Wien / Linz / St. Pölten – Nachdem der Verfassungsgerichtshof Kernpunkten des türkis-blauen Sozialhilfegesetzes gekippt hat, hängen die Länder in der Luft. Sowohl die Verknüpfung der Sozialhilfe mit Sprachkenntnissen als auch die Staffelung der Höchstsätze ab der Geburt des zweiten Kindes ist nicht verfassungskonform.
Bisher haben nur Oberösterreich und Niederösterreich das neue Gesetz implementiert, die übrigen Bundesländer warten nun ab, wie eine neue Regierung die Sozialhilfe regeln wird.
Oberösterreich erklärte am Mittwoch, das entsprechende Ausführungsgesetz ab 1. Jänner in den aufgehobenen Punkten nicht zu vollziehen. Jetzt werde geprüft, wie die unzulässigen Bestimmungen im Land "verfassungskonform zur Umsetzung gebracht werden können", teilte die ÖVP mit.
"Das Grundsatzgesetz des Bundes gilt aber weiterhin", sagt ÖVP-Landesgeschäftsführer Wolfgang Hattmannsdorfer. Die zuständigen Abteilungen des Landes werden nur jene beiden Punkte in den nächsten Tagen prüfen. Drei Monate habe der Landtag dann Zeit, die entsprechende Korrektur zu beschließen.
Waldhäusl steht zu Deckelung
Auch Niederösterreich wird die gekippten Regelungen der Sozialhilfe nicht vollziehen. Das geschehe, um Regressforderungen vorzubauen, betonte der zuständige Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) am Mittwoch. Das im Juni im Landtag beschlossene Ausführungsgesetz solle dennoch Anfang Jänner Geltung erlangen.
Inhaltlich sieht Waldhäusl das Ausführungsgesetz auch in Hinblick auf die nun gekippten Regelungen auf einem guten Weg. Die Deckelung der Mindestsicherung sei ein Schritt zu "mehr Gerechtigkeit und Fairness". Auch die Forderung nach Deutschkenntnissen sei positiv: "Integration ist nicht möglich, wenn jemand die Sprache nicht spricht."
Aus dem ÖVP-Landtagsklub hieß es am Mittwoch, dass die "Entscheidung des VfGH zur Kenntnis zu nehmen" sei. Inhaltlich sollen "die vom VfGH aufgehobenen Punkte natürlich im Landesgesetz entsprechend adaptiert werden – der Rest bleibt bestehen". Wann eine solche Anpassung über die Bühne gehen soll, blieb offen. Abzuwarten sei, "wie sich eine kommende Bundesregierung diesem Thema nähert."
Armutskonferenz fordert umfassende Reform
Die Armutskonferenz fordert eine "neue Mindestsicherung, die Existenz, Chancen und Teilhabe sichert". Die Organisation legte 19 Punkte für eine neue Sozialhilfe vor.
Diese sollte eine effektive Soforthilfe, kürzere Entscheidungsfristen, Dienstleistungen und Alltagshilfen, Ausbildungsoptionen, eine Unterhaltsreform, die gesetzliche Verankerung bei Krankheiten und die Deckung des tatsächlichen Wohnbedarfs umfassen.
AK für mehr Integration-Förderung
Die Arbeiterkammer sprach sich am Mittwoch für ausreichend Fördermaßnahmen zur Integration von Zuwanderern aus. Alice Kundtner, Leiterin des Bereichs Soziales in der AK Wien, erinnerte an frühere Warnungen, dass die Schlechterstellung von Menschen mit geringen Deutschkenntnissen in der Sozialhilfe nicht mit der Verfassung vereinbar sei. "Die neue Regierung ist gut beraten, den umgekehrten Weg einzuschlagen und für Integration durch ausreichend Fördermaßnahmen zu sorgen", meinte sie. (APA, 18.12.2019)