Die türkise Frohbotschaft vom Wochenende enthielt viele Nadelstiche gegen die Grünen: Zwar stellte ÖVP-Chef Sebastian Kurz, seit mehr als zwei Monaten mit einem Regierungsbildungsauftrag ausgestattet, via Krone und Kurier in Aussicht, dass die Koalitionsverhandlungen mit Kogler, Gewessler und Co Anfang Jänner abgeschlossen werden – zeitgleich wurde von der ÖVP aber auch lanciert, dass ihren Verhandlern angesichts mancher schrägen Forderungen der Grünen die Luft weggeblieben sein soll.

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Trotz vereinbarter Vertraulichkeit wurden von der ÖVP schräge Forderungen von grünen Koalitionsverhandlern lanciert – was die Ökos prompt zu Klarstellungen veranlasste.
Foto: Reuters / Lisi Niesner

Aufseiten der Ökos war man am Sonntag einigermaßen baff, dass sie angeblich die Forderung erhoben hätten, in Fußballstadien müsse nach 20 oder 21 Uhr das Licht abgedreht werden, damit die Scheinwerfer die Insekten nicht irritieren – was Grünen-Chef Werner Kogler am Sonntagnachmittag prompt zurückwies: "Das ist ja ein völliger Unsinn. Das ist eine Falschmeldung." Die Forderung könne schon alleine deshalb nicht von den Grünen kommen, weil alle, die ihn kennen, wüssten, "dass gerade ich pflege, um diese Uhrzeit selbst im Stadion zu sitzen". Nachsatz: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass mir die grünen Verhandler das Licht abdrehen sollen. Jedenfalls noch nicht."

Ebenfalls nachgesagt wurde dem grünen Team, dass es den Terminus "Entwicklungsland" aus dem offiziellen Sprachgebrauch entfernt wissen will – politisch korrekt sei die Bezeichnung "Partnerländer aus den Fortschrittszonen des globalen Südens". Doch darauf ging Kogler erst gar nicht ein.

Keep cool!

Vielmehr machte der Grünen-Chef klar, dass Kurz’ Zeitplan zwar realistisch sei, aber dass die Verhandlungen auch durchaus "länger dauern" könnten. Die grünen Kernpunkte müssten jedenfalls enthalten sein – "sonst sind wir halt nicht dabei". Grundsätzlich plädierte er in beide Richtungen für Ruhe: "Keep cool!"

Mit den bewusst platzierten Falschmeldungen sollen die Grünen und ihre Positionen offenbar der Lächerlichkeit preisgegeben werden, ärgert sich so mancher ihrer Verhandler hinter den Kulissen. Noch dazu, wo man sich sehr wohl an die vom ÖVP-Chef eingeforderte und mit Kurz vereinbarte Vertraulichkeit gehalten hätte. Die ÖVP habe es eilig, wird auf grüner Seite erzählt – und deswegen dränge sie auf "Abschließen, Abschließen, Abschließen", obwohl man noch in "tiefsten Verhandlungen" sei.

Ähnlich drückte es auch Kogler am Sonntag aus: In der Gesprächsrunde am Samstag sei er mit Kurz erst in die "genaueren Verhandlungen über den Text eines möglichen Regierungsübereinkommens richtig eingestiegen". Zwar werde schon länger an dem Text gearbeitet, aber nicht primär von den beiden Parteichefs.

Besser, es werde "zwei bis drei Wochen länger verhandelt und dann zwei bis drei Jahre länger regiert", hielt Kogler fest – er sei jedenfalls "nicht in einem Wettlauf mit irgendwelchen Kalendern oder Feiertagen". Inhaltlich verriet der grüne Bundessprecher, dass es auch noch Themen gibt, die noch gar nicht verhandelt wurden – wie das Europakapitel.

Nur Lichtverschmutzung war Thema

Dass die ÖVP die Medien nutzt, um entsprechenden Druck aufzubauen, ist nicht ganz neu, das gab es in den letzten Wochen immer wieder. Aber dass jetzt ein Bild gezeichnet wird, das darauf abzielt, die Grünen zu diskreditieren, gab es in dieser Form noch nicht. Denn in den Verhandlungen ist laut Grünen nur über die zunehmende "Lichtverschmutzung" gesprochen worden, allerdings nicht im Kontext mit Insekten.

Trotz alledem wollen die Grünen die Verhandlungen nicht desavouieren, sondern sind bemüht, Konstruktivität walten zu lassen – selbst für den Fall, dass es die ÖVP darauf anlegt, die Verhandlungen wie im Februar 2003 scheitern zu lassen, wie einige mutmaßen.

Noch vermutet allerdings die Parteispitze, dass weder Kurz selbst noch sein Umfeld die Unterstellungen verbreitet haben – vielmehr vermutet man dahinter jene Kreise in der ÖVP, die gegen eine Koalition mit den Grünen Stimmung machen wollen. Mit Kurz sei das Vertrauensverhältnis noch intakt, wird beteuert.

Aber auch nicht alles, was Kurz offiziell zum Stand der Verhandlungen preisgegeben hat, gefällt dem grünen Gegenüber: Über Krone und Kurier erteilte der ÖVP-Chef Vermögens- und Erbschaftssteuer eine klare Absage – und von der neuen, zwischen Türkis und Blau paktierten Sozialhilfe, die den Grünen ein Dorn im Auge ist, werde nicht abgewichen. Kogler dazu: All das sei "Gegenstand von Gesprächen und Verhandlungen" – er sei jedenfalls der Meinung, dass die Frage des Zurückdrängens der Kinderarmut schon positiv beantwortet werden könne, ihm sei das auch "ein persönliches Anliegen".

Reise rückwärts ausgeschlossen

Auch das Nulldefizit, das die Grünen infrage stellen, erklärte Kurz als unumgänglich. Die nächste Steuerreform wiederum soll in Grundzügen dem von ÖVP und FPÖ geplanten Modell gleichen, neu wäre aber ein türkises Entgegenkommen, denn: Klimaschädliches Verhalten soll teurer werden, der öffentliche Verkehr dafür billiger. Kogler hingegen hielt zur Steuerreform fest, er sei "sehr dafür", alle arbeitenden Menschen – Arbeiter, Angestellte und Selbstständige – zu entlasten. "Das kostet dann natürlich auch etwas." Alle internationalen Studien würden darauf hinweisen, dass Österreich bei den Öko-Steuern hinterherhinke, ebenso wie bei den vermögensbezogenen Steuern. Es gehe darum, "ökologisch nachhaltig, ökonomisch vernünftig und sozial gerecht" vorzugehen, bei den Steuern, beim Budget, den Investitionen und beim Wirtschaften insgesamt. Koglers Fazit: "Ich glaube, da geht die Reise hin. Sonst sind wir halt nicht dabei. Eine Reise rückwärts geht sich mit den Grünen nicht aus."

Auf grüner Seite wird also mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass man aus jetziger Sicht noch nicht so weit sei. Die ÖVP dränge wohl deshalb so vehement auf einen raschen Abschluss, um unangenehme Details vom Tisch zu bekommen. Gerade mit ihrer Detailverliebtheit machen sich Kogler und sein Team nicht allzu viele Freunde bei der ÖVP. Die Überlegung dahinter: Je mehr und je detaillierter im Koalitionspakt festgeschrieben werde, umso geringer ist der Interpretationsspielraum, den die ÖVP für sich nützen könnte. (Michael Völker, Nina Weißensteiner, 15.12.2019)