Kurt Palm weiß nach der Pause, wie man dem Publikum einschenkt: mit einem geriatrischen Abgesang auf die Roten.

Foto: Alexander Gotter

Dieser Theaterweckruf bleibt seine Dringlichkeit schuldig. Zumindest vorläufig, denn von den vier Teilen der legendären ORF-Filmreihe Die Arbeitersaga, die im Werk X derzeit eine Neuauflage erlebt, waren erst deren zwei zu sehen. Drei Regisseure und eine Regisseurin zerpflücken den zwischen 1985 und 1991 ausgestrahlten TV-Mehrteiler von Peter Turrini und Rudi Palla. Er hat die gesellschaftspolitischen Weichenstellungen nach dem Zweiten Weltkrieg, vornehmlich die Entwicklung der Sozialpartnerschaft, episch verdichtet. Jeder der Filmteile steht zwar für sich, auch wenn sich mit der Freundschaft der Gewerkschafter Rudi Blaha und Manfred Manni Markovic ein roter Faden findet.

Im Zentrum steht die Entwicklung einer Partei, die sich mit ihrer einmal hochgehaltenen (Sozial-)Politik heute ins Off gedrängt sieht. Wie konnte es nur so weit kommen? Antworten darauf gibt es vorerst keine, dafür jede Menge Nostalgie und Häme.

Junge Garde

In Teil eins setzt Helmut Köpping ein performatives Räderwerk in Gang, in dem sich vier HochleistungssozialistInnen zwischen Kameralinse und frontalem Spiel bewegen und dabei die Schwierigkeiten der "Bewegung" nach 1945 (wohin mit den Nazis?) auffächern. Der sportliche "Wiederaufbau" verläuft spannungslos.

Kurt Palm weiß nach der Pause, wie man dem Publikum einschenkt, und legt in Teil 2 (die 1980er-Jahre) mit einer Kabarettnummer auf die SPÖ nach. Bei der "Jungen Garde des Proletariats" gehen alle auf Krücken oder am Rollator, der Blutdruck war auch schon mal besser. Dieser geriatrische Abgesang auf die Roten vollzieht sich losgelöst vom Original und ähnelt im Duktus Palms Parteizentralen-Sommernachtstraum von 2017 in Linz – sogar mit denselben Witzen ("Buongiorno" – "John Porno"). Quizfragen, Modeschau, eine Polonaise und knallige Kostüme drehen für eine Stunde ordentlich auf, führen aber über eine Verblödelung nicht hinaus. (afze, 16.12.2019)