Android 10 hat es bereits auf die ersten Smartphones zahlreicher Hersteller geschafft.

Foto: Proschofsky / STANDARD

Es ist ein Problem, das Android seit seinen Anfängen begleitet: Die Update-Versorgung lässt bei den allermeisten Herstellern zu wünschen übrig. So wiederholte sich denn auch Jahr für Jahr das gleiche Spiel: Google veröffentlicht eine neue Android-Generation für die eigenen Geräte, und bei anderen Herstellern tut sich zunächst einmal – nichts. Die Statistiken sprechen ebenfalls eine eindeutige Sprache. Bis eine neue Android-Generation zur dominierenden Version des Betriebssystems wird, vergehen üblicherweise 18 Monate – und daran hat sich seit den Zeiten von Android 2.3 "Gingerbread" recht wenig verändert. Zumindest bis vor kurzem.

Es tut sich was

2019 dürfte als jenes Jahr in die Android-Geschichte eingehen, in dem sich endlich etwas in Fragen der Update-Versorgung getan hat. Laufende Zahlen zur Verbreitung einzelner Softwaregenerationen veröffentlicht Google zwar derzeit nicht mehr, zumindest gibt es aber ab und an häppchenweise Informationen. Und die zeichnen ein eindeutiges – und vor allem: erfreuliches – Bild. Befand sich Android 8 "Oreo" Ende Juli 2018 erst auf 12,1 Prozent aller Geräte, waren es beim Nachfolger Android 9 "Pie" etwas mehr als ein Jahr später bereits 22,6 Prozent.

Doch dabei soll es sich um keinen Ausreißer handeln, versichert Google. So ist man davon überzeugt, dass sich Android 10 noch einmal wesentlich flotter verbreiten wird als sein Vorgänger. Von einem Faktor 5 bis 6 im Vergleich zu Android 8 sprach Android-Entwicklungschef Dave Burke vor einigen Wochen. Und die Realität scheint ihm dabei recht zu geben. Zwar gibt es keine aktuelle Zahlen, allerdings fällt auf, dass die Zahl der verfügbaren Updates massiv zugenommen hat.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Android 9 hat sich erheblich flotter verbreitet als seine Vorgänger.
Grafik: Google

Android 10 läuft gut an

Gab es bislang vor Jahresende eine neue Android-Generation üblicherweise nur für einige wenige Geräte, ist dieses Jahr eine ansehnliche Liste zusammengekommen. So haben neben den üblichen Verdächtigen Google und Essential mittlerweile auch Oneplus, Asus, Huawei, Oppo, Nokia und Sony Updates für mehrere ihrer Smartphone-Modelle veröffentlicht. Selbst von LG und Motorola gibt es bereits erste Android-10-Releases. Vor allem aber: Branchenprimus Samsung liefert Android 10 bereits für seine aktuellsten Topgeräte – Galaxy S10 und Note 10.

Doch für die schnellere Verbreitung einer neuen Android-Generation ist noch ein zweiter Faktor entscheiden, und auch hier kann Samsung als ein gutes Beispiel für aktuelle Fortschritte dienen. Werden doch neue Smartphones von Samsung, wie die unlängst vorgestellten Galaxy A51, Galaxy A71 und Galaxy A01, bereits von Haus aus mit Android 10 ausgeliefert. Üblicherweise war das im Februar oder März vorgestellte jeweils neueste Galaxy-S-Modell auch das erste Samsung-Smartphone mit einer neuen Android-Generation. Mit dieser unerfreulichen Tradition bricht das Unternehmen nun also.

Ursachensuche

Das wirft natürlich die Frage auf: warum ausgerechnet jetzt? Die Antwort hat einen Namen, und der heißt "Treble". Mit diesem Projekt hat Google in den vergangenen Jahren sein Betriebssystem einer grundlegenden Umgestaltung unterzogen. Durch die Trennung in die eigentlichen Android-Bestandteile auf der einen und Kernel sowie Treiber auf der anderen Seite sollte die Update-Erstellung erleichtert werden. Und dieser Plan geht ganz offensichtlich auf. Der Zeitablauf erklärt sich nun daraus, dass Project Treble mit Android 8 seinen Einzug gehalten hat, erstmals also beim Upgrade auf Android 9 seine Wirkung entfalten konnte.

Seitdem hat Google diese Umbauten weiter verfeinert, zudem ist in Android 10 mit Project Mainline das nächste Puzzlestück auf dem Weg zu schnelleren Updates hinzugekommen. Mit diesem übernimmt Google künftig die Aktualisierung einzelner Systembestandteile zentral – also für sämtliche Android-Geräte, egal von welchem Hersteller.

Die Zukunft bringt viele Änderungen

Doch damit ist die Entwicklung noch nicht an ihrem Ende angekommen, Google arbeitet nämlich bereits an den weiteren Schritten zur Modularisierung und Standardisierung von Android. Und die ersten davon dürften sich schon 2020 bemerkbar machen. So finden sich im Source Code des Betriebssystems gleich mehrere Hinweise darauf, dass Mainline mit dem kommenden Android 11 massiv ausgebaut wird. Die Palette an neuen Modulen reicht von den WLAN-Diensten bis zu Teilen des Android-Frameworks. Besonders interessant ist aber auch ein Hinweis, der nahelegt, dass künftig Programmierschnittstellen neuer Android-Generationen zumindest zum Teil auf alte nachgerüstet werden könnten.

Einheitliche Treiber

Mindestens genauso spannend ist eine Ankündigung von Qualcomm, die bei der Ankündigung des Snapdragon 865 etwas unterging: Der Grafiktreiber für den kommenden Top-Chip des Herstellers soll nämlich über den Play Store aktualisierbar sein. Und nicht nur das, soll hier dann derselbe Treiber für mehrere Geräte unterschiedlicher Hersteller zum Einsatz kommen.

Ein Teil der Vereinheitlichungsbemühungen von Google ist es, Android-spezifische Änderungen in den Hauptzweig des Linux-Kernels zurückfließen zu lassen. Dabei hat man mittlerweile massive Fortschritte gemacht. Der grün markierte "Energy Aware Scheduler" ist übrigens mit Linux 5.0 ebenfalls bereits aufgenommen worden.
Grafik: Google

Um zu verstehen, welch großen Fortschritt dies darstellt, muss man wissen, wie die Android-Welt derzeit funktioniert: Bislang muss jede neue Version eines Treibers für jedes Gerät eines Herstellers neu erstellt werden. Und da die Treiber proprietär sind, gilt auch das Umgekehrte: Will ein Smartphone-Anbieter seinen Kernel aktualisieren, braucht er dafür die Mitarbeit diverser Chipanbieter, weil sonst deren Treiber nicht mehr funktionieren. Genau hier liegt derzeit auch – neben dem generellen Unwillen mancher Hersteller – der größte verbliebene Problempunkt in der Android-Update-Kette. Immerhin braucht es damit ein dauerndes und ziemlich komplexes Wechselspiel zwischen Geräte- und Komponentenherstellern. Das erhöht natürlich den Wartungsaufwand auf allen Seiten massiv und steht somit nicht zuletzt auch längeren Supportzeiten im Weg.

Stabile Schnittstellen

Das soll sich künftig alles ändern. Ein Teil von Googles Plan ist die Schaffung von stabilen Schnittstellen (ABIs), damit Treiber zumindest bei Updates innerhalb einzelner Linux-Generationen unverändert weiterverwendet werden können – und eben unabhängig vom Hersteller funktionieren. Langfristig will man überhaupt die von Android-Herstellern genutzten Kernels zunehmend vereinheitlichen. Die Vision ist, dass es ein generisches Kernel Image (GKI) von Google gibt, das auf den Geräten unterschiedlicher Hersteller läuft und bei dem die jeweils benötigten Treiber als Module nachgeladen werden. Das bedeutet nicht, dass dann alle Hersteller notwendigerweise diesen Kernel von Google übernehmen müssen, die Vorlage kann aber für Kompatibilitätstests genutzt werden – also zur Standardisierung.

Keine zu hohen Erwartungen

Um die Erwartungen hier nicht zu groß werden zu lassen: Bis es wirklich Android-Smartphones gibt, bei denen diese Trennung komplett umgesetzt ist, wird sicher noch einige Zeit vergehen. So wird derzeit als erster Linux-Kernel mit vollem GKI-Support die Version 5.4 anvisiert. Und geht man nach den Erfahrungen der Vorjahre, wird dieser wohl erst im Jahr 2021 in Android-Smartphones landen.

Trotzdem: Der Trend ist unübersehbar. Der Aufwand für die Erstellung von Upgrades auf neue Android-Generationen wird immer geringer. Das heißt, dass es in Zukunft nicht nur mehr Updates geben wird, es gibt auch erstmals durchaus realistische Chancen, dass die Support-Zeiten endlich einmal ausgedehnt werden. (Andreas Proschofsky, 3.1.2020)

DER STANDARD