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Nicht das gesamte Überwachungspaket wurde gekippt – jedoch waren der Bundestrojaner und die verstärkte Autobahnüberwachung zwei Aspekte, die zuvor besonders in die Kritik geraten waren.

Foto: REUTERS/Anushree Fadnavis

Den Bundestrojaner und die verstärkte Überwachung auf Autobahnen wird es nicht geben: Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat die Gesetze, die von der türkis-blauen Regierung verabschiedet worden waren, am Mittwoch aufgrund von Verstößen gegen den Datenschutz und das Grundrecht auf Privatsphäre gekippt. Somit wird, anders als geplant, ab 2020 keine staatliche Spionagesoftware zum Einsatz kommen, mit der Behörden die private Kommunikation bespitzeln wollten. Auch darf auf Autobahnen nicht so streng überwacht werden, wie es geplant war – so wären Lenkerdaten anlasslos für zumindest zwei Wochen gespeichert worden.

Datenschützerin Adensamer zu Überwachung und Sicherheit zu Gast in der "ZiB 2" bei Armin Wolf.
ORF

Beide Teile des "Sicherheitspakets" sind Maßnahmen, die besonders eindeutig als rechtswidrig einzustufen waren, sagen die Juristen Nikolaus Forgó, Rechtsinformatiker von der Universität Wien, und Angelika Adensamer von der Grundrechts-NGO Epicenter Works im STANDARD-Gespräch. Vor allem der Bundestrojaner sei laut Forgó ein "besonders deutlich einsichtiger Tabubruch", da der Staat seine Aufgabe, Bürger vor Sicherheitslücken zu schützen, ins Gegenteil verkehrt. Die im vergangenen Jahr verabschiedeten Gesetze umfassten allerdings noch eine Reihe weiterer Verschärfungen, von denen die meisten bereits zum Einsatz kommen.

  • Lockerung des Briefgeheimnisses: Behörden dürfen – sofern ihnen zuvor eine gerichtliche Bewilligung erteilt wurde – Briefe beschlagnahmen, wenn das zur Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat geschieht, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht ist. Begründet wurde dies vor allem mit dem steigenden Drogenhandel im Dark Web. Immer häufiger verkaufen Dealer ihre Produkte im Netz. Daher fangen Behörden bei einem Verdacht diese ab und kontrollieren sie.
  • SIM-Karten-Registrierung: Seit 1. September gibt es keinen Umweg mehr: Alle österreichischen SIM-Karten müssen seitdem registriert sein. Nutzer, die ihr Handy aufladen oder eine neue Nummer erwerben wollen, müssen ihren Namen, den akademischen Grad und ihr Geburtsdatum hinterlassen.
  • Öffentliche Überwachung: Seit vergangenem Jahr müssen öffentliche Einrichtungen, etwa Flughäfen oder Spitäler, vier Wochen lang ihre Aufnahmen speichern. Falls Kameras Geschehnisse live aufnehmen, muss Behörden ebenso der Zugriff in Echtzeit gewährt werden. Nicht Teil des Überwachungspakets, aber dennoch eine weitere Maßnahme stellt die Verwendung von Gesichtserkennungssoftware dar. Diese will die Polizei im kommenden Jahr nutzen, um Gesichter aus Videomaterial mit einer eigenen Referenzdatenbank abzugleichen. Ursprünglich war ein Start im Spätherbst 2019 vorgesehen.
  • Quick Freeze und IMSI-Catcher: Mit "Quick Freeze" verpflichtet die Regierung Telekomanbieter dazu, bei einem "Anfangsverdacht" Daten von Betroffenen nach Aufforderung bis zu zwölf Monate zu speichern. Mit Bewilligung der Staatsanwaltschaft dürfen Behörden darauf zugreifen. Der österreichische Providerverband ISPA sagt zum STANDARD, dass es bei seinen vielen Mitgliedern – darunter "3" und Magenta – erst bis zu dreimal dazu gekommen sei. "Die Anordnung kann sich nur auf Daten beziehen, die überhaupt gespeichert werden", sagt Generalsekretär Max Schubert. Das passiere aber aufgrund des Grundsatzes der Datenminimierung, die wiederum die Datenschutzgrundverordnung vorschreibt, nicht. Nicht mehr gebrauchte Daten werden für gewöhnlich gelöscht – das soll "Quick Freeze" verhindern. Aber: "Zugreifen auf die Daten konnten Strafverfolgungsbehörden – sofern vorhanden – auch schon vor Umsetzung der Regelung", kritisiert Schubert. Auch wurde die Verwendung von Geräten zur Handyortung, sogenannte IMSI-Catcher, geregelt. Diese täuschen Smartphones eine Mobilfunkverbindung vor, um Daten über das Gerät zu sammeln.

Forgó und Adensamer bewerten mehrere der nicht beanstandeten Punkte als rechtlich problematisch. Etwa sei das gelockerte Briefgeheimnis Adensamer zufolge sehr breit ausgelegt. Auch die SIM-Karten-Registrierung sei beiden zufolge überschießend. "Das ist eine anlasslose Überwachung, die Auswirkungen auf viele Personen hat", sagt Adensamer, für die das Vorgehen unverhältnismäßig ist. "Auch die immer weiter um sich greifende Videoüberwachung und Videodatenauswertung verdienen hier ein genaueres Hinsehen", so Forgó.

Ob aber weiter prozessiert wird, sei vor allem eine politische Frage. Aus juristischer Perspektive sei offen, wer sich den Aufwand antut und ein Verfahren vor dem VfGH führt: "Solche Prozesse sind zeitaufwendig, teuer und auch sonst nur eingeschränkt lustig", sagt Forgó. (Muzayen Al-Youssef, 13.12.2019)