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Der nordamerikanische Wald- oder Eisfrosch verträgt ein langsames Einfrieren von bis zu 70 Prozent seiner Körperflüssigkeiten.
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Während Säugetiere und Vögel imstande sind, ihre Körpertemperatur unabhängig von der Umgebung konstant zu halten, sind alle anderen Tiere wechselwarm: Wie kalt oder warm ihr Körper ist, hängt von der jeweils herrschenden Außentemperatur ab.

Das ist vor allem bei Minusgraden eine Herausforderung, denn eigentlich, so sollte man meinen, lassen sich diese ohne schützenden Wintermantel, dickes Fell oder entsprechende Fettschicht nicht lange überleben. Viele Insekten und auch einige Wirbeltierarten kommen mit eisigen Verhältnissen jedoch auch ohne diese Hilfsmittel erstaunlich gut zurecht.

Die eigentliche Gefahr von Frost ist die Entstehung von Eiskristallen innerhalb des Körpers, denn diese richten an zwei Fronten Schaden an: Da ist einmal der Umstand, dass die Kristalle spitz sind und dadurch Zellwände und Organe mechanisch zerstören.

Gleichzeitig führt die Eisbildung zu einem sogenannten osmotischen Schock: Die Körperflüssigkeit ist eine wässrige Lösung, die jede Menge gelöste Stoffe wie diverse Salze enthält. Verwandelt sich der Wasseranteil in Eis, werden die anderen Inhaltsstoffe so hoch konzentriert, dass sie den Körper vergiften können.

Glycerin als Frostschutz

Zusätzlich entzieht der hohe osmotische Druck dieser resultierenden Flüssigkeit den Zellen noch mehr Wasser, worauf sie zu schrumpfen beginnen. Das wiederum schädigt die Zellmembranen, die für das Funktionieren der Zellen unerlässlich sind.

Um solche Vorgänge hintanzuhalten, gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten: Einerseits kann man verhindern, dass sich überhaupt Eis im Körper bildet, andererseits kann man die Eisbildung zwar zulassen, aber so steuern, dass sie keinen Schaden anrichtet.

Erstere Variante funktioniert im Grunde genauso, wie wenn wir unser Auto winterfit machen, nämlich durch die Einlagerung von Frostschutzmitteln. So übersteht die Puppe des Schwalbenschwanzes, eines bei uns heimischen Schmetterlings, Temperaturen von bis zu minus 30 Grad mithilfe von einer Menge Glycerin in ihrer Körperflüssigkeit.

Supercooling-Point

Der Alkohol, der auch Motoren vor Frost schützt, befähigt den Schmetterling zum sogenannten Supercooling. Damit wird der Zustand bezeichnet, der eintritt, wenn eine Flüssigkeit nach einer Temperaturabsenkung eigentlich erstarren sollte, es aber nicht tut. So gefriert gewöhnliches Wasser bekanntlich bei null Grad Celsius.

Chemisch reines Wasser hingegen kann auf bis zu minus 40 Grad abgekühlt werden, ohne sich in Eis zu verwandeln. Der Grund dafür ist, dass der Phasenübergang von flüssig zu fest einen Ansatzpunkt braucht, an dem er startet, einen Kristallisationskeim. Davon enthält Wasser gewöhnlich jede Menge; destilliertes Wasser ist hingegen frei davon.

"Um so wenig wie möglich der gefährlichen Kristallisationskeime im Körper zu haben, entleeren Tiere vor dem Winter ihren Darm", erklärt Erhard Christian, Professor der Universität für Bodenkultur in Wien.

Im Zuge seiner Forschungen hat der Bodenzoologe und Insektenforscher den Supercooling-Point – also die Temperatur, bis zu der sich eine Art abkühlen lässt, ehe sie schließlich doch durchfriert – für viele im Boden lebende Insekten bestimmt.

Anti-Frost-Proteine

Dabei reichern die überwinternden Tiere teilweise gewaltige Mengen an Frostschutzmitteln wie Glycerin, Ethylenglykol und diverse Zucker in ihrer Körperflüssigkeit an: "Das kann bis zu fast einem Viertel der Körpermasse ausmachen", wie Christian ausführt, denn: "Die Wirksamkeit dieser Stoffe ist direkt proportional zu ihrer Menge."

Während viele Tierarten ganz auf diesen Frostschutz setzen, haben andere auch noch spezielle Eiweiße, deren Wirksamkeit nicht von ihrer Konzentration abhängt. Diese Anti-Frost- oder Ice-Nucleating-Proteine bewirken, dass aus Kristallisationskeimen in den Zellzwischenräumen nur ganz kleine und noch dazu rundliche Eiskristalle entstehen, die in der Folge auch nicht weiterwachsen.

Die Gefahr einer Verletzung von Membranen oder Organen ist damit weitgehend gebannt. Auf diese Weise überstehen viele wechselwarme Tiere unbeschadet Temperaturen unter null.

Smithsonian Channel

Berühmtheit auf diesem Sektor hat der nordamerikanische Wald- oder Eisfrosch (Rana sylvatica) erreicht: Er überlebt ein langsames Einfrieren von 65 bis 70 Prozent seiner Körperflüssigkeiten über Monate hinweg. Währenddessen hört sein Herz auf zu schlagen und sein Stoffwechsel kommt bis auf einige Diffusionsprozesse, die das Überleben der Zellen sichern, zum Erliegen – von außen wirkt er tot. Wenn die Temperaturen im Frühjahr wieder steigen, wacht der Waldfrosch jedoch wieder auf und schreitet schon bald auch zur Fortpflanzung.

Rekordechse

Doch wir müssen gar nicht so weit in die tiergeografische Ferne schweifen: Während die meisten Tiere entweder auf Supercooling oder auf Frostresistenz setzen, kann die auch bei uns heimische Bergeidechse (Zootoca vivipara) beides: Einerseits hat sie in Laborversuchen drei Wochen lang Umgebungstemperaturen von minus drei Grad Celsius im Supercooling-Zustand überlebt und hält damit den diesbezüglichen Rekord unter den Wirbeltieren.

Andererseits ist sie auch imstande, das Gefrieren von bis zu der Hälfte ihrer Körperflüssigkeit über mindestens 24 Stunden unbeschadet zu überstehen. Als die am weitesten nach Norden vordringende Reptilienart der Welt kommen ihr diese Fähigkeiten zugute. Sie besiedelt unter anderem Sibirien und Norwegen bis über den nördlichen Polarkreis hinaus und wurde in den Alpen schon auf gut 3000 Meter Höhe gefunden.

Aushängeschild der Kryptobiose

So beeindruckend die Anpassungen all dieser Arten auch sind, sie reichen nicht an jene der Tardigraden beziehungsweise Bärtierchen heran: Diese knapp einen Millimeter großen, achtbeinigen Tierchen sind das Aushängeschild der Kryptobiose schlechthin, also jenes Zustands, in dem Stoffwechselvorgänge massiv reduziert sind: Unter anderem halten sie Temperaturen von minus 270 Grad Celsius aus.

Gewöhnlich entledigen sie sich dazu des größten Teils ihrer Körperflüssigkeit und nehmen die Form eines Tönnchens an. Ihren Stoffwechsel reduzieren sie dabei auf 0,01 Prozent seiner normalen Rate. Auf diese Weise können sie unter anderem monatelang im Eis der Antarktis überleben und bei anderen widrigen Umständen nach Jahren oder Jahrzehnten wieder aufwachen, wenn sich die Lage bessert.

Viele von ihnen überstanden 2007 sogar zehn Tage im Weltall, wohin die ESA sie mit einem Satelliten beförderte: Weder Kälte noch Strahlung konnten ihnen etwas anhaben. Ein Umstand, der ihnen in manchen Zirkeln gar den Ruf einbrachte, sie stammten nicht von der Erde. Dieser Einfall kann getrost verworfen werden – ihre Überlebensfähigkeit ist auch so beeindruckend genug. (Susanne Strnadl, 15.12.2019)