Adam Driver ist im neuen "Star Wars" Kylo Ren.

Foto: Disney

Wem gehört ein Welterfolg? Die "Drei mal drei macht neun"-Filme, die inzwischen den Kern des Star Wars-Universums ausmachen, sind zugleich eine Geschichte mit ausgewiesenen Autoren, von George Lucas bis J. J. Abrams, und ein Produkt globalen Austauschs. Denn bei einem derartigen Fanphänomen geht die Kommunikation viel weniger nur in eine Richtung wie früher bei Offenbarungen. Star Wars ist ein reagierender Mythos, der mit der Entstehung einer globalen Kommunikationsgesellschaft einhergeht. Fünf Stichworte zu einem Phänomen zwischen Botschaft und Teilhabe.

Die Macht (zwischen Metaphysik und Autosuggestion)

Das Wesen, über das hinaus Größeres nicht gedacht werden kann: So lautete eine klassische Definition Gottes. Diesem Gott gegenüber sind die Menschenwesen immer latent in Gefahr, dass sie zu klein werden, bis ihnen irgendwann fast nichts anderes übrigblieb, als sich zu emanzipieren – es entstand die kopernikanische Welt (Hans Blumenberg), also ein Begriff von Kosmos, zu dem die Menschen sich in ein schöpferisches Verhältnis setzen konnten, und sei es durch Science-Fiction. Die zentrale metaphysische In stanz in Star Wars war gegen den abendländischen Gottesbegriff von Beginn an ausreichend vage, zugleich aber mit einem Kraftbegriff besetzt: "The force" oder "die Macht" funktioniert aus sich her aus perfekt, weil ein stärkerer Begriff kaum zu finden ist. Zugleich ist die Macht aber kein Zentrum, sondern manifestiert sich dort, wo sie auf Sensitivität trifft – in Helden und im Publikum.

Star Wars Deutschland

Die Waffen (zwischen Joystick und Lichtschwert)

Die dunklen Seiten und Vertreter der Macht müssen bekämpft werden. Star Wars hält es da mit einem recht klassischen Dualismus. In der Wahl der Mittel zeigt sich aber, dass auch noch jede Kleinigkeit zählt – die wichtigen Auseinandersetzungen sind zwar als Duelle konzipiert, mit Lichtschwertern ganz aus dem Geist mittelalterlicher Epik, und mit Selbstmissverständnissen, wie sie aktuell vor allem der Schurke Kylo Ren erfährt. Zugleich betrieb Star Wars aber strategisches Crowd-funding und bevölkerte die himmlischen Sphären mit einer Schwarmintelligenz, die deutlich an die Fans appelliert: Nach dem Kino ist vor dem Rechner. In den Pilotensitzen der Sidekicks und Reserve-Han-Solos sitzen wir alle und feuern ins virtuelle Dunkel.

Die Menschen (zwischen Robotern und Fabelwesen)

Zu den Attraktionen gehörten von Beginn an die (Peter Handke würde vielleicht sagen) andersmenschlichen Wesen: R2-D2 und C-3PO oder der Wookiee Chewbacca waren einerseits typische Sidekicks, verwiesen aber von Anbeginn an auf das Arche-Noah-Prinzip eines Franchise, das auch kreatürlich auf ein Maximum an Diversität und transhumaner Demokratie als Repräsentationsangebot abzielte. Star Wars trat an zu einer Zeit, als man von der Vielfalt noch wenig ahnen konnte, die seither das digitale Animations kino zu einer zweiten, virtuellen Gattungsvielfalt ausgemalt hat.

Der Kosmos (zwischen Urknall und Rollinsert)

Eines der Markenzeichen von Star Wars ist das Rollinsert: eine Botschaft aus Buchstaben, die sich zu den Sternen aufschwingt. Die metaphorische Resonanz ist unübersehbar: Einerseits wird damit der Urknall zitiert, andererseits wird er auf Linie gebracht. In ein komplex expandierendes Universum zieht Lucasfilm eine Textrolle ein, die nicht von ungefähr an die Bücher vor dem Buchdruck erinnert, in denen die ältesten Geschichten niedergeschrieben wurden. Menschheitstexte, deren physische Gestalt nun in der Form der nach oben wegrutschenden Timelines und Chatprotokolle wiederkehrt.

Das Kino (zwischen Mythos und Maschine)

George Lucas erfand mit Star Wars eine Geschichte, die Ronald Reagan zu einer Waffengattung inspirierte, mit der die atomare Gefahr gebannt werden sollte. Das Kino hat sich seither an Knopfdruck logiken zu gewöhnen versucht, zu denen die neueren Informationstechnologien verleiten. Gegen diese Engführung von Handlungsmacht schöpft die Arbeit am Mythos in Star Wars aus der unerschöpflichsten Quelle für das Erzählen: aus dem Rätsel (Reytsel) der Subjektivität. Die Frage "Wer bin ich" kann keine Maschine beantworten, aber das Kino. (Bert Rebhandl, 19.12.2019)