Frage:

Unsere Tochter ist 16 und hat seit diesem Schuljahr eine neue Freundin. Diese raucht, trinkt und ist frech. Zugegeben: Wir können sie nicht ausstehen. Die beiden hängen oft bei uns zu Hause herum, aber sind auch viel unterwegs. Die Freundin unserer Tochter redet vulgär, und das hat unsere Tochter auch schon angenommen. Wir hatten eigentlich immer ein gutes Verhältnis zu ihr, aber mittlerweile ist sie auch total aufmüpfig und motzt uns ständig an. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Freundin kein guter Umgang für sie ist. Wir haben auch schon versucht, ruhig mit ihr darüber zu reden. Sie fühlt sich dann sofort angegriffen und blockt ab. Neuerdings übernachtet sie häufig bei der Freundin und kommt das ganze Wochenende nicht heim.

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Für Teenager sind häufig nicht mehr die Eltern der Mittelpunkt des Lebens, sondern die Freunde.
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Ehrlich gesagt machen wir uns ein wenig Sorgen, dass sie uns entgleitet. Früher haben wir die Wochenenden miteinander verbracht, sind zu den Großeltern gefahren oder ins Kino gegangen. Jetzt sind wir und die Verwandten alle nur "Opfer". Bitte, geben Sie mir einen Rat, wie wir am besten mit der Situation umgehen. Reden hilft nicht, da wir offenbar die uncoolsten Eltern unter der Sonne sind.

Antwort von Hans-Otto Thomashoff

Ich verstehe, dass Sie sich in einer Zwickmühle befinden. Wie Sie auch reagieren, scheint es falsch zu sein. Doch Sie sollten Ihre Sorge ernst nehmen, denn die Peergroup und damit die Freunde haben einen wichtigen Einfluss auf Jugendliche bei ihrer Suche nach der eigenen Identität.

Pauschale Verbote bringen nichts, das haben Sie gut erkannt, doch zur erwachsenen Identität gehören nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Die sollten Sie ruhig und selbstverständlich einfordern. Das beinhaltet unter anderem auch einen zivilisierten Umgang miteinander, und den sollten Sie einfordern. Anflegeln ist nicht in Ordnung, und Sie sollten klar Ihren Unmut darüber zum Ausdruck bringen: "So reden wir in unserem Haus nicht miteinander." Entscheidend ist dabei, das unerwünschte Verhalten zu begrenzen und nicht Ihre Tochter (oder die Freundin) pauschal zu entwerten. Ich weiß, das ist schwer, wenn man so richtig gereizt wird. Bei allem Konfliktpotenzial sollte Ihre Tochter außerdem wissen, dass Sie immer ein offenes Ohr für Sie haben und im Notfall für Sie da sind.

Die Freundin haben Sie ja schon kennengelernt – und können sie nicht leiden. Vielleicht würde es helfen, auch deren Eltern kennenzulernen. Sollten die sich als asozial erweisen, ist Ihre Sorge noch berechtigter. Zugleich gewinnen Sie dadurch möglicherweise Argumente, mit deren Hilfe Sie Ihrer Tochter Ihre Sorge nachvollziehbar machen können. "Möchtest du wirklich so werden?"

Ein wichtiger Indikator, ob die Lage kritisch zu werden droht, ist die Schulleistung. Wenn wirklich Gefahr im Verzug ist, etwa durch Drogen oder Kriminalität, würde ich versuchen, mein Kind zeitweilig in ein anderes Umfeld zu bringen, durch eine längere Reise oder ein Auslandsjahr, sofern das irgendwie möglich ist. (Hans-Otto Thomashoff, 26.12.2019)

Hans-Otto Thomashoff ist Psychiater, Psychoanalytiker, zweifacher Vater und Autor. Zuletzt veröffentlichte Bücher: "Das gelungene Ich" (2017) und "Damit aus kleinen Ärschen keine großen werden" (2018).
Foto: Alexandra Diemand

Antwort von Linda Syllaba

Wir können uns als Eltern leider nicht aussuchen, wen unsere Kinder als Freunde wählen. Je mehr Sie dagegen ankämpfen, umso stärker wird Ihre Tochter in die Verteidigung gehen. Sie müssen diese Freundin nicht mögen, können vielleicht dennoch herausfinden, was Ihre Tochter so reizvoll an ihr findet. Damit gewinnen Sie vielleicht etwas Einblick, was Ihre Tochter momentan beschäftigt. Und dass wir als Eltern früher oder später "uncool" werden, gehört zum Ablösungsprozess der Autonomiephase dazu. Pubertät bedeutet, sich selbst zu definieren, auszuprobieren, was für einen passt oder eben nicht – unabhängig vom bisher Vertrauten, das die Familie zu bieten hatte. Das geht oft auch mit Extremen einher, die getestet werden.

Wenn Sie sich sorgen, dass Ihre Tochter Ihnen "entgleitet", muss ich Sie leider bestätigen: Sie werden Sie nicht halten können. Ihre Tochter wird und muss ihren eigenen Weg gehen, unabhängig von Ihnen. Letztendlich soll das ja auch so sein. Damit die Verbindung zwischen Ihnen dennoch eine liebevolle bleibt, braucht es in der Phase nun Eltern, die vertrauensvoll und gleichzeitig klar sind. Mein Lehrer Jesper Juul sprach immer davon, Teenagern so zu begegnen, dass wir größtmöglichen Widerstand und geringstmöglichen Schaden anrichten. Seien Sie ruhig klar in Ihren Ansagen, und vor allem: Vertrauen Sie Ihrer Tochter.

Die 16 Jahre Ihrer bisherigen Vorarbeit bilden nun den Unterbau für das, was sie selbst daraus macht. Wenn es so ist, sagen Sie ihr ruhig in einer persönlichen Sprache: "Ich halte nicht viel von deiner Freundin, aber ich vertraue dir, weil ich weiß, dass du ein kluges Mädchen bist." Oder: "Mir ist wichtig, dass du gut auf dich aufpasst. Ich bin nicht immer bei dir, was gar nicht so einfach für mich ist, also bist du selbst für dich verantwortlich." Oder: "Diese vulgäre Sprache gefällt mir gar nicht. Wenn du möchtest, rede mit deinen Freunden so, nur mit mir nicht!" Und dann wäre da noch eine Sache: "Pass auf, was du tust, denn solange ich für dich mitverantwortlich bin, bedeutet das, dass du mich in deine Misere mit reinziehst."

Für Erziehung im klassischen Sinne ist es jetzt ohnehin zu spät. Daher sollten Sie jetzt Vertrauen schenken und Beziehungsarbeit leisten. Wichtig ist, dass Ihre Tochter weiß, dass Sie weiterhin für sie da sind, wenn sie einen Hafen braucht. Und Sie werden ihr vertrauens- und liebevoll zuwinken, wenn sie in See sticht für ihre Reise ins Erwachsenenleben. (Linda Syllaba, 26.12.2019)

Linda Syllaba ist diplomierte psychologische Beraterin, Familiencoach nach Jesper Juul und Mutter. Aktuelles Buch: "Die Schimpf-Diät" (2019).
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