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Wenn die neue Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) mit 1. Jänner ihre Tätigkeit aufnimmt, startet sie mit einem gewaltigen Misstrauensvorschuss. Die sozialdemokratischen Arbeitnehmervertreter im Überleitungsausschuss, der die Zusammenlegung der neun Gebietskrankenkassen koordiniert, warnen ohnehin schon seit Anbeginn an vor einer Übermacht der Arbeitgeberseite und einem De-facto-Ende der Selbstverwaltung.

Aber auch ÖVP-intern wird die von der ehemaligen türkis-blauen Regierung durchgesetzte Fusion mit gemischten Gefühlen beobachtet. Es sind vor allem die ÖVP-regierten Bundesländer Oberösterreich und Salzburg, die fürchten, um sehr viel Geld umzufallen. Basis der Sorge ist ein Erlass des Sozialministeriums, wonach die Krankenkassen Jahr für Jahr ein Zwölftel der Gesamtausgaben für Krisenzeiten oder Epidemien zurückstellen müssen.

470 Millionen

Das gilt auch für die ÖGK, in der dann die Rücklagen aller fusionierten Kassen zusammenfließen sollten. Das Problem dabei: Vorarlberg, Niederösterreich und Wien konnten die Leistungsrücklage erst gar nicht bilden. Damit dürften – das Jahr 2019 mitgerechnet – an die 470 Millionen Euro fehlen.

Für diese Summe werden nun die Rücklagen jener Länderkassen herangezogen, die mehr als das vorgeschriebene Zwölftel auf der hohen Kante haben. Und das trifft vor allem Oberösterreich, Salzburg und abgeschwächt die Steirer. Die Oberösterreicher sollen rund 250 Millionen, die Salzburger etwa 136 und die Steirer rund 50 Millionen beisteuern. Geld, das beispielsweise für regionale Gesundheitsförderungsprojekte eingeplant war.

Bilanztechnische Maßnahme

"Die Darstellung, dass durch die Fusion der neun Gebietskrankenkassen zur ÖGK Geld aus den Bundesländern in die Zentrale nach Wien abgezogen würde, ist falsch", hat ÖGK-Generaldirektor Bernhard Wurzer schon im September versichert, nachdem erstmals in einigen Regionalmedien der betroffenen Länder von drohenden Geldabflüssen berichtet worden war. Wurzer spricht von rein bilanztechnischen Maßnahmen und versichert: "Dabei wird kein Geld bewegt und kein einziger Cent abgezogen. Alle Leistungsverpflichtungen in den Bundesländern werden in Zukunft von der Österreichischen Gesundheitskasse voll und ganz erfüllt."

Misstrauen

Ganz traut man den Versprechungen aus Wien in Linz und Salzburg aber nicht. Beide Landesregierungen wurden in Wien vorstellig, erreichten aber nicht viel mehr als Verwendungszusagen, dass "die Mittel für oberösterreichische Projekte" eingesetzt werden, wie es ein Sprecher von Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) auf Anfrage des STANDARD formuliert.

Salzburgs Gesundheitslandesrat Christian Stöckl (ÖVP) wandte sich schriftlich an die ÖVP-Spitze – namentlich an Sebastian Kurz, Wolfgang Sobotka und August Wöginger. In dem Schreiben verlangt Stöckl eine Klarstellung oder gegebenenfalls eine Änderung der Gesetzesgrundlage. Würden die Rücklagen nicht in Salzburg bleiben, "sehe ich in der Umsetzung der Landes- beziehungsweise Bundesgesundheitsziele größte Probleme. Auch die Umsetzung jener Projekte in der Gesundheitsversorgung, die ganz besonders die regionalen Gegebenheiten und Voraussetzungen berücksichtigen, sehe ich extrem in Gefahr."

Ähnlich wie den Oberösterreichern wurde auch Stöckl nur vage versprochen, dass die Gelder in den Ländern bleiben – unabhängig von bilanztechnischen Vorschriften. "Ich sehe daher auch keinen gesetzlichen Anpassungsbedarf oder dass die Widmung der Rücklagen wackelt", schreibt Wöginger.

Teilbetrag bleibt

Die eigentliche Frage, was geschieht, wenn die finanzstarken Länderstellen die Zusage einzulösen gedenken, bleibt dabei aber unbeantwortet, sagen Finanzexperten aus den Reihen der Länderkassen unisono. Die Mittel seien ja dann einfach nicht mehr vorhanden, die ÖGK dürfe gar nicht zahlen, weil sie dann letztlich geschäftsunfähig werde.

Die Salzburger wollen nun retten, was zu retten ist. Kommende Woche wird ein Rahmenvertrag zwischen der Noch-Gebietskrankenkasse und dem Land präsentiert, mit dem Gesundheitsprojekte in der Höhe von 30 Millionen Euro fixiert werden. "Die Finanzierung soll zu einem Teil aus Rücklagen der Salzburger Gebietskrankenkasse gesichert werden", heißt es in der Medieneinladung. (Thomas Neuhold, 13.12.2019)