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Immer wieder wurde in Polen gegen die Justizreform demonstriert, etwa im Juli in Warschau. Auch für Mittwoch sind Proteste angekündigt.

Foto: REUTERS/Kacper Pempel

Richter haben in Polen nichts mehr zu lachen. Schon 2017 tauchten entlang der großen Straßen in ganz Polen riesige schwarze Plakate auf, die vor den angeblichen Verbrechern in Richterrobe warnten. Dann löste das Parlament mit der Stimmenmehrheit der nationalpopulistischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) den alten Landesjustizrat auf und schuf einen neuen, stark politisierten, der künftig über alle Versetzungen, Karrieren und Degradierungen von Richtern entscheiden sollte. Zudem gründete es eine Disziplinarkammer mit 70 Richtern, die die angeblich massenhaften Verfehlungen der "Richterkaste" abstrafen sollten.

Jetzt liegt dem Parlament ein Gesetz vor, mit dem die PiS Polens noch unabhängig urteilende Richter mundtot machen will: Auslöser war ein Urteil des Obersten Gerichts in Warschau, das sowohl dem Neo-Landesjustizrat als auch der neuen Disziplinarkammer die Anerkennung versagt. Die Strafen der neuen Disziplinarkammer wären damit unwirksam. Zudem könnten demnächst alle Urteile von Richtern, die vom Neo-Landesjustizrat auf ihre Posten gehoben wurden, angefochten werden.

Małgorzata Gersdorf, die unerschrockene Präsidentin des Obersten Gerichts, forderte Parlament und Regierung zur Achtung der Gewaltenteilung auf. Das Parlament solle jene Gesetze zurücknehmen oder überarbeiten, die weder mit Polens Verfassung noch mit EU-Recht vereinbar seien. Und die Richter der Disziplinarkammer sollten sich so lange mit Urteilen zurückhalten, bis das Parlament ihren Status mit einem neuen Gesetz legalisiert habe.

Anfrage in Luxemburg

Bevor das Oberste Gericht sich traute, ein solch bahnbrechendes Urteil zu fällen, holte es sich Rat beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Am 19. November stärkten die dortigen Richter denen in Warschau den Rücken: Polens Oberstes Gericht dürfe auch gegen den Willen der PiS-Regierung klären, ob die neue Disziplinarkammer und der neue Landesjustizrat mit Verfassung und EU-Recht vereinbar seien.

Doch die PiS, die immer wieder behauptet, die Wähler hätten ihr das Mandat zum Umbau und zur Kontrolle des Justizwesens gegeben, setzt die Urteile des EuGH nur sehr zögerlich um. Mit dem neuen Gesetz will sie polnische Richter disziplinarisch belangen, wenn sie "das Dienstverhältnis oder die Gültigkeit der Ernennung eines Richters" infrage stellten oder sich – in welcher Form auch immer – politisch betätigten. Für schuldig befundene Richter könnten demnächst sogar aus dem Staatsdienst entlassen werden.

Gegen das Gesetz formiert sich nun massiver Widerstand. Nicht nur der frühere Premier Donald Tusk, der kürzlich die Führung der Europäischen Volkspartei (EVP) übernommen hat, auch Polens legendärer Arbeiterheld und Expräsident Lech Wałęsa und die Präsidentschaftskandidatin der konservativen Bürgerplattform (PO), Małgorzata Kidawa-Błońska, rufen zu Protesten auf. Das Komitee zur Verteidigung der Demokratie Polens (KOD) will am Mittwoch eine Großdemo in Warschau organisieren. Auch in zahlreichen anderen Städten sind Kundgebungen geplant. (Gabriele Lesser aus Warschau, 17.12.2019)