Sonja Dörfler vom Institut für Familienforschung der Uni Wien plädiert für einen fixen Karenzanteil, der nur von den Vätern konsumiert werden kann.

Foto: Uni Wien/Christine Geserick

Nur wenige Väter nutzen in Österreich die Chance zur Elternkarenz. In den skandinavischen Ländern ist das ganz anders. Fast 90 Prozent der Väter nehmen sich dort die Zeit zur Kinderbetreuung. Tradtionelle Rollenvorstellungen sind aber nur eine der möglichen Erklärungen, sagt die Soziologin Sonja Dörfler.

STANDARD: Warum ist es in Österreich so schwierig, Väter zur Elternkarenz zu bewegen?

Dörfler: Das hat viel mit den Rollenvorstellungen zu tun. In Schweden wird seit den 1970er-Jahren Gleichstellungspolitik betrieben, wir haben 20 Jahre später damit begonnen. In Schweden wollte man in den 1970er-Jahren die Frauen für den Arbeitsmarkt motivieren, in Österreich wurden Gastarbeiter geholt, um die Nachfrage am Arbeitsmarkt zu stillen. Einen für den Vater reservierten Karenzanteil gibt es in Schweden seit Mitte der 1990er-Jahre. In Österreich wurde damals erst die Möglichkeit zur Väterkarenz geschaffen. Beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld hat sich Österreich an Schweden angelehnt. Wir haben es aber nur halb kopiert. In Österreich gibt es parallel dazu noch immer die Möglichkeit, bis zu drei Jahre Kinderbetreuungsgeld zu beziehen – während in Schweden alle Eltern zwölf Monate einkommensabhängig und weitere drei Monate ein geringeres Kinderbetreuungsgeld bekommen.

STANDARD: Kinderbetreuungsgeld ist die eine Sache, daneben gibt es auch die Karenz ...

Dörfler: Ja, das sind zwei unterschiedliche Dinge. In Österreich ist der Bezug des Kinderbetreuungsgeldes von der Karenz abgekoppelt. Die Karenz kann bei uns auch nur von einem Elternteil – meistens der Mutter – allein beansprucht werden. Es gibt bei der Elternkarenz keinen für den Vater reservierten Anteil. Das heißt, ich lasse für die urbanen oder besser gebildeten Eltern eine einkommensabhängige Variante. Für die anderen, das Gros der Bezieher, gibt es das System, wo die Frau den ganzen Teil des Kinderbetreuungsgeldes und der Karenz nimmt. Beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld beteiligen sich immerhin 30 Prozent der Väter, während beim fixen Kinderbetreuungsgeld die Beteiligung deutlich geringer ist.

STANDARD: Wo müsste man ansetzen, um mehr Väter zu motivieren?

Dörfler: Stark motiviert man über Geld und Zeitrechte. Das zeigen auch unsere Forschungen. Die meisten Väter, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, wählen die einkommensabhängige Variante. Wir bieten aber in Österreich sehr viele Modelle parallel dazu an. Es ist eine typisch österreichische Lösung. Es ist kein volles Bekenntnis dazu. Wenn ich einen radikalen Schub bei der Väterbeteiligung haben will, dann muss ich einen Anteil fix für den Vater reservieren, sowohl Geldbezug als auch Karenzzeit. Überall dort, wo es einen fixen Teil für den Vater gibt, steigt auch die Väterkarenz an. Das zeigen die empirischen Untersuchungen ganz deutlich.

STANDARD: Also eine Verpflichtung für Väter, sich an der Familienarbeit zu beteiligen?

Dörfler: Verpflichtung ist nicht richtig, es ist ja auch keine. Es ist aber ein Anteil, der unübertragbar ist, der dem Vater gebührt. Es ist ein Angebot, das genommen oder gelassen werden kann – choose it or lose it. Umfragen in Österreich zeigen, dass Mütter durchschnittlich 18 Monate beim Kind bleiben möchten. Eine mögliche Variante, die wir mit Verhaltensökonomen der WU Wien ausgearbeitet haben, würde beispielsweise eine 18-monatige Karenz für den einen Elternteil und weitere sechs Monate für den anderen Elternteil vorsehen, dann wäre man auch wieder auf den zwei Jahren, aber mit einem fixen Teil für den Vater. Es zeigt sich auch ganz klar, dass Väterkarenzen erst Wirkung in der weiteren Familienarbeit zeigen, wenn diese vier bis sechs Monate dauern.

STANDARD: Welche Länder könnten hier Vorbilder sein?

Dörfler: Neben den skandinavischen Ländern hat vor allem das isländische Modell mit drei Monaten für die Mutter, drei für den Vater und drei zur freien Wahl Wirkung gezeigt. Der Anteil der Väterkarenz ist von 30 auf 90 Prozent gestiegen. Nicht nur so, dass das finanzielle Argument oder das Zeitargument dann zieht, sondern – das hat sich auch empirisch gezeigt – wie Unternehmen auf diese Väterquote reagiert haben. Es ist klar nachgewiesen, dass die Unternehmen nur den Teil akzeptieren, der fix für den Vater reserviert ist. Alles, was darüber hinausgeht, eher nicht. Das wäre auch ein wichtiges Argument dafür, eine längere Karenzzeit für Väter gesetzlich zu regeln, weil dann auch die Akzeptanz in den Unternehmen steigen würde und sich Väter eher trauen würden. Die Einstellungen sind nicht nur bei den Personen, sondern auch in den Unternehmen sehr traditionell. Aber diese Einstellungsebene kann man ändern, wenn man die gesetzlichen Rahmenbedingungen dementsprechend verändert. (Gudrun Ostermann, 7.1.2020)