Der am Foto am Boden fixierte Mann hätte nicht festgenommen werden dürfen, entschied das Verwaltungsgericht Wien.

Foto: Lukas David Beck

Wien – Es waren Bilder, die viele schockierten: Nach einer Klimademonstration Ende Mai in Wien tauchten Videos auf, die zeigten, wie ein junger Mann von Polizisten mit dem Kopf unter einem Polizeibus fixiert wird. Als der Bus anfährt, wird er erst im letzten Moment weggerissen, sodass er nur knapp nicht überfahren wird. Anschließend wird er festgenommen und muss die Nacht im Polizeianhaltezentrum verbringen.

Ein Video von der Amtshandlung hatte für Aufsehen gesorgt.

Die Wiener Exekutive geriet daraufhin starke in die Kritik – auch von politischer Seite wurde eine gründliche Untersuchung des Einsatzes gefordert. Diese hat es nun zumindest auf verwaltungsrechtlicher Ebene gegeben. Anselm Schindler, jener Mann mit dem Kopf unter dem Bus, sorgte selbst dafür, dass diese vonstattenging: Er beschwerte sich auf offiziellem Weg per Maßnahmenbeschwerde über die Amtshandlung.

Und es waren nun deutliche Worte, die Richterin Sonja Nussgruber nach mehreren Verhandlungstagen bei der Urteilsverkündung am Donnerstag fand: Die Festnahme Schindlers und somit die gesamte Amtshandlung, die Schindler betraf, war rechtswidrig.

In Hosentaschen fuchteln

Doch wie kam es überhaupt zu der unfreundlichen Begegnung zwischen dem Deutschen und der Wiener Exekutive? Eigentlich wollte der Buchautor die Klimademo nur besuchen, um diese zu Dokumentationszwecken zu beobachten. Diese Rolle sollte ihm dann auch vom Gericht bestätigt werden.

Im Zuge der Demo kam es zu einer Sitzblockade nahe der Urania. Als die Polizei beschloss, die Blockade zu räumen, befand er sich auf dem Gehsteig und beobachtete den Vorgang gemeinsam mit anderen Passanten: "Der Beschwerdeführer machte sich zunächst nur ein Bild und hielt sich auch nicht in der ersten Reihe auf", wie Nussgruber in ihrer Urteilsbegründung mit Verweis auf umfassende Videoaufzeichnungen festhält. Danach habe er "mit einem Exekutivorgan Worte gewechselt", es blieb bei einer "insgesamt ruhigen Situation". Es wurde "Kaugummi konsumiert".

Mehrere Punkte beanstandet

Dann ging es recht schnell: Der Beamte, mit dem Schindler Meinungsaustausch betrieb, ergriff dessen Unterarm. Schindlers Hände befanden sich zu dem Zeitpunkt in seinen Hosentaschen. Interessant ist das vor allem deshalb, weil Schindler vorgeworfen wurde, sich aggressiv und mit den Händen fuchtelnd verhalten zu haben. Zwei Beamte eskortierten Schindler dann Richtung Polizeibus, in dessen Nähe er "ohne Vorwarnung zu Fall gebracht wurde", wie im Urteil festgehalten wird. Kurze Zeit später ereignete sich der Zwischenfall unter dem Bus.

Schindler hatte nicht nur die Festnahme beanstandet, sondern auch die Umstände und die Durchsetzung der Festnahme, die Dauer und Art der Anhaltung sowie die Verweigerung rechtsanwaltlicher Beratung. Nachdem bereits die Festnahme an sich für rechtswidrig erklärt wurde, erübrigte sich die Prüfung aller übrigen Punkte. "Es kann nicht rechtswidriger sein, als es schon war", sagt die Richterin dazu.

Signalwirkung für Verfahren

Schindlers Erleichterung ist "sehr groß", wie er zum STANDARD sagt. Durch das Urteil sei klargeworden, dass man nicht alles machen könne, "nur weil man eine Uniform trägt". Ebenfalls gefreut hat sich Max Zirngast, jener österreichische Journalist, der aufgrund seiner Inhaftierung in der Türkei Bekanntheit erlangte. Er war bei der Urteilsverkündung anwesend, um seine Solidarität auszudrücken, wie er zum STANDARD sagte.

Gegen die drei in die Amtshandlung involvierten Beamten läuft auch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren. Schindlers Anwalt Clemens Lahner geht davon aus, dass das aktuele Urteil auch "Signalwirkung in diese Richtung haben wird". Insgesamt ermittelt die Staatsanwaltschaft in Zusammenhang mit der Klimademo gegen sieben Beamte, überwiegend wegen Verdachts der Körperverletzung.

Starke Signalwirkung wird es aller Voraussicht nach auch auf jenes Verwaltungsstrafverfahren geben, in dessen Rahmen die Beamten wiederum Schindler belasten und ihm Aggressivität vorwerfen.

"Bis heute hat sich kein Mensch bei meinem Mandanten entschuldigt", sagt Lahner. Bei der Urteilsverkündung war kein Vertreter der Landespolizeidirektion (LPD) Wien anwesend. Bei der LPD wartet man derzeit noch auf die schriftliche Ausfertigung des Urteils. Diese ist Voraussetzung für eine etwaige Revision oder Beschwerde bei einer höheren Instanz, dem Verwaltungsgerichtshof oder dem Verfassungsgerichtshof. (Vanessa Gaigg, 12.12.2019)