Vor allem bei der ersten Geburt ist die Angst vor dem, was kommen wird, noch groß. Gut zu wissen, welche Wege der Schmerzreduktion es geben kann.

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Im Bereich der geburtshilflichen Schmerztherapie nimmt Österreich im internationalen Vergleich eine Sonderstellung ein. Wie eine heuer erschienene Studie, die unter Federführung der Innsbrucker Universitätsklinik für Anästhesie und Intensivmedizin durchgeführt wurde, zeigt, wird hierzulande nämlich ungleich seltener eine Periduralanalgesie (PDA) zur Schmerzlinderung durchgeführt.

Für den sogenannten Kreuzstich wird eine PDA-Nadel verwendet. Nach einer örtlichen Betäubung dringt diese Nadel in den Epiduralraum ein, in dem sich die aus dem Rückenmark austretenden Nerven befinden. Dorthin wird ein Katheter eingeführt, über den die Mediziner Schmerzmittel – eine niedrig dosierte Mischung aus einem Lokalanästhetikum und einem Opiat – verabreichen können. Im Gegensatz zur Periduralanästhesie, die eine Lähmung der Muskulatur und einen Verlust der Sensibilität zur Folge hat, bleiben durch die Periduralanalgesie Sensibilität und Motorik erhalten – nur die Schmerzen werden ausgeschalten.

Im Ländervergleich

Stefan Jochberger, Geschäftsführender Oberarzt in Innsbruck, zieht Zahlen aus den USA und Großbritannien zur Verdeutlichung des Unterschieds beim Einsatz der PDA in den verschiedenen Ländern heran: "Dort liegen die PDA-Raten bei Geburten bei ungefähr 90 bis 95 Prozent. In unserer Studie gaben die befragten Zentren in Österreich an, dass die Rate unter 30 Prozent liegt."

Für den Experten ist der Grund für diesen eklatanten Unterschied mitunter der, dass die Diversifizierung der Anästhesie in Österreich noch nicht so weit fortgeschritten ist. "In den USA oder Großbritannien gilt sie wie die Herz- oder Neuroanästhesie als eigene Disziplin, mit eigenen Fachjournalen und Kongressen", erklärt Jochberger, der auf diesem Gebiet nun Pionierarbeit leisten will. So hat er mittlerweile in der Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) eine eigene Arbeitsgruppe zu diesem Thema gegründet.

Bescheid wissen

Wobei der Mediziner betont, dass es ihm dabei nicht um eine Steigerung der PDA-Rate in den heimischen Kreißsälen gehe, sondern um eine umfassende Information zum Thema Schmerztherapie für Schwangere im Vorfeld der Geburt. "Derzeit ist es so, dass wir als Anästhesisten erst relativ spät zur Geburt hinzugezogen werden", sagt Jochberger. In Innsbruck liege die PDA-Rate bei rund zwölf Prozent. Internationale Guidelines empfehlen, dass jede Patientin vor der Geburt von einem Anästhesisten beraten werden sollte. Das sei in Österreich nicht der Fall. Es wäre allein angesichts des dafür nötigen personellen Aufwands auch gar nicht möglich, betont Jochberger.

Doch er will mittel- bis langfristig ein Umdenken erreichen, was geburtshilfliche Schmerztherapie angeht. Denn noch immer würden falsche Vorbehalte existieren. So gebe es zur PDA veraltete Daten aus den 1990er-Jahren, die sie mit einer verlängerten Dauer der Geburt, einer höheren Wahrscheinlichkeit einer instrumentellen Geburt sowie einer höheren Kaiserschnittrate in Verbindungen bringen.

All diese Vorbehalte seien aber längst durch aktuelle Studien widerlegt, sagt Jochberger. Häufigste Nebenwirkung, die in ein bis zwei Prozent der Fälle auftritt, sind Kopfschmerzen. Sie setzen meist erst rund 48 Stunden nach der Geburt ein, können dann aber sehr stark und lageabhängig ausfallen. Doch mittlerweile gibt es auch dafür wirksame Behandlungsmethoden. Abgesehen davon sind Infektionen oder Blutungen an der Einstichstelle als größtes Risiko zu nennen, das im Zuge einer PDA zu Problemen führen könnte.

Wie zufrieden Frauen sind

Um festzustellen, ob und welche Vorteile eine PDA als Schmerztherapie im Rahmen der Geburtshilfe bringen kann, ist nun eine internationale Vergleichsstudie in Planung. Dabei soll in der Uniklinik in Stanford in den USA, wo die Rate bei 95 Prozent liegt, und in Österreich die Zufriedenheit von Frauen nach der Geburt erhoben werden – wobei man noch damit beschäftigt sei, brauchbare Parameter zu erarbeiten, die es ermöglichen, diese Zufriedenheit zu messen.

Ziel dieser Forschung sei es, Frauen mehr Wahlmöglichkeiten zu eröffnen, sagt Jochberger: "Wenn die Geburt losgeht, sollen sie wissen, dass es Schmerztherapien gibt – und der Goldstandard in Sachen Schmerztherapie bei der Geburt ist eben die PDA." Wobei es ihm wichtig ist, zu sagen, dass Schmerzen im Zuge der Geburt etwas sehr Individuelles und nicht immer mit Leiden gleichzusetzen seien. Daher sei es auch so schwierig, hier allgemeingültige Standards zu formulieren.

Eine Frage der Wahrnehmung

Günther Putz, Leitender Oberarzt für Anästhesie und Intensivmedizin in Innsbruck, erklärt dazu, dass Schmerzen im Rahmen der Geburt unterschiedlich wahrgenommen werden. Es gibt demnach Fälle, in denen sie traumatisierend wirken können. "Das kann so weit gehen, dass eine Frau danach keine weitere Geburt mehr in Erwägung ziehen will", erklärt der Oberarzt. Umgekehrt können derartige extreme Belastungen auch euphorisierend und somit unterstützend für die Gebärende sein.

Um auf diese individuellen Bedürfnisse schnellst- und bestmöglich reagieren zu können, sei das Etablieren der geburtshilflichen Anästhesie unabdingbar, so die Experten. Derzeit wird dort, je nach Stadium und Intensität der Schmerzen, zuerst auf Placebos oder Globulis gesetzt. Danach kommt die Akupunktur als Methode zur Anwendung. Und mittlerweile feiert auch der Einsatz von Lachgas bei Geburten wieder ein Comeback. Und schließlich wird in letzter Konsequenz auf klassische Schmerzmittel zurückgegriffen.

Die PDA sei aber als besagter "Goldstandard" anzusehen, der als Methode derzeit über allen genannten steht. Wobei Jochberger anmerkt, dass dies nur eine Momentaufnahme sei: "Wir wissen nicht, was in zehn Jahren sein wird. Daher braucht es die geburtshilfliche Anästhesie als eigene Disziplin, die sich damit auseinandersetzt." (Steffen Arora, 24.12. 2019)