Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein

Als erste Frau das Amt der Regierungschefin zu übernehmen hat für Brigitte Bierlein letztlich den Ausschlag gegeben, Ja zu sagen, als Bundespräsident Alexander Van der Bellen die damalige Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs gefragt hat, ob sie Interimskanzlerin werden wolle. Als Feministin würde sie sich dennoch nicht bezeichnen, sagte Bierlein dem "Profil": Das Kämpferische fehle ihr.

Bierlein ist aber nicht nur die erste Kanzlerin, sie ist auch die erste Übergangskanzlerin: parteifrei und ohne fixe Mehrheit im Parlament. Und ohne den Anspruch zu gestalten, ganz dem Auftrag des Bundespräsidenten entsprechend: Keine Reformen, nur dringend notwendige Beschlüsse, selbst bei den Personalentscheidungen beschränkte sich die Kanzlerin auf das absolute Minimum.

Mit ihrer Zurückhaltung stieß sie aber nicht nur auf Begeisterung. Auch weil es länger als gedacht dauern dürfte, bis eine neue, klassische Regierung steht. In der Art ihrer Amtsführung setzte Bierlein dagegen sehr wohl politische Statements: Inseratenbudgets kürzte sie radikal, Kabinette schrumpften teils massiv, Stabsstellen wurden aufgelöst. Die anfangs an die Minister ausgegebene Order, wenn überhaupt, dann nur mit "Fachjournalisten" zu sprechen, hat die Kanzlerin rasch korrigiert. Ganz unpolitisch geht es als Regierungschefin eben doch nicht. (sefe)

Die "Übergangsregierung" wurde am 3. Juni 2019 von Bundespräsident Alexander Van der Bellen (in der Mitte des Fotos) angelobt. Der Regierung unter Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein (5. v. li.) gehören an: Verkehrsminister Andreas Reichhardt, Sozialministerin Brigitte Zarfl, Nachhaltigkeitsministerin Maria Patek, Vizekanzler und Justizminister Clemens Jabloner, Wirtschaftsministerin Elisabeth Udolf-Strobl, Finanzminister Eduard Müller, Bildungsministerin Iris Rauskala, Verteidigungsminister Thomas Starlinger, Innenminister Wolfgang Peschorn, Außenminister Alexander Schallenberg und Frauenministerin Ines Stilling.
Foto: APA/Fohringer

Vizekanzler / Justizminister Clemens Jabloner

Kaum jemand kennt die österreichische Verfassung so gut wie Justizminister Clemens Jabloner. Der frühere Verwaltungsgerichtshofpräsident war auch Geschäftsführer des Hans-Kelsen-Instituts, bevor er zum Vizekanzler und Justizminister ernannt wurde. Seit der Nationalratswahl am 29. September ist er nur noch für das Justizressort zuständig. Das ist wieder der Verfassung geschuldet: Wird eine Regierung vom Bundespräsidenten mit der Fortführung der Geschäfte betraut, wird der Vizekanzler nicht erneut angelobt. Er vertritt aber Kanzlerin Bierlein weiterhin.

Jabloner fiel in den vergangenen Monaten immer wieder durch präzise Analysen auf. So mahnte er vor dem finanziellen Aushungern der Justiz, sie sterbe einen stillen Tod. Er forderte 90 Millionen Euro für sein Ressort, damit der Betrieb aufrechterhalten werden könne.

Als das türkis-blaue Gewaltschutzpaket im Parlament beschlossen wurde, appellierte er an die Abgeordneten der Ex-Regierungsparteien, dieses noch einmal zu überdenken – mit eindringlicher Wortwahl: Mindeststrafen bei jungen Erwachsenen seien ein "zivilisatorischer Rückschritt", Strafrahmen zu erhöhen "einer vermuteten Stimmungslage in der Bevölkerung geschuldet". Dass Expertenmeinungen "einfach vom Tisch gewischt" werden, beunruhigte ihn. Das gefährde den Rechtsstaat. (mte)

Innenminister Wolfgang Peschorn

Wenn es um Mitglieder der Expertenregierung geht, die eben nicht nur verwalten, sondern gestalten, fällt sein Name zuerst: Wolfgang Peschorn ist im Innenministerium höchst aktiv. Er sieht sich selbst als "Sanierer". Das liegt daran, dass sein Vorgänger Herbert Kickl (FPÖ) dort für einigen Aufruhr gesorgt hat. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) lässt sich nicht einfach so "verwalten", es hat vielmehr eine dringende Reform nötig.

Die will Peschorn selbst angehen. Außerdem schickte er den Salzburger Landespolizeidirektor Franz Ruf ins BVT, nachdem brisante Geheimnisse ihren Weg in die Medien fanden – und ein langjähriger Abteilungsleiter wegen Mobbing-Vorwürfen suspendiert wurde.

Aber auch abseits des Verfassungsschutzes rührt Peschorn um. Die Kickl’sche Innovation einer berittenen Polizei blies er wieder ab, sehr zum Unmut der Freiheitlichen. Die werfen Peschorn vor, den alten schwarz-türkisen Kurs einzuschlagen, der das Innenministerium vor Kickl 17 Jahre lang dominiert hat.

Für besonderen Ärger sorgt etwa, dass Peschorn zwei Sektionschefs im Amt lässt, die von der Korruptionsstaatsanwaltschaft angeklagt wurden. Auch wegen der Besetzung der Soko Ibiza geriet Peschorn in die Kritik. Von all dem zeigte der sich bislang unbeeindruckt. (fsc)

Bildungsministerin Iris Rauskala

Das für Bildung, Wissenschaft und Forschung zuständige Ministerium war immer ein klassisches Arbeitsministerium, ob nun ein "politischer" Minister amtierte oder eben eine Beamtenministerin an der Spitze ist. Vieles muss zeitnah entschieden werden. Und so legte Iris Rauskala, die als Chefin der Präsidialsektion ins Ministerbüro wechselte, ihr Amt auch an: "Dort gestalten, wo es notwendig ist, und verwalten, wo das reicht."

Zentralmatura war: Rauskala erinnerte angesichts nicht sensationeller Verbesserungen daran, dass das "Mammutprojekt" über viele Jahre "feinjustiert und verbessert werden müsse". Fridays for Future zog viele Schüler – im rechtsfreien Raum – zu Demos: Die Ministerin erlaubte per Erlass die Teilnahme am globalen Earth-Strike-Tag. Sie untersagte Original Play in Bundesschulen und riet ansonsten "dringend" davon ab. Die Lehrerbewertungs-App parierte sie mit einem Gutachten. Und dann war da noch Pisa: Mittelmaß, ja, aber wie Rauskala meinte: "Nicht die große Jubelbotschaft, aber auch kein Grund zur großen Sorge." Sie legte ihre Rolle selbstbewusst, wenig schreckhaft, aber auch ohne forcierte Öffentlichkeit an. Sie agierte pragmatisch, unaufgeregt – und hielt Linie. Die ihres Vorgängers und Ex-Chefs Heinz Faßmann. Selbst wenn das hieß, umstrittene türkis-blaue Beschlüsse wie die Deutschklassen verteidigen zu müssen. (nim)

Verteidigungsminister Thomas Starlinger

Mit drastischen Mitteln versucht Thomas Starlinger seit Juni, den Parteien zu verdeutlichen, wie ernst die Lage des finanzmaroden Bundesheers ist: Zuerst wollte der Übergangsverteidigungsminister das Sicherheitsschulprojekt in Wiener Neustadt abdrehen, dann den Militäraufmarsch auf dem Wiener Heldenplatz am Nationalfeiertag streichen. Doch ÖVP, SPÖ und FPÖ hintertrieben Starlingers Sparvorhaben prompt mit spektakulären Ad-hoc-Anträgen im Nationalrat. Fazit: Die Sicherheitsschule wird weiterbetrieben, und am 26. Oktober fand eine Schmalspurvariante der Leistungsschau statt.

Trotzdem wurde Starlinger nie müde, vor der drohenden Pleite des Bundesheers zu warnen, sofern sein Budget nicht bald erhöht werde. Ebenso eindringlich machte er auf Sicherheitslücken für die Bevölkerung aufmerksam.

Zuletzt bekam der Minister den desolaten Zustand des Militärs auch selbst zu spüren: Wegen Triebwerksproblemen der alten Transportmaschine Hercules musste Starlinger von einem Truppenbesuch auf dem Balkan mit dem Auto nach Wien zurückreisen.

Aus Sicht der Grünen könnte Starlinger sein Amt behalten. Sollte doch die ÖVP den nächsten Heeresminister stellen, würde der parteilose Militär zu Bundespräsident Alexander Van der Bellen als dessen Adjutant zurückkehren. (nw)

Nachhaltigkeitsministerin Maria Patek

Trotzdem ihr Ressort in aller Munde war, fiel die politisch zuständige Umweltministerin Maria Patek selbst kaum auf. Die ehemalige Sektionsleiterin zeigte sich zumeist pressescheu, bei Podiumsdiskussionen ließ sie sich des Öfteren von ressortinternen Experten vertreten. Bei den wenigen öffentlichen Terminen, die die Steirerin absolvierte, präsentierte sie sich jedoch als geübte Rednerin.

Auch auf der Klimakonferenz in Madrid verhielt sich die Ministerin zurückhaltend. Sie hob lediglich die "Vorreiterrolle" Österreichs im Klimaschutz hervor. Und das, obwohl auch der unter Patek ausgearbeitete Zweitentwurf des Klimaplans viel Kritik erntete. (lauf)

Sozialministerin Brigitte Zarfl

Gleich bei Amtsantritt wurde Brigitte Zarfl Ziel türkiser Kritik. Als "rote Parteisoldatin" bezeichnete sie ÖVP-Klubobmann August Wöginger.

Befremdlich fand das die frühere Spitzenbeamtin aus dem Sozialministerium. Sie arbeitete lieber ihr Programm ab – ohne politische Zurufe: Kinder, die eine öffentliche Einrichtung besuchen, müssen künftig einen Impfnachweis bringen, auch eine Impfpflicht für Gesundheitspersonal ist fix.

Um mit Arzneimittelengpässen besser umgehen zu können, wird es eine Liste geben, die für Ärzte ständig einsehbar ist. Außerdem dürfen Arzneien, bei denen ein Engpass droht, nicht mehr exportiert werden.

Damit die künftige Regierung Entscheidungen bei der Pflege nicht auf die lange Bank schieben kann, legte sie zwei Studien vor, die Finanzierungsmodelle und den Pflegebedarf analysieren. Wie alle Studien aus ihrem Haus sind sie öffentlich zugänglich. (mte)

Verkehrsminister Andreas Reichhardt

Gegen die Pkw-Maut-Befreiung kämpfte Verkehrsminister Andreas Reichhardt auf verlorenem Posten. Zu stark war die schwarze Landeshauptmann-Lobby, die Ausnahmen von der Straßenbenützungsgebühr für Kufstein, das Rheintal, Salzburg und den Linzer Westring verlangte – vorgeblich, um "Mautflüchtlinge" auf die Autobahnen zurückzuverlagern. Nun dürfen diese Abschnitte ohne Vignette befahren werden – zulasten der Allgemeinheit, denn dem staatlichen Autobahnbauer Asfinag entgehen so pro Jahr rund 28 Millionen Euro. Das Thema wird auch den nächsten Verkehrsminister beschäftigen. Denn Gemeinden wie Hohenems wollen die Mautbefreiung von Hörbranz bis Hohenems beim Verfassungsgerichtshof anrufen.

Temposignale wie sein Amtsvorgänger, FPÖ-Chef Norbert Hofer, setzte Reichhardt nicht, aber auch keine Akzente. Dafür sorgte seine Bestellung wegen seiner Rechts-außen-Vergangenheit – Stichwort Wehrsport – für Aufsehen und Kritik von links.

Die Verkehrsdienstverträge für ÖBB-Pendlerzüge schloss er entgegen der EU-Empfehlung für zehn Jahre ab – das sichert der Bahn bis zu elf Milliarden Euro Umsatz und auskömmliche Monopolgewinne. Um einen Fehler bei der Direktvergabe 2018 in der Ostregion zu sanieren, griff er zur Notvergabe. Bis zu 30 Millionen jährlich versprach Reichhardt der ÖBB für die rollende Landstraße. (ung)

Wirtschaftsministerin Elisabeth Udolf-Strobl

Elisabeth Udolf-Strobl wird nach ihrer Amtszeit einer breiteren Öffentlichkeit unbekannt bleiben. Zwar bemühte sich ihre Medienstelle redlich, mit Presseaussendungen ein wenig medialen Niederschlag für die Tätigkeit der früheren Sektionschefin zu suchen, doch Schlagzeilen machte die 63-jährige Übergangsministerin nur einmal: Als sie auf EU-Ebene dazu beitrug, eine Verschärfung der steuerlichen Transparenzkriterien für Konzerne zu verhindern.

Auch bei der Einführung von grenzüberschreitenden Sammelklagen auf EU-Ebene bremste sie, konnte mit ihrer Enthaltung die Beschlussfassung aber nicht vereiteln. "Überbordend und nicht zielführend" nannte sie den Gesetzesvorschlag. (as)

Finanzminister Eduard Müller

Finanzminister Eduard Müller trat vor allem im zeitlichen Umfeld von Nationalratssitzungen in Erscheinung, um seine Bedenken zu budgetwirksamen Beschlüssen der Abgeordneten kundzutun. So etwa, als sich im Hohen Haus kurz vor der Neuwahl im September Mehrheiten für Pensionserhöhungen und eine Neuauflage der Hacklerregelung fanden. Dadurch sah Müller den staatlichen Budgetüberschuss, den er offenbar positiv bewertet, in Gefahr.

Er versuchte auch, den zusätzlichen Budgetwünschen von Verteidigungsminister Thomas Starlinger entgegenzutreten, der zusätzliche Mittel für das marode Bundesheer eingefordert hatte. Müller vermisste hier eine Analyse zu möglichen Kostensenkungen beim Militär.

Im Auftreten gibt sich der Finanzminister, der auch das Amt des Beamten- und Sportministers bekleidet, zurückhaltend, Medienpräsenz vermeidet er nach Möglichkeit. (ta)

Außen- und Europaminister Alexander Schallenberg

Unter ihm wurde wieder zusammengeführt, was unter Türkis-Blau getrennt war: die EU-Agenden mit Kunst, Kultur und Medien, vormals im Kanzleramt, und die Außenagenden. Der Karrierediplomat, Politstratege und Kurz-Vertraute Alexander Schallenberg ist einer der wichtigsten und einflussreichsten Berater von Kanzlerin Brigitte Bierlein. Auf dem nationalen wie auf dem internationalen Parkett. Bei EU-Gipfeltreffen war der Außenpolitik-Profi fast immer an der Seite der Kanzlerin.

Schallenberg selbst fühlt sich nach eigenen Angaben als Diplomat wohler als als Politiker, gibt auch kaum Interviews. Trotzdem wird spekuliert, dass er das Amt auch in der nächsten Regierung behält. (mhe)

Frauenministerin Ines Stilling

Zu Beginn ihrer Amtszeit versuchte Ines Stilling gleich die Erwartungen zu dämpfen: Zumal sich das Budget nicht ändere, werde es schwierig, eigene Initiativen zu starten. Da ist es nur konsequent, dass sie jüngst im Nationalrat an die türkis-grünen Verhandler appellierte, das Frauenbudget in der künftigen Regierung um vier Millionen Euro aufzustocken, um Opferschutz- und Beratungseinrichtungen erhalten zu können.

Das im September von ÖVP und FPÖ fixierte "Gewaltschutzpaket", das etwa höhere Mindeststrafen bei Sexualdelikten beinhaltet, kritisierte sie – im Vergleich zu Justizminister Jabloner – nur sanft. Man hätte etwas mehr auf die Experten hören können, sagte Stilling. (ta) (red, 17.12.2019)