Anders als nicht wenige Politiker schwurbelt Thomas Starlinger auch bei heiklen Fragen nicht herum: Als Expertenminister machte er sich als Kämpfer für ein höheres Bundesheerbudget einen Namen – und auch im Interview sagt er, was bei den Eurofightern im Luftraum, aber auch bei der Truppe am Boden Sache ist.

STANDARD: Unlängst mussten Sie wegen einer Panne der Transportmaschine Hercules von einem Truppenbesuch auf dem Balkan mit dem Auto nach Wien zurückkehren: Gab es da den Moment, froh zu sein, Ihr Amt wohl bald abgeben zu können?

Starlinger: Im Gegenteil. Wenn gewährleistet wird, dass wir uns wieder auf unsere C-130 und alles andere militärische Gerät verlassen können, würde ich meine Amtszeit sogar gern verlängern.

Minister Starlinger will kein finanzielles Dahinwurschteln mehr, sondern mehr Mittel für das Militär – und erklärt: "Mit dem Bundespräsidenten haben wir einen maßgeblichen Unterstützer – und weil ich ihn näher kenne, weiß ich, dass er das nicht nur so dahinsagt."
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STANDARD: Die jahrzehntelange Finanzministerpartei ÖVP verhandelt mit den militärkritischen Grünen über eine Koalition. Sind Sie dennoch zuversichtlich, dass das Bundesheer mehr Budget bekommt?

Starlinger: Durchaus. Das Dahinwurschteln funktioniert nicht mehr, wir stehen auf der Kante. Daher braucht es bis 2030 eine schrittweise Anhebung des Budgets auf ein Prozent des BIP. Laut einer aktuellen Umfrage sind auch zwei Drittel der Bevölkerung der Meinung, dass das Bundesheer eine bessere Ausrüstung braucht – und solche Werte kann wohl keine Partei ignorieren. Außerdem haben wir mit dem Bundespräsidenten einen maßgeblichen Unterstützer – und weil ich ihn näher kenne, weiß ich, dass er das nicht nur so dahinsagt.

STANDARD: Fakt ist, dass Sie an Ihren Sparvorhaben im Zuge des freien Spiels der Kräfte im Nationalrat von ÖVP, SPÖ und FPÖ mit Ad-hoc-Anträgen gehindert wurden. Haben Sie eine Erklärung, warum das Wort des Expertenministers da nichts gezählt hat?

Starlinger: Offen gesagt war ich damals schockiert angesichts des freien Spiels der Kräfte. Aber ich habe daraus gelernt, dass man mit noch mehr fundierten Zahlen und Fakten an die Entscheidungsträger herantreten muss, um bei ihnen ein Problembewusstsein zu schaffen. Immerhin habe ich dann etwa im Zuge der drohenden Absage der Leistungsschau am Nationalfeiertag vom Finanzministerium die Genehmigung für eine Bestellung von 200 Fahrzeugen bekommen – weil unsere 45 Jahre alten Lkws nicht mehr fahren können.

STANDARD: Bei der Luftraumüberwachung drängen Sie auf eine unverzügliche Entscheidung. Reicht ein Update für die Eurofighter samt Anschaffung neuer Trainingsjets anstelle der kaputten Saab aus?

Starlinger: Grundsätzlich muss die Politik klären, wie viel Souveränität wir im Luftraum wollen: 24 Stunden am Tag, also rund um die Uhr? Oder reichen uns einige Stunden am Tag – und in der Nacht können die Eurofighter-Piloten halt kein Flugzeug mit fragwürdigem Kurs identifizieren? Wenn der neuen Regierung Zweiteres reicht, kann man mit 15 Eurofightern die Luftraumüberwachung so 20 Jahre weiterbetreiben. Ansonsten braucht es aber ein System von Eurofightern und Advanced Jet-Trainern.

STANDARD: Eine völlig neue Abfangjägerflotte braucht es aus Ihrer Sicht nicht?

Starlinger: Ein neues System würde zwar ungefähr gleich viel kosten, also rund zwei Milliarden Euro. Da man da aber auch eine völlig neue Infrastruktur für die Flugzeuge benötigt, macht es aus ökonomischer Sicht wenig Sinn, das Risiko eines Umstiegs auf eine neue Flotte einzugehen.

Den vorläufigen kaufmännischen Abschluss des Wirtschaftsressorts unter Elisabeth Udolf-Strobl zu den Eurofighter-Gegengeschäften sieht Starlinger kritisch: "Darüber war ich sehr irritiert, weil wir immerhin ein offenes Verfahren gegen den Konzern laufen haben."
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STANDARD: Neulich hat Wirtschaftsministerin Elisabeth Udolf-Strobl verkündet, dass die Eurofighter-Gegengeschäfte gemäß vorläufigem kaufmännischem Abschluss um eine Milliarde mehr als vereinbart übererfüllt wurden. Sind solche Frohbotschaften angesichts der Betrugsanzeige der Republik gegen den Hersteller Airbus taktisch klug?

Starlinger: Darüber habe ich mich auch gewundert und war sehr irritiert, weil wir immerhin ein offenes Verfahren gegen den Konzern laufen haben.

STANDARD: Noch sind die strafrechtlichen Ermittlungen wegen fragwürdiger Zahlungsflüsse nicht abgeschlossen. Soll da vielleicht schon der Boden für neue Gegengeschäfte aufbereitet werden?

Starlinger: Fest steht, dass Österreich bereits 2008 einen Code of Conduct im Rahmen der EU-Verteidigungsagentur unterzeichnet hat, wonach es keine Gegengeschäfte im Zuge von Rüstungsdeals geben soll. Auch ich persönlich lehne Gegengeschäfte ab, weil sie immer eine wettbewerbsverzerrende Wirkung haben, was den tatsächlichen Kaufpreis betrifft.

STANDARD: Wie ist es um die Auslandseinsätze des Bundesheers bestellt? Zuletzt sind ja bereits 50 österreichische Soldaten aus dem Kosovo abgezogen worden.

Starlinger: Das war eine ressourcenbedingte Entscheidung. Nun haben wir nur mehr 900 Soldaten in Auslandsmissionen, bisher hatten wir bis zu 1100. Wenn das Bundesheer von der nächsten Regierung in den nächsten zehn Jahren nur die im Raum stehenden vier Milliarden zugesichert bekommt, müssen wir uns bald auf einen Einsatzraum mit 600 Kräften reduzieren – entweder am Balkan, in Mali oder im Libanon.

STANDARD: Sie treten auch für eine Verlängerung des Grundwehrdiensts ein, konkret eine Rückkehr zu acht Monaten mit verpflichtenden Milizübungen. Bisher haben Sie da aber nur die FPÖ auf Ihrer Seite.

Starlinger: Mein Plan B lautet daher: Weil es verantwortungslos ist, junge Männer mit sechs Monaten Ausbildung in komplexe Einsätze zu schicken, könnte man auch das System der freiwilligen Verlängerung des Grundwehrdiensts wiedereinführen. Im zweiten Monat könnte man Präsenzdienern das Angebot machen: Wer sich zu zehn oder zwölf Monaten beim Bundesheer verpflichtet, hat für diese Zeit einen sicheren Arbeitsplatz und bekommt ab sofort 1000 Euro netto, was einer Erhöhung von 700 Euro entspricht. Doch auch das kostet, nämlich 42 Millionen Euro – oder die Politik nimmt zur Kenntnis, dass unsere präsenten Verbände und auch die Milizverbände nicht einsatzbereit sind.

STANDARD: Könnte das Bundesheer derzeit überhaupt noch einen wochenlangen Einsatz wie während des Flüchtlingsandrangs 2015 oder der Hochwasserkatastrophen von 2002 und 2010 stemmen?

Starlinger: Derartige Hochwassereinsätze sind quantitativ, also von der Anzahl der Kräfte her, als auch qualitativ nicht mehr möglich – Letzteres, weil heute viel technisches Pioniergerät von damals gar nicht mehr funktioniert. Was einen neuen Migrationsandrang betrifft, hätten wir mittlerweile beim Transport der Menschen ein massives Problem – auch weil wir nur mehr die Hälfte an fahrtüchtigen Bussen haben.

STANDARD: Manche Grüne würden Sie gern weiter im Amt sehen. Sollte doch die ÖVP das Verteidigungsressort übernehmen: Kehren Sie dann als Adjutant zu Oberbefehlshaber Alexander Van der Bellen zurück?

Starlinger: So lautet die Vereinbarung mit dem Bundespräsidenten. Meine Bedingung für ein Weitermachen wäre, dass das Heer wesentlich besser dotiert wird. Aber mich wird eh niemand fragen – weil Message-Control funktioniert mit mir nicht! (Nina Weißensteiner, 18.12.2019)