Sein überzeugender Wahlsieg und die Aussicht auf die Umsetzung des geplanten EU-Austritts haben Boris Johnson offenbar jene Gelassenheit und emotionale Intelligenz zurückgegeben, die er im Wahlkampf oft vermissen ließ. In seinen Ansprachen seither, zuletzt am Montag vor den frischgebackenen Tory-Abgeordneten, bedankte sich der Premierminister nicht nur bescheiden bei jenen, die teilweise zum ersten Mal in ihrem Leben ihr Kreuz bei den Konservativen gemacht haben. Er wandte sich auch in versöhnlichem Ton an die EU-Befürworter.

Die schottische Premierministerin Nicola Sturgeon.
Foto: imago/Jens Schicke

Die schottische Premierministerin Nicola Sturgeon ging darüber hinaus, nahm verbal die gut drei Millionen auf der Insel lebenden EU-Bürger in den Arm und sicherte ihnen ein garantiertes Bleiberecht zu. Es war Teil eines geschliffenen Auftritts, mit dem die Nationalistin der frischgewählten Regierung in London den Kampf ansagte. Dabei geht es nicht nur um die prinzipielle Ablehnung des EU-Austritts, den die Schotten tatsächlich mehrheitlich nicht wollten. Infrage steht auch die Freiheit der stolzen, seit 312 Jahren mit England in einer Union zusammengespannten Nation.

Ein zweites Unabhängigkeitsreferendum sei keine Forderung, sondern Schottlands gutes Recht, sagte Sturgeon am Montag bei der Vorlage eines entsprechenden Gesetzesentwurfs. Zu besichtigen waren die beiden größten politischen Talente auf der Insel. Im kommenden Jahr wird man sie häufig im Clinch antreffen. (Sebastian Borger, 16.12.2019)