Die neuen Regeln gegen den Scooter-Wildwuchs gelten ab April 2020.

Foto: APA

In diesem Jahr hat Wien einen E-Scooter-Boom erlebt. Acht Verleiher teilen sich mittlerweile das Straßenpflaster der österreichischen Bundeshauptstadt. Das Angebot, so heißt es stets, wird gut angenommen.

Die Roller sind praktisch zu einem Teil des Stadtbilds geworden, was aber nicht auf allen Seiten für Freude gesorgt hat. Gerade in den inneren Bezirken, wo die Dichte besonders hoch ist, mehrten sich Klagen über blockierte Geh- und Fahrwege und unsachgemäß abgestellte Geräte. Im Oktober rief die Stadt schließlich zu einem Scooter-Gipfel. Nun wurden neun neue Regeln vorgestellt, die bald dabei helfen sollen, das elektrische Chaos zu bändigen.

Ab April 2020 gelten für die Betreiber folgende Auflagen:

  1. E-Scooter dürfen nicht mehr auf beliebigen Gehsteigen geparkt werden. Bisher konnten sie auf allen Trottoirs abgestellt werden, die wenigstens 2,5 Meter breit sind. Nun gilt eine Mindestbreite von vier Metern, wobei die Roller am fahrbahnseitigen Rand stehen müssen.

  2. Die Scooter-Dichte in der Innenstadt soll abnehmen. Daher gilt für jeden Anbieter künftig ein Limit von maximal 500 Scootern für jeweils drei Zonen. Die erste Zone umfasst den ersten Bezirk, die zweite Zone erstreckt sich vom 2. bis 9. sowie den 20. Bezirk. Die restlichen Bezirke sind Teil der dritten Zone. Das Gesamtlimit von 1.500 Scootern je Verleiher bleibt somit wie bisher.

  3. Die Anbieter müssen auch schneller gegen "Falschparker" vorgehen. Vorschriftswidrig geparkte Scooter müssen tagsüber (6 bis 18 Uhr) binnen zwei und während den Randzeiten binnen sechs Stunden umgestellt oder entfernt werden.

  4. Im siebten Bezirk (Neubau) erprobt man erstmals fixe Stellplätze für E-Scooter, wie es sie schon in manchen anderen Städten gibt. Grund dafür dürfte auch seine, dass nur wenige Gehsteige in Neubau die erforderliche Breite für das Parken der Roller haben. Die Scooter-Parkzonen sollen mit Bodenmarkierungen gekennzeichnet und gegebenenfalls auch in den Apps der Betreibern mittels Geofencing ausgewiesen werden.

  5. Die Anbieter werden verpflichtet, Hinweise auf die korrekte Verwendung und Abstellung der Scooter in ihren Apps künftig deutlicher zu platzieren – insbesondere etwa die neuen Parkrichtlinien oder das Fahrverbot auf Gehsteigen.

  6. Bisher war es möglich, Scooter, die nicht direkt am in der App angezeigten Ort auffindbar waren, durch das Auslösen eines akustischen Signals zu orten. Das wird ab April 2020 zu späteren Uhrzeiten nicht mehr erlaubt sein, um nächtliche Lärmbelästigung einzudämmen.

  7. Die Anbieter müssen "Sperrgebiete", sowohl fixe Orte wie Märkte oder Spitäler, als auch temporäre Fahrverbotszonen, etwa während des Wien-Marathons, deutlich in ihren Apps ausweisen. Ein Teil der Verleiher bietet bereits entsprechende Kennzeichnungen.

  8. Alle Anbieter müssen künftig auch die Geschwindigkeit ihrer Roller automatisch in bestimmten Bereichen drosseln. Darunter fallen etwa Fußgänger- und Begegnungszonen, in denen das Radfahren (und somit auch das Fahren von E-Scootern) erlaubt ist, beispielsweise die Innere Mariahilferstraße.

  9. Die Polizei ermöglicht künftig Sammelanzeigen für gestohlene Leih-Scooter.

Konzessionen ab 2021

Auch gegen den Anbieter-Wildwuchs will die Stadt Maßnahmen setzen. Insgesamt sind derzeit zehn Anbieter in Wien gemeldet (zwei haben noch keinen Betrieb aufgenommen). Künftig will man Konzessionen vergeben. Im ersten Halbjahr soll eine Ausschreibung erarbeitet werden, die Qualitätskriterien beinhaltet und eine "transparente" und "faire" Vergabe für Betriebsgenehmigungen sichern soll, die ab 2021 verpflichtend sein sollen. Ob es eine Höchstzahl an Zulassungen geben wird, steht noch nicht fest.

Reaktionen

DER STANDARD hat bei mehreren Betreibern nachgefragt, wie sie zu den neuen Regeln stehen und ob sie sich im kommenden Jahr um eine Konzession bemühen wollen.

Der zu BMW und Daimler gehörende Anbieter Hive begrüßt die neuen Regeln prinzipiell. Auch mit fixen Stellplätzen kann man sich anfreunden und regt an, dass sich solche möglichst auch nahe Öffi-Stationen befinden sollten, um in beide Richtungen einen schnellen Umstieg zu gewährleisten.

Die Regelung, Scooter nur noch auf breiteren Gehsteigen parken zu können, erachtet man zwar als sinnvoll, hofft aber auch im Vorfeld auf eine Schaffung von mehr Stellplätzen. Gerade in Arealen, in denen es wenige Trottoirs gibt, die die Mindestbreite erreichen, könnte die Verwendung der Roller sonst zu stark entwertet werden. Hive will sich nächstes Jahr auch um eine Konzession bewerben.

Bird, das als erstes den Betrieb in Wien aufgenommen hat, betont die "positive" Annahme des eigenen Services in Wien. Die Weiterentwicklung der Regulierung betrachtet man als "völlig normale Entwicklung". "Klare Parkregelungen" erachtet man jedenfalls als "grundsätzlich positiv".

"Die Tendenz, Autoparkplätze aufzugeben und dafür Parkplätze für E-Scooter und Fahrräder zu schaffen, begrüßen wir", heißt es weiter. Auch Bird will sich an einer künftigen Konzessions-Ausschreibung beteiligen.

Lime, der zweite in Wien gelandete Anbieter, will die Regelungen evaluieren und will einzelne Punkte noch "im Detail" mit der Stadt diskutieren. Viele der von den neuen Richtlinien abgedeckten Punkte würde man bereits erfüllen. Man plant, künftig um eine Konzession anzusuchen und sieht sich selbst für ein solches Bewerbungsverfahren "gut aufgestellt".

Circ (vormals Flash) steht der Regulierung im Allgemeinen positiv gegenüber. Skeptisch ist man ob der vorgeschriebenen Gehsteigbreite. Während man als Anbieter garantieren könne, dass die eigenen Scooter nur auf passenden Gehsteigen ausgebracht werden, könne sich dies für die Nutzer selbst beim Parken schwierig gestalten.

Hinsichtlich der fixen Stellplätze fordert man eine ausreichende Dichte an solchen Flächen in den inneren Bezirken und man plant, Nutzer dafür zu belohnen, wenn sie Scooter auf oder nahe diesen abstellen – so wie man es bereits in Linz handhabt. In den äußeren Bezirken sieht man keine Notwendigkeit für definierte Parkflächen. Auch Circ will sich 2020 um eine Konzession bemühen.

Die Berliner Firma Tier will ebenfalls am Konzessionsverfahren teilnehmen. Sie begrüßt die Regelungen als "richtige Entscheidung" seitens der Stadt. Darüber hinaus möchte man das neue Regelwerk noch evaluieren und gegebenenfalls mit der Stadt Wien besprechen. Dabei möchte man auch Empfehlungen für Stellplätze abgeben. (gpi, 19.12.2019)

Update, 12:55 Uhr: Regel 2 (Verteilung der Scooter über die Bezirke) wurde präzisiert.

Update, 13:40 Uhr: Erste Reaktionen ergänzt (Hive, Bird, Lime).

Update, 14:10 Uhr: Reaktion von Circ ergänzt.

Update, 14:55 Uhr: Punkt 9 (Sammelanzeigen) ergänzt.

Update, 17:30 Uhr: Stellungnahme von Tier ergänzt.