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Erleichterung von Kourou bis Graz: "Sojus fliegt!"
Foto: AP/JM Guillon/ESA-CNES-Arianespace

Graz/Wien – Im zweiten Anlauf hat es geklappt: Eine Sojus Fregat-Rakate hob am Mittwoch kurz nach 9.50 Uhr vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou in Französisch-Guayana ab. An Bord der rund 46,2 Meter hohen und mehr als 300 Tonnen schweren Trägerrakete befanden sich das neue Weltraumteleskop Cheops sowie insgesamt fünf Satelliten, darunter auch der österreichische OPS-SAT. Mit ihm sollen leistungsfähige Prozessoren, Funkempfänger und Weltraum-Software unter realen Weltraumbedingungen getestet werden.

Beim zweiten Launch-Event an der Technischen Universität (TU) Graz blickten die Forscher des Instituts für Kommunikationsnetze und Satellitenkommunikation der TU erleichtert am Videostream der Trägerrakete nach, die in den Himmel entschwand. Am Dienstagvormittag war der Countdown kurz vor dem Start abgebrochen worden. Während man zunächst ein Softwareproblem im Bereich der Fregat-Oberstufe vermutet hatte, gab Arianespace später bekannt, dass der Abbruch auf ein fehlerhaftes Stück Equipment zurückzuführen sei. Um welche Komponente genau es sich dabei gehandelt hatte, wurde nicht bekannt gegeben.

"Sojus fliegt! Mit dem geglückten Start ist einmal die erste kritische Phase überstanden. Das war nicht trivial", sagte der Grazer Institutsleiter und technische Leiter des OPS-SAT-Konsortiums. Er zeigte sich erfreut über den nunmehr gelungenen Raketenstart, war aber noch immer angespannt: Der in Graz gebaute Nanosatellit OPS-SAT soll laut Plan erst an dritter Startposition um 14.05 Uhr freigesetzt werden. Das ESA-Weltraumteleskop Cheops ist bereits kurz nach Mittag dran.

Die Cheops-Mission

Seit die heurigen Physik-Nobelpreisträger Michel Mayor und Didier Queloz von der Universität Genf im Jahr 1995 den ersten Planeten nachgewiesen haben, der um einen anderen Stern rotiert, folgte die Entdeckung Tausender weiterer Exoplaneten. Auf diese bereits bekannten Planeten wird die neue Mission Cheops ("Characterizing Exoplanets Satellite"), die unter der wissenschaftlichen Leitung von Queloz steht, verstärkt ein Auge werfen. Es handelt sich um die erste Mission unter gemeinsamer Leitung der Esa und der Schweiz.

Von seiner 700 Kilometer hohen Umlaufbahn aus wird der Satellit mit seinem 30-Zentimeter-Teleskop bereits bekannte Sterne mit Exoplaneten im Massebereich zwischen Erde und Neptun (sogenannte Supererden) bis zu Gasriesen im Jupiter-Größe untersuchen. Rund 500 Sternsysteme sollen so analysiert werden, die geplante Laufzeit der Mission beträgt dreieinhalb Jahre.

Grafik: APA

Ziel ist es, sogenannte Transits zu beobachten, also das Vorbeiziehen eines Planeten vor seinem Stern. Die winzige Helligkeitsänderung bei diesen Mini-Sonnenfinsternissen ist von der Oberfläche des Planeten abhängig. Durch die hochpräzise Messung mittels spezieller Lichtsensoren kann man dann den Durchmesser des Exoplaneten ableiten. In Kombination mit Daten aus früheren Beobachtungen zur Planetenmasse will das internationale Team mehr über die Dichte und somit die Beschaffenheit der Himmelskörper erfahren. So könne sich klären, ob es sich um Gas- oder von Ozeanen bedeckte Planeten handelt.

Österreichische Beteiligung an Cheops

Der Direktor des Instituts für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Wolfgang Baumjohann, erwartet sich von Cheops "wesentliche Erkenntnisse über die Entstehung und Entwicklung von Planeten". Österreich ist über mehrere Institute in die Mission eingebunden: Die Weltraumfirma Ruag Space Austria zeichnet in Kooperation mit dem IWF für die Stromversorgung der Instrumentenelektronik verantwortlich. Das Institut für Astrophysik der Universität Wien lieferte die Programme zur Übertragung und Verarbeitung der wissenschaftlichen Daten. "Die von uns entwickelte Software ist eines der komplexesten und leistungsfähigsten Systeme zur Instrumentensteuerung, die die Esa jemals eingesetzt hat", so Franz Kerschbaum von der Uni Wien.

Das IWF wiederum hat einen von zwei Bordrechnern auf Cheops entwickelt und gefertigt, der den gesamten Datenverkehr abwickeln und zusätzlich die thermische Kontrolle des Teleskops übernehmen soll. "Dabei kam es vor allem darauf an, dass die Datenverarbeitungseinheit die notwendige Rechenleistung und Speicherkapazität zur Verfügung stellt und dennoch wenig Energie verbraucht", wie Manfred Steller, Leiter der Gruppe "Bordcomputer", erklärte.

Außerdem war das IWF an der Software-Entwicklung beteiligt und ist im "Cheops-Board" und im wissenschaftlichen Team vertreten: Dieses nimmt vor allem jene Exoplaneten unter die Lupe, "die wir kennen und für besonders interessant halten", erklärte Luca Fossati vom IWF. Er ist Mitglied im rund 30-köpfigen "Science Team" und leitet gemeinsam mit Yann Alibert von der Uni Bern ein Teilprojekt, bei dem man sich auf "Supererden" konzentriert. Gerade diese Gruppe zeige eine erstaunliche Diversität in ihrer bisher bekannten Beschaffenheit, die die Forscher besser verstehen wollen.

Austro-Satellit

Die Transportmöglichkeit ins All wird auch der von der Esa bei der Technischen Universität (TU) Graz in Auftrag gegebene Kleinsatellit OPS-Sat nützen. Mit ihm hat man gewissermaßen ein Testlabor für Satellitenkontrolle im All, mit dem Software getestet und Störquellen im Weltraumfunk gefunden werden können.

Der Grazer Nanosatellit.
Foto: APA/TU GRAZ/HELMUT LUNGHAMMER

Kontrollsysteme für Raumfahrtmissionen realitätsnah auszuprobieren, ist ein schwieriges Unterfangen: Niemand möchte mit einem vorhandenen, wertvollen Satelliten ein Risiko eingehen, sagt Otto Koudelka, Leiter des Instituts für Kommunikationsnetze und Satellitenkommunikation der TU Graz. "Derzeit finden bei Weltraummissionen noch Kommunikationsstandards aus den 1990er-Jahren Anwendung, die strahlungssicheren und daher sehr teuren Prozessoren in der Weltraumtechnik hinken ihren terrestrischen Pendants etwa zehn Jahre hinterher", so Koudelka.

Nächste heimische Mission schon 2022 möglich

Der 30 mal 10 mal 10 Zentimeter große Satellit wird in rund 515 Kilometern Höhe die Erde umrunden und in seiner Umlaufbahn die meiste Zeit im Sonnenlicht sein. Die ausklappbaren Solarzellen haben eine Fläche von 30 mal 50 Zentimeter und sollen den Satelliten mit einer Leistung von 24 Watt versorgen.

Und sobald der Satellit in seinen Orbit unterwegs ist, wird an der Grazer TU bereits an der nächsten Mission gearbeitet, erklärte Koudelka: Anfang 2020 nimmt das Team die operativen Arbeiten für Pretty auf – einem weiteren Cubesat, der präzise Höhenmessungen, etwa von Gletschern und Meereswellen und Untersuchungen der Strahlung im erdnahen Weltraum, durchführen soll. Der nächste Start eines Kleinsatelliten "made in Austria" könne dann schon 2022 erfolgen. (red, APA, 18. 12. 2019)