Einer Auswahl an heimischen Wirtschafts- und Industrieunternehmen wurde die Möglichkeit geboten, zum Klimaplan Stellung zu nehmen.

Foto: Imago/Christoph Hardt

Während im Ministerrat gerade erst der nationale Energie- und Klimaplan bis 2030 abgesegnet wurde, wird im Hintergrund schon am nächsten Projekt gefeilt: Am 1. Jänner muss die Regierung ihre Klima-Langfriststrategie bis 2050 nach Brüssel schicken. Derzeit befindet sich der rund 140-seitige Entwurf noch in der Abstimmungsphase. Diese geschieht allerdings nicht nur zwischen den Ministerien. Dem STANDARD liegen Dokumente vor, die zeigen, dass das Wirtschaftsministerium die Strategie auch an die Wirtschaftskammer (WKO) geschickt hat.

Damit aber nicht genug: Von dort wurde der vertrauliche Entwurf an unterschiedliche Empfänger aus der Wirtschaft weitergeleitet – dazu zählen Industrie-Lobbyverbände wie auch jene Großkonzerne in Österreich, die am meisten CO2 emittieren. In einer E-Mail wurden diese aufgefordert, Anmerkungen zur Strategie so rasch wie möglich rückzumelden.

Interne Konsultation

Die – für jedes Ministerium mit einem eigenen Wasserzeichen versehenen – Entwürfe sind eigentlich nur für die interne Konsultation gedacht, wie es heißt. Dass diese an Konzerne weitergegeben werden, ist durchaus unüblich, war am Donnerstag aus mehreren Ministerien zu erfahren. Zwar fand am Montag ein sogenannter Stakeholder-Workshop statt, dort wurde das Papier allerdings nicht verteilt, nur dessen Eckpunkte wurden präsentiert.

Zudem dürften nicht alle Sozialpartner gleichermaßen in den Klimafahrplan eingeweiht worden sein: "Wir haben das Schriftstück nicht gesehen", hieß es etwa in der Landwirtschaftskammer – Nachsatz: "leider". Ähnliches ist aus der Arbeiterkammer zu hören.

Das Wirtschaftsministerium argumentierte die Weiterleitung des Dokuments mit der "Fehleinschätzung" eines Mitarbeiters. Und: "Grundsätzlich gibt es immer einen inhaltlichen Austausch auf Expertenebene zwischen einzelnen Ressorts und betroffenen Stakeholdern." Bei einer dieser Runden sollen auch Vertreter der WKO anwesend gewesen sein.

Das Thema Klimaschutz wurde auch im STANDARD-Live-Talk diskutiert. Franz Fischler und die Klimaexpertin Sigrid Stagl stritten darüber, welche Maßnahmen Türkis-Grün umsetzen sollten.
DER STANDARD

Im Umweltministerium hieß es, dass der Langfristplan diese Woche mit Interessengruppen besprochen wurde, dessen Inhalte sollten daher "keine Neuigkeiten" darstellen. Das bestätigte man auch in der Wirtschaftskammer. "Unsere Expertise wird regelmäßig von öffentlicher Seite wie Ministerien eingeholt", heißt es seitens der WKO. Der Austausch zwischen den Häusern sei "tägliches Business".

Ob und in welcher Form die kontaktierten Konzerne und Verbände auf die Aufforderung der WKO reagiert haben, konnte das Wirtschaftsministerium nicht beantworten. Die Kammer wich der Frage aus. Stellungnahmen und Veröffentlichungen der heimischen Industrie und Wirtschaft aus der Vergangenheit zeigen, dass rigide Klimapolitik nicht überall auf große Zustimmung trifft. So hat die Industriellenvereinigung Oberösterreich heuer mit einem Grundlagenpapier zum Klimaschutz für Aufregung gesorgt. Darin kritisierte die Interessenvertretung unter anderem "gutmenschliche Träumer" in der Klimadebatte.

Auch die Wirtschaftskammer nahm unlängst kritisch zu den Klimaplänen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Stellung. In zwei Positionspapieren äußerte die Kammer "große Sorgen und Bedenken" daran, ob die EU-Klimapläne für die Industrie verkraftbar seien. Unter anderem forderte die WKO, dass ein CO2-Preis die "Schmerzgrenze" von 25 Euro pro Tonne nicht überschreiten dürfe. (20.12.2019)