Richard Jenkins ist der Typ Mensch, mit dem man sich sofort in ein Boot setzen und in See stechen würde. Der Brite strahlt nicht nur Erfahrung und Know-how aus, sondern auch eine riesige Portion Lebensfreude – gepaart mit einer Prise Verrücktheit. Der 43-jährige Ingenieur und Abenteurer aus dem Süden Englands wusste schon früh den Wind für sich zu nützen. Mit zehn Jahren begann er zu segeln, mit nur 16 überquerte er erstmals den Atlantik. 2009 wurde ihm internationale Aufmerksamkeit zuteil, als er mit einem windbetriebenen Segelfahrzeug mit rund 203 km/h durch die Wüste Nevadas bretterte und damit einen neuen Geschwindigkeitsweltrekord aufstellte. Nun revolutioniert er mithilfe von Wind- und Sonnenkraft die Erforschung der Weltmeere.

Richard Jenkins wusste schon immer den Wind für sich zu nutzen.
Foto: Saildrone

Jenkins ist der Erfinder der sogenannten Saildrones. Die unbemannten Oberflächenfahrzeuge sind in ihrer klassischen Form rund sieben Meter lang und verfügen über einen fünf Meter hohen Mast. Angetrieben wird eine Saildrone allein durch Wind, eine Solaranlage versorgt alle technischen Messgeräte mit dem notwendigen Strom. Durch ausgeklügelte Aerodynamik lassen sich Spitzengeschwindigkeiten von acht Knoten oder rund 15 km/h erzielen. Meistens schippert die 750 Kilogramm schwere Drohne aber recht gemächlich mit zwei bis drei Knoten übers Meer – 100 Kilometer fährt sie so durchschnittlich pro Tag, und das komplett autonom –, lediglich Robben ruhen sich ab und zu auf den Saildrones aus, erzählt Jenkins.

Eine Saildrone wenige Meter von ihrem Hauptquartier nahe San Francisco entfernt.
Foto: Saildrone

Erste Antarktisumrundung

Wie widerstandsfähig die Saildrones sind, bewiesen sie erst im August 2019. Da endete ihre erste autonome Antarktisumrundung. Auf der beeindruckenden, 22.000 Kilometer langen und 196-tägigen Reise in der Südsee überlebte die Drohne dank eines speziellen viereckigen Segels Monsterwellen von rund 25 Meter Höhe und Windgeschwindigkeiten über 65 Knoten. Dazu kamen Slalomfahrten vorbei an plötzlich auftauchenden Eisbergen. "Wir haben Daten von Orten erhalten, von denen niemand zuvor Infos sammeln konnte. Das eröffnet so viele neue Möglichkeiten", sagt Jenkins.

Der Fokus auf Autonomie spart dabei nicht nur unheimlich viel Kosten, sondern eliminiert auch die Gefahren für Leib und Leben der Crew. Die Programmierer am Saildrone-Hauptquartier in Alameda – in der Bucht direkt gegenüber von San Franciscos Skyline – speisen die Chips lediglich mit bestimmten Anfangs- und Endpunkten sowie Aufgaben zur Datensammlung. Sobald die Drohne eine Forschungszone erreicht hat, werden zwölf verschiedene Sensorarten angeworfen. Gemessen werden kann sowohl in der Luft als auch knapp und tief unter der Wasseroberfläche.

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Weil Daten über Temperatur, Windgeschwindigkeit, Kohlen dioxidbelastung, Luftdruck oder Strahlung durch das kleine Schiff viel weniger verfälscht werden als durch große Forschungsschiffe, sind etwa Wetter- und Klimavorhersagen besonders akkurat – ein Geschäftszweig, den man erst kürzlich bei Saildrone für sich entdeckte, wie Firmengründer Jenkins dem STANDARD erzählt. Die gleichnamige App läuft dennoch bereits einwandfrei. Ein besonderer Vorteil der kleinen Forschungsflotte ist auch der überschaubare Tiefgang, wodurch auch in flachen Gewässern oder in der Nähe von Eisbergen navigiert werden kann.

Vermessung des Seebodens

Vor allem unter der Wasseroberfläche gibt es massenhaft Dinge neu zu entdecken. Von Fischpopulationen, Strömungen und der Konzentration vieler Elemente bis hin zur besseren Kartografierung des Meeresbodens – Saildrone kann alles, und alles gleichzeitig. Für die Tiefseemessung werden verschiedene Arten von Radars und Wasserschallortungsgeräten eingesetzt. Derzeit wird zudem ein Modell entwickelt, das mit 22 Meter Rumpflänge sehr viel größer ist und dadurch auch schwerere Sonden befördern kann – diese sollen dann Meeresböden in bis zu 9000 Meter Tiefe kartografieren können.

Eine Saildrone kann oftmals dasselbe wie große Forschungsboote mit Dutzenden Personen Besatzung.
Foto: Saildrone

Die Saildrones könnten sich speziell für das UN-Vorhaben zur kompletten Kartografierung der Weltmeere bis 2030 als geeignetste und vor allem kostengünstigste Option herausstellen. Bis heute sind nur rund 20 Prozent des Seebodens kartografiert, wohingegen die Marsoberfläche zu 99 Prozent erfasst ist. Für die rund 300 Millionen Quadratkilometer an zu vermessendem Meeresboden würde ein herkömmliches Forschungsschiff knapp 200 Jahre brauchen. Bei Saildrone rechnet man vor, dass dasselbe Ergebnis mit 20 Drohnen innerhalb von zehn Jahren zu bewerkstelligen sei, und dies deutlich günstiger.

Sorgen, dass seine Drohnen gestohlen werden könnten, macht sich Jenkins nicht. Es gebe auch keinen Selbstzerstörungsmodus. Die Daten seien ohnehin alle verschlüsselt und deshalb wertlos für etwaige Diebe. Die Datenmenge ist für eine Übertragung übrigens zu groß, weshalb nur das Notwendigste über Satelliten gesendet wird. Der Rest wird auf Speichermedien gesichert und bei der Rückkehr ausgewertet. Geld verdient Saildrone dabei mit dem Verkauf von Daten. Je nachdem, ob man die Daten für sich allein haben will oder ob sie sofort auch allen anderen Personen zur Erforschung zur Verfügung gestellt werden, ändert sich der Preis.

Eine Saildrone-Flotte in Alaska.
Foto: Saildrone

Rund 100 fertige Saildrones gibt es derzeit. Bei Bedarf kann Jenkins' Team im ehemaligen Militärhangar in Alameda eine Drohne täglich anfertigen. Ziel ist, eines Tages rund 1.000 Saildrones permanent auf den Weltmeeren verteilt zu haben. Trotz des enormen wirtschaftlichen Erfolgs vergessen Jenkins und sein Team aber nie, worauf es eigentlich ankommt – den Fortschritt der Wissenschaft. Deshalb verlosen sie jedes Jahr einen Monat an Saildrone-Datensammelpower im Wert von einer Million Dollar an die beste Idee. Jeder kann sich bewerben. Warum er das alles macht? "Alle reden immer nur davon, etwas zur Erforschung der Weltmeere zu machen. Ich mache es halt wirklich", sagt Richard Jenkins. (Fabian Sommavilla aus Alameda, 8.1.2020)