In der Weltsicht des besten Innenministers, den Österreich je hatte, Herbert Kickl, sind Verfassungsrichter Handlanger des Verbrechens.

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In der Weltsicht des besten Innenministers, den Österreich je hatte, sind Verfassungsrichter Handlanger des Verbrechens. Der Tag ihrer Entscheidung zum Überwachungspaket der türkis-blauen Regierung wäre ein Feiertag für die organisierte Großkriminalität und den terroristischen Extremismus, lieferte er die sicherheitspolitische Expertise eines, der sich hoch zu Polizeiross nicht auch noch Gedanken um so etwas Zweitrangiges wie verfassungsmäßige Grundrechte machen wollte.

In einer Partei geistig beheimatet, deren Kapo bei der Organisierung von Kriminalität nicht an einem Bundestrojaner gescheitert ist, sondern an einer Privatinitiative, ist seine Verdrießlichkeit verständlich. Es kommt schließlich nicht nur darauf an, wie überwacht wird, sondern auch von wem. Was erst recht für Fälle von Extremismus gilt.

Donnerndes Schweigen

Schon überraschender ist da, in welch donnerndem Schweigen sich der Hauptschuldige an diesem türkis-blauen Attentat auf den Rechtsstaat aus der Debatte verabschiedet. Dabei wäre es schon deshalb politisch bereichernd zu erfahren, ob der Bundeskanzler der Republik, dessen Partei schon länger an der nun unterbundenen Demontage des Rechtsstaates gearbeitet hat als die FPÖ, Herbert Kickls Bewertung des Höchstgerichts teilt oder ob ihm der Richterspruch die Augen für seine demokratiepolitische Fehlleistung geöffnet hat.

Sich nur einfach davonzustehlen ist kläglich und zu wenig. Denn im Unterschied zu Kickl dürfte Sebastian Kurz voraussichtlich in das einmal verspielte Regierungsamt zurückkehren, er stellt also ein größeres Risiko dar als ein Freiheitlicher im Überwachungsrausch bei ernüchternder Opposition.

Verhandlungen samt Schweigegebot

Hauptgrund für die von den Kontrolloren so bombastisch aufgezogenen Koalitionssondierungsverhandlungen samt Schweigegebot ist natürlich das Bestreben, von allem abzulenken, was an der türkisen Legende kratzen könnte. Und eine Ohrfeige, wie Kurz sie nun vom Höchstgericht einstecken musste – der Spruch kam nicht gänzlich überraschend –, ist da unangenehm genug. Ein wenig kommen die Grünen da, ohne es gewollt zu haben, in die Rolle eines Fluchthelfers aus der Verantwortung, was ihnen umso peinlicher sein müsste, als sie in Sachen Überwachungsstaat – zumindest bisher – nicht auf der Linie der ÖVP gelegen sind.

Mit dem Spruch des Höchstgerichts ist die Debatte über die Frage, wie viel Überwachung sinnvoll und wie viel gefährlicher ist als vermeintlich drohende Gefahren, nicht beendet. Anzunehmen daher, dass sie eines von vielen Themen bei den Regierungsverhandlungen ist. Als eine Maxime dafür hat Kurz einmal ausgegeben, an Entscheidungen der türkis-blauen Koalition dürfe nicht gerüttelt werden. Verständlich, er will den Eindruck vermeiden, Meinungen wie Koalitionspartner zu wechseln. Aber leichter macht es die Verhandlungen nicht. Diesmal kann er sich beim Abrücken vom früheren Prestigeprojekt auf das Höchstgericht berufen, also auf höheren Zwang. Das sollte eine Verständigung leichter darstellbar machen. Dann wird man sehen, wie sich der Überwachungsstaat Österreich in der türkis-grünen von der türkis-blauen Variante unterscheidet. (Günter Traxler, 12.12.2019)