht kam. Vorgeworfen wird ihnen, bei den Gezi-Protesten im Sommer 2013 versucht zu haben, die Regierung zu stürzen.

Zwei Mal lehnten die Richter in Istanbul seine Freilassung ab, sodass der Unternehmer 770 Tage nach seiner Festnahme weiter in Untersuchungshaft sitzt. Entschieden zu lang, urteilte nun der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Die ausgedehnte U-Haft Kavalas verletze sein Recht auf Freiheit und Sicherheit sowie auf rasche Überprüfung der Rechtmäßigkeit seiner Inhaftierung, erklärte das Gericht am Dienstag. Auch sei seine Inhaftierung mit Aktivitäten begründet worden, die durch seine Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit gedeckt seien.

Die Inhaftierung ziele darauf, "Kavala und Verteidiger der Menschenrechte zum Schweigen zu bringen", kritisierte das Gericht und forderte seine "sofortige Freilassung". Als Mitglied des Europarats ist die Türkei zur Umsetzung der Urteile verpflichtet. Ob dies passiert, ist aber fraglich, nachdem Ankara sich im Fall des Kurdenpolitikers Selahattin Demirtaş darüber hinweggesetzt hat. (Ulrich von Schwerin aus Istanbul, 10.12.2019)