England muss, so wie der Name einer Billigmarke, Poundland bleiben. Die Anti-Euro-Stimmung schlug im Norden Englands stark durch.

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Endlich! Ein Mandat für Boris Johnsons Brexit! Die Freude nach der Wahl war nicht nur bei den britischen Konservativen groß, sondern verhaltener auch in der EU. Immerhin gibt es nun, nach schwierigen Jahren, stabile Verhältnisse in London. Aber haben die Britinnen und Briten am Donnerstag wirklich den Brexit gewählt? Darauf gibt es eine sehr kurze, eine kurze und eine etwas längere Antwort.

Die sehr kurze lautet "Ja" und bezieht sich auf den Mandatsstand, den das Mehrheitswahlrecht den Konservativen beschert hat – die Überzahl der Tories im Unterhaus ist eindeutig.

Die kurze Antwort hingegen lautet "Nein". Für Konservative und Nigel Farages Brexit Party haben zusammen nur rund 46 Prozent gestimmt. Jene Parteien, die keinen Brexit ohne neues Referendum wollen – Labour, Liberaldemokraten, SNP, Grüne, Sinn Féin, Plaid Cymru – erreichen zusammen etwa 52 Prozent. Das entspricht etwa jener Zahl der Wahlberechtigten, die sich auch in aktuellen Umfragen für "Remain" aussprechen würden, wenn sie ihre Präferenz in einem neuen Referendum äußern dürften.

Boris, Held der Arbeit

Aber auch das hilft nicht, denn es gibt ja noch die lange Antwort. Und die sieht noch einmal anders aus: Auch wenn eine Mehrheit der Britinnen und Briten gegen ihn sein mag – der Brexit hat die Wahl entschieden. Denn ihren Sieg verdanken die Konservativen in großen Teilen jenen strukturschwachen ehemaligen Industriegebieten im Norden Englands und Wales' sowie in den Midlands, die alle schon 2016 den Austritt aus der EU unterstützt hatten. Dort gingen Wahlkreise, die teils seit den 1920ern nur Labour gewählt hatten, an die Tories. Und genau dort fiel auch ein Wahlmotiv besonders deutlich ins Gewicht: der Ausstieg aus der EU. Insgesamt gewannen die Konservativen in jenen Gebieten, die klar für einen EU-Austritt eintraten, sechs Prozentpunkte dazu. In jenen, die mehrheitlich dagegen waren, verloren sie hingegen drei.

Die Wahlbeteiligung lag insgesamt bei 67 Prozent. Eine Auswertung zeigt ein eher undeutliches Bild. Insgesamt dürfte sie in den Leave-Wahlkreisen in Nordengland aber teils deutlich niedriger gewesen sein als bisher – was nahelegt, dass viele Labour-Anhänger diesmal zu Hause geblieben sein könnten. Gering fiel sie allerdings auch traditionsgemäß im labourlastigen London aus.

Eine demografische Auswertung der Wählerschaft lag nicht vor, dafür bemerkenswerte Zahlen zu den Parteien: Sowohl für Labour als auch für die Liberaldemokraten ziehen mehr Frauen als Männer in das Unterhaus ein. Dieses bleibt dennoch zu 65 Prozent männlich, weil 277 der 364 Tories (74 Prozent) Männer sind. (Manuel Escher, 13.12.2019)