Zwei neugeborene Pandas – die Ähnlichkeit mit den Eltern hält sich vorerst noch in Grenzen.
Foto: APA/AFP/Belga

In einem Punkt scheint der Große Panda (Ailuropoda melanoleuca) eher einem Beuteltier zu ähneln als seiner Plazentatier-Verwandtschaft: Seine Neugeborenen sind bemerkenswert winzig. Die völlig hilflosen, blinden und beinahe nackten Panda-Babys kommen mit einem Gewicht von 100 Gramm zur Welt – im Vergleich zur Mutter ergibt das ein Verhältnis von 1 : 900. Nicht einmal Blauwale können da mithalten, im Schnitt liegt das Verhältnis unter den Säugern bei 1 : 26.

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Es gibt verschiedene Theorien darüber, warum die körperliche Entwicklung von Pandas so ungewöhnlich verläuft. Eine davon bezieht sich auf ihre kärgliche, hauptsächlich aus Bambus bestehende Kost. Eine andere hält Winterschlaf und die damit einhergehende Aufzehrung körperlicher Reserven für den entscheidenden Faktor. Pandas halten zwar keinen Winterschlaf, aber einige andere Bärenarten tun es – es wäre also möglich, dass sich in der Bärenevolution eine daran angepasste Fortpflanzung entwickelt hat, die selbst bei Spezies durchschlägt, die rund ums Jahr aktiv sind.

Tatsächlich sind auch die Neugeborenen anderer Bärenarten auffallend klein, sagt Peishu Li von der Duke University im US-Bundesstaat North Carolina. Wenn auch nicht so extrem wie Pandas: Bei Eisbären beträgt das Masseverhältnis zwischen Neugeborenem und Muttertier etwa 1 : 400.

Skelettanalyse

Li und die Biologin Kathleen Smith haben eine vergleichende Studie über die körperliche Entwicklung verschiedener Raubtierarten gemacht. Dazu gehörten neben Großen Pandas unter anderem Lippenbären, Eisbären und Grizzlies, aber auch Angehörige aus der Verwandtschaft der Hunde. Von allen diesen Spezies lagen die Skelette neugeborener oder sogar noch fötaler Tiere in den Beständen des Smithsonian National Museum of Natural History und des North Carolina State College of Veterinary Medicine vor.

Mikrotomografischer Scan des Schädels eines neugeborenen Pandas.
Foto: Peishu Li / Duke SMIF

Mittels Mikrotomografie untersuchten die Forscher unter anderem den Grad an Ossifikation (also der Ausbildung des Knochengewebes), die Fusion der Knochenplatten im Schädel sowie die Härte der Zähne und die Frage, ob diese bereits durchgebrochen waren. Das Ergebnis: Der Entwicklungsverlauf war bei allen untersuchten Arten gleich, es gab auch keine Diskrepanz zwischen den Winterschlaf haltenden Arten und den anderen.

Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass dieser Verlauf bei Pandas vorzeitig abgebrochen wird. Während die Tragzeit bei anderen Bären zwei Monate beträgt und ein vollentwickeltes Baby hervorbringt, ist sie bei Pandas schon nach einem Monat vorbei. Im Prinzip bringen Pandamütter also ausschließlich Frühchen zur Welt. "Sie sind noch nicht durch", wie es Li ausdrückt. Umgelegt auf den Menschen, vergleicht Smith den Entwicklungsstand mit einer Frühgeburt nach 28 Wochen.

Das freilich kleidet das Rätsel um die winzigen Panda-Babys nur in andere Worte. Warum sie vorzeitig zur Welt kommen, ist auch nach dieser Studie noch offen. (red, 26. 12. 2019)