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Die Ambitionierten

Es gibt eine Gruppe von Ländern, die besonders ambitionierte Maßnahmen gegen die Erdüberhitzung ergreifen will. Diese "High Ambition Coalition" hat sich vor vier Jahren in Paris erstmals zusammengefunden – seit dem Vorjahr ist auch Österreich mit dabei. In einer gemeinsamen Erklärung beruft man sich nicht nur explizit auf den 1,5-Grad-Spezialreport des Weltklimarats, die Teilnehmerländer zeigen sich auch "entschlossen", bis 2020 ambitioniertere nationale Klimaziele vorzulegen. Zum Vergleich: In der Abschlusserklärung von Madrid werden die Staaten dazu lediglich "ermutigt" – in der Sprache der Diplomatie ein entscheidender Unterschied.

Auch die EU sieht sich als einer dieser "Überflieger" – derzeit reichen allerdings auch die Anstrengungen der 28 Mitgliedsstaaten noch nicht aus, um die Erderwärmung auf vorindustrielles Niveau zu senken. EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermans gab vor dem Gipfel in Madrid die Devise aus, dass man keine Kompromisse akzeptiere, "welche die Zukunft des Planeten gefährden".

Genau so ist es dann auch gekommen – insbesondere die Regeln des globalen Kohlenstoffmarktes harren aufgrund massiven Widerstands einiger Länder weiter ihrer Formulierung. Wer diesem Zwischenstand etwas Positives abgewinnen will, wie die Umweltministerin des Vorsitzlandes Chile, Carolina Schmidt, kann es auch so sehen: Immerhin gibt es jetzt detailliert ausgearbeitete Textvorschläge, an denen man sich künftig anhalten kann.

Auch abseits der Verhandlungen beim Klimagipfel hat sich in der vergangenen Woche einiges getan: Die EU-Kommission legte ihren "Green Deal" vor. Kernpunkt dieses Plans ist das Erreichen von Klimaneutralität bis 2050 – unter anderem mittels Einführung eines Klimazolls, einer Ausweitung des Emissionshandelssystems auf den Schiffsverkehr und weniger Gratiszertifikate für Fluglinien. Was als einstimmiger Beschluss verkauft wurde, hat zumindest einen Schönheitsfehler: Polen bekam ein halbes Jahr Bedenkzeit, ob es diese – vielen ohnehin nicht weit genug gehenden – Ziele mittragen kann. Weil die nationale Souveränität über den Strommix in dem Papier explizit festgehalten wird, gehen einige Beobachter auch von einem Revival der Atomkraft aus.

Laut Climate Action Tracker, dem das Know-how mehrerer NGOs zugrunde liegt, gibt es aktuell genau zwei Länder, deren Klimaziele "Paris-kompatibel" sind: Gambia und Marokko. Bei Letzterem wird allerdings gezweifelt, ob die Umsetzung gelingen kann – Stichwort Kohlekraft.

Die Bremser

Sein Land sei nicht das einzige, das mit den Textvorschlägen der chilenischen Ratspräsidentschaft nicht einverstanden ist, erklärte ein brasilianischer Delegierter knapp vor dem Ende der 25. Weltklimakonferenz in Madrid. Das entspricht zwar der Wahrheit, nichtsdestotrotz fielen die Südamerikaner in Spanien als einer der größten Querulanten auf. Kaum lag ein Textentwurf auf dem Tisch, wollte Brasilien einen Paragrafen gestrichen wissen oder sagte simpel: Nicht mit uns. Das Druckmittel von Präsident Jair Bolsonaro hat dabei durchaus Gewicht: In Brasilien befindet sich der Großteil des Amazonas-Regenwaldes. Beim Klimagipfel machte das Land keinen Hehl daraus, dass es diese Ressource vergolden will – entweder durch die Abholzung der Wälder oder indem man CO2-Zertifikate für deren Erhalt und Wiederaufforstung an andere Länder verkaufe. Für seine Aktionen auf dem Klimagipfel wurde Brasilien gleich mehrfach mit dem Klimanegativpreis Fossil of the Day ausgezeichnet.

Der Preis, der täglich von einer Umweltschutzorganisation auf der Konferenz vergeben wird, ging auch an die USA. Diese haben bereits angekündigt, aus dem Pariser Klimaabkommen auszutreten, durften in Madrid aber noch mitverhandeln. Dort standen sie vor allem bei Finanzierungszusagen im Bereich "Verluste und Schäden" auf der Bremse. Ähnlich negativ fielen auch Australien und Japan auf. Die Inselstaaten setzten sich dafür ein, dass bereits erreichte Emissionsreduktionsmaßnahmen ein weiteres Mal gezählt werden.

Das macht Fortschritte schwierig: Auf dem Klimagipfel können Entscheidungen nur dann gefällt werden, wenn kein Land dagegenstimmt. Das führte letztlich dazu, dass besonders strittige Punkte einfach vertagt wurden. Die ausstehenden Ergebnisse sorgten am Sonntag für viel Kritik. Die internationale Gemeinschaft habe eine wichtige Gelegenheit verstreichen lassen, mehr Ehrgeiz im Kampf gegen die Klimakrise zu zeigen, schrieb etwa UN-Generalsekretär Antonio Guterres auf der Kurznachrichtenplattform Twitter. "Aber wir dürfen nicht aufgeben. Und ich werde nicht aufgeben."

Auch heimische NGOs kritisierten den Ausgang der Gespräche. Greenpeace bezeichnete die Konferenz als "Schande", die mit "völlig unzureichenden Minimalkompromissen" geendet habe. Der WWF sprach von einer "politischen Bankrotterklärung"; die Ergebnisse werden dem Klimanotstand "in keiner Weise gerecht", kritisierte Global 2000. Besonders enttäuscht zeigten sich Klimaschützer von Fridays for Future: "Das ist gescheitert", lautete ihr Fazit.