Jefta van Dinthers "The Quiet" im Tanzquartier.

Foto: Ben Mergelsberg

Was braucht man, um etwa mit Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk durch deren Jakobsbücher zu reisen? Richtig: Zeit. Genau auf diese haben es die grauen Herren in Michael Endes Roman Momo abgesehen. Jetzt erinnert der renommierte Choreograf Jefta van Dinther an den perversen Zeitdiebstahl unserer beschleunigten Gesellschaft. Sein jüngstes Stück, The Quiet, wird vom Tanzquartier Wien gerade in die Hektik der Vorweihnachtszeit gepflanzt.

Als Momo unserer Tage kann Greta Thunberg gelten. Per Zug oder Schiff reisend entzieht sie sich dem Klimakiller Beschleunigung. Die grauen Herren von heute sehen ihr dabei zu, als sähen sie ein Gespenst. An einer solchen Entgeisterung setzt The Quiet an und führt in eine traumähnliche Atmosphäre, die das Zeitgefühl zu bremsen scheint. Van Dinther (39) gehört sicher zu den Entschleunigern des zeitgenössischen Tanzes. In The Quiet bewohnen fünf Tänzerinnen die vagen Tiefen eines imaginierten Unbewussten. Bei Dämmerlicht dringen sie in das "Gespenst" eines unfertigen Hauses ein und öffnen eine Bodenklappe: ein Höllentor, aus dem Licht und Popmusik dringen.

Poetisches Stück

Ihre Welt gleicht einem Fluchtraum, in dem Stimmen wie aus Erinnerungen laut werden. "Die Leute glauben, du wärst ruhig, aber das bist du nicht. Du magst die Konfrontation", sagen sie, oder: "Du misstraust der Technologie."

Es ist ein herrlich poetisches Stück. Es bietet viel Platz für Gedanken und Interpretationen. Dem sich analytisch orientierenden Blick bietet es mit gelassener Geste Paroli; der Penetranz ungeduldiger Lektüre lässt es nicht die geringste Chance. (ploe, 13.12.2019)