Autofahrer sollen stärker belastet werden, bei der Industrie gibt es nicht so starke Vorstöße.

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Es sind bewegende Wochen für die Klimapolitik. In Österreich verhandeln Türkis und Grün über eine neue Regierung, und der Kanzler in spe, Sebastian Kurz, hat bereits angekündigt, dass Klimaschutz ein Schwerpunkt des Projektes sein wird.

Auf EU-Ebene macht die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Druck: Sie will Europa mit einem Green Deal zum Klimavorreiter machen. National wie international geht es um mehr Förderungen – für öffentlichen Verkehr, für emissionsarme Produktion, für saubere Energie. Parallel aber soll auch CO2-Ausstoß teurer werden.

Die EU erwägt, das Kerosin der Airlines mit einer Mineralölsteuer zu belegen – bisher gilt hier eine Befreiung. In Österreich wird seit dem Wahlkampf über eine CO2-Steuer diskutiert. Wenn das zu weit geht für Türkis-Grün, könnte eine Alternative darin bestehen, klimaschädliche Steuerprivilegien abzuschaffen, etwa für Diesel. Und: Die Pendlerpauschale, die Arbeitnehmern unter Umständen für den Fahrtweg zum Betrieb zusteht, könnte ökologisiert werden. Wer Bahn fährt, würde weniger, wer Auto fährt, tendenziell mehr zahlen.

"Benzin und Heizen teurer machen? Da werden die Menschen nicht mitspielen": Ex-EU-Agrarkommissar Franz Fischler und die Klimaexpertin Sigrid Stagl diskutieren im STANDARD-Studio darüber, was die neue Regierung in Sachen Klimaschutz tun soll – und was nicht.
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Was davon wirklich kommt, ist offen. Aber eines fällt auf: Wenn von höheren Steuern die Rede ist, sind vor allem Haushalte, also Bürger und Konsumenten, gemeint. Sie würden es am meisten spüren, wenn Tanken und Heizen teurer wird. Wer den Preis fürs Fliegen erhöht, trifft auch Unternehmen, die Mitarbeiter auf Dienstreise schicken. Aber primär zahlen müssten Privatkunden, die einmal nach London oder Madrid wollen. Sie machen laut Airlines das Gros der Passagiere aus.

Die Lücke in der Debatte

Manche Branchen, etwa der Verkehrssektor oder die Landwirtschaft, wären von einer CO2-Steuer nicht per se ausgenommen.

Doch zu großen Teilen ausgespart blieben produzierende Betriebe und Unternehmen der Energiewirtschaft. Die Bandbreite reicht von Stahlerzeugern bis hin zu Ziegel- und Zementherstellern, Airlines, Ölraffinerien, Energieerzeugern. Auf sie entfallen mehr als 40 Prozent der CO2-Emissionen in Österreich. Doch die OMV, die Voest, der Verbund, die AUA oder Wien Energie wären von einer nationalen CO2-Steuer nicht betroffen. Das steht nicht zur Debatte.

Wie kommt das? Das Argument geht so: Für diese Unternehmen gilt in der EU ein eigenes Regime, der EU-Emissionshandel. Dieses System soll wie eine Steuer wirken, funktioniert aber anders. Die Unternehmen müssen für das CO2, das sie emittieren, Papiere kaufen. Allerdings teilt die EU den Unternehmen einen großen Teil der Papiere gratis zu. Nur den kleineren Rest müssen sie kaufen.

CO2-Preis niedrig

Der Preis für die CO2-Zertifikate ist zudem niedrig. Das hat sich zuletzt etwas geändert. So gibt es mehr Markteingriffe, die dazu beigetragen haben, dass die Preise steigen, sagt Angela Köppl, Klimaexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo. Die Kosten für Unternehmen sind aber bis heute überschaubar. Über Auktionen von CO2-Papieren hat der Staat im vergangenen Jahr gerade 151 Millionen Euro eingenommen. Neben dem Kauf von Papieren bei Auktionen können Unternehmen untereinander mit Emissionsrechten handeln. Dazu gibt es keine Zahlen.

Das Volumen ist aber klein, schätzt Stefan Schleicher, Ökonom vom Wegener Center an der Uni Graz. Etwa 70 Millionen Euro zahlte die Voest für ihre Emissionen laut Finanzbericht des Unternehmens für das Geschäftsjahr 2018/2019. Die OMV gab 77 Millionen aus. Dann kommt lange nichts. Für die übrigen Unternehmen bleibt nicht viel. Für die mit Abstand größte Airline AUA lagen die Kosten aus dem Zertifikatehandel bei weniger als sieben Millionen Euro.

Problem Zement

Fazit des Ökonomen Schleicher: "Die Bepreisung ist in keiner Weise ausreichend, um eine CO2-Reduktion zu erreichen." Er erwartet zudem nicht, dass sich die Preise rasend ändern. Die Zuteilungen von Papieren an die Industrie seien bis 2030 bekannt. Die Industrie hat in den vergangenen Jahren ihre Emissionen etwas reduziert, hinzu kommt, dass die Konjunktur lahmt. Die Nachfrage nach zusätzlichen Papieren dürfte begrenzt bleiben.

Ist es also zu rechtfertigen, dass die Industrie von einer nationalen CO2-Steuer nicht erfasst wäre? Schleicher führt zwei Argumente dafür an: Selbst wenn die Papiere teurer werden, würde das nicht zu einem technologischen Sprung führen. Die Herstellung von Zement ist zum Beispiel extrem schlecht fürs Klima, weil sie besonders energieintensiv ist. Es würde alternative technische Verfahren geben, so Schleicher, nur diese seien extrem teuer. Für einen Umstieg würde ein doppelt so hoher CO2-Preis nicht reichen.

Angst vor Investorenflucht

Hinzu kommt ein Wettbewerbsproblem. Was, wenn Unternehmen nach China oder Brasilien abwandern? Die Firmen würden dort das Klima weiter schädigen, und die Jobs in Europa wären weg. Diese Befürchtung ist es, die dafür sorgt, dass die EU Emissionspapiere gratis vergibt. Diese Angst wirkt sich noch weiter aus. So existiert in Österreich eine Energieabgabe auf Strom, Erdgas, Kohle, Mineralöl. Hier nimmt der Staat mehr als 900 Millionen Euro ein. Während Haushalte und die meisten Unternehmen voll zahlen, wird ein großer Teil des Geldes an produzierende Betriebe rückvergütet. Das Argument lautet auch hier: Wettbewerb.

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Dabei ließe sich argumentieren, dass eine Verlagerung der Produktion nicht für alle möglich ist. Die Zementindustrie beliefert in Österreich primär den Heimatmarkt. Die Voest exportiert den überwiegenden Teil der Produkte, ist also weniger standortgebunden.

Die einzige Möglichkeit, um das Wettbewerbsproblem zu entschärfen, wäre, auf EU-Ebene aktiv zu werden. Der größte Teil des Handels findet in der EU statt. Wenn Emissionen für alle teurer werden, hat keiner einen Nachteil. Im Plan von Kommissionschefin von der Leyen ist eine Reform des Emissionssystems vorgesehen. CO2 soll teurer werden. Details sind nicht bekannt, 2020 sollen neue Regeln vorgelegt werden. Jedem Vorschlag müssen die EU-Länder zustimmen. Es kommen bewegende Zeiten für das Klima. (András Szigetvari, 19.12.2019)