Endlich mehr Sport, jetzt aber wirklich! Das nehmen sich viele fürs neue Jahr vor – und lassen es schon im Jänner wieder bleiben. Der deutsche Sportpsychologe Jens Kleinert meint: Oft scheitert es bereits an der Planung.

Wer sportlich werden will, braucht realistische und überprüfbare Ziele – und muss verbindlich festlegen, an welchen Tagen Zeit für Sport ist. Gut sei es auch, sich mit anderen zum Sport zu verabreden. So fällt das Absagen schwerer.

Bei aller anfänglichen Euphorie sollten Neueinsteiger wissen: Der innere Schweinehund wird sich melden. Kleinert rät, für Abende, an denen das Sofa lockt, das tolle Gefühl nach dem Workout zu verinnerlichen – und sich körperlich zu aktivieren. Schon das Abklopfen der Schenkel kann helfen. "Man kann sich aber auch laut zurufen: Komm, jetzt überwinde dich!"

Das Allerwichtigste: Wer dabeibleiben will, muss Spaß haben. So wie die Menschen, die wir auf diesen Seiten vorstellen. Früher unsportlich, können sie sich ein Leben ohne Bewegung heute nicht mehr vorstellen. "Man bleibt nicht dabei, wenn man sich jedes Mal dazu zwingen muss", sagt Kleinert. 2020 dauert lang genug, um vieles auszuprobieren. Los geht’s!

"Das Rudern ist mein Ding, und das brauche ich einfach", sagt Sylvia Kleimann.
Foto: Christian Fischer

Sylvia Kleimann, 50, rudert auch im Winter:

"Vor drei Jahren fragte mich eine Bekannte, ob ich mit ihr einen Schnupperkurs beim Ruderverein Pirat an der Alten Donau machen möchte. Der Kurs war eine mittelschwere Katastrophe, ich war koordinativ total überfordert. Aber irgendwie merkte ich sofort, dass mir der Sport Spaß macht.

Ich wollte dabeibleiben, wusste aber nicht, wie. Der Trainer sagte: "Sylvia, jetzt kommst du jeden Tag um halb sieben in der Früh und fährst mit dem Einer, damit lernst du am besten, wie man rudert." Das habe ich gemacht. Anfangs wollte niemand mit mir in Mannschaftsbooten fahren, und ich bin oft reingefallen. Irgendwann ging mir der Knoten auf. Nach sechs Monaten bin ich mein erstes Rennen gefahren. Mittlerweile bin ich in der Renn-Mannschaft.

Mir macht Rudern immens viel Spaß. Es ist ein Sport, den man in jedem Alter betreiben kann. Und es hält mich fit. Das merke ich besonders, wenn ich Gleichaltrige sehe, die mit ihrem Gewicht und allerlei gesundheitlichen Problemen kämpfen.

Was mir gefällt: Rudern ist ein Gemeinschaftssport. Man sportelt nicht alleine vor sich hin, sondern findet eine Trainingsgruppe. So lernt man interessante Menschen kennen, und es entwickelt sich eine Kameradschaft wie zu Schulzeiten. Man reist im Mannschaftsbus zu Regatten, zeltet oder übernachtet in Jugendherbergen. Mir hat es am Anfang geholfen, mich aktiv zu verabreden – dann fragen die Leute, wo man bleibt, wenn man einmal nicht auftaucht.

Ich habe den Sport in mein Leben integriert und lasse mich nicht beirren, auch wenn es im Job gerade stressig ist. Das Rudern ist mein Ding, und das brauche ich einfach. Jeden Morgen um 6.30 Uhr gehe ich aufs Wasser. Das ist für mich Freiheit. Es ist ein tolles Gefühl, dass ich heute das Boot beherrsche – und nicht mehr das Boot mich. Danach gehe ich energiegeladen ins Büro. Ich war früher ein bisschen ein Workaholic. Durch das Rudern wurde ich gelassener und gehe entspannter auch mit schwierigen Situationen um."

Trainiert gerade für eine Umrundung des Neusiedler Sees: Josef Stöger.
Foto: Christian Fischer

Josef Stöger, 69, läuft sogar Ultramarathons:

"Mit 55 habe ich noch drei Packungen Zigaretten am Tag geraucht und war viel zu dick. Dann schenkte mir meine Frau die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio. Ich war das letzte Mal in der Schule gelaufen. Nun fing ich auf dem Laufband damit an.

Ein Trainer überredete mich, es auch einmal im Freien zu probieren. Ich bin direkt aus der Arbeit auf die Donauinsel gelaufen. So habe ich für meine ersten Bewerbe trainiert. Mit 57 habe ich schließlich mit dem Rauchen aufgehört.

Mein Umfeld hat sich, glaube ich, schon ein wenig über meine plötzliche Sportlichkeit gewundert. Mit 60 habe ich in der Wachau meinen ersten Marathon absolviert. Insgesamt bin ich bisher bei 135 Marathons und Ultramarathons ins Ziel gekommen. Bei einem 48-Stunden-Lauf in Gols bin ich sogar 232 Kilometer durchgelaufen. Das machen schon noch einige in meinem Alter, aber es dünnt sich aus. Manchmal lande ich sogar auf einem Stockerlplatz in meiner Alterskategorie

Mein nächster großer Lauf wird eine Umrundung des Neusiedler Sees bei der 24-Stunden-Burgenland-Extrem-Tour Ende Jänner sein. Mir helfen diese Laufbewerbe einfach dabei, beim Sport zu bleiben. Früher habe ich dafür mit einem Trainingsplan trainiert, heute weiß ich, was ich brauche. Ich bin Mitglied in drei Laufklubs, laufe aber auch alleine. Früher hatte ich bei Marathons noch Zeitdruck und wollte Bestzeiten aufstellen. Die Zeit muss mir mittlerweile aber egal sein. Jetzt zählt für mich nur noch das Genießen der Strecke.

Warum ich das alles mache? Das habe ich mich auch schon oft gefragt. Vielleicht ist es ja tatsächlich eine Sucht. Ich mag die Stimmung bei Laufbewerben und kann mir dabei selbst etwas beweisen. Und das Gefühl, einen Marathon zu finishen, ist unbeschreiblich. Das Schönste ist aber: Ich fühle mich gesund und hoffe, dass ich noch möglichst lange laufen kann."

"Nach einem langen Tag im Büro gehe ich heute in Yoga", sagt Brigitte Kühböck.
Foto: Christian Fischer

Brigitte Kühböck, 59, macht seit einem Jahr Yoga:

"Ich hörte früher mit Sport immer dann auf, wenn es anstrengend wurde. Ich bin nie drangeblieben. Auch beim Yoga habe ich zwei Anläufe gebraucht. Als ich heuer im Jänner zum zweiten Mal einen Anfängerkurs im Yogastudio Doktor Yoga belegte, war es plötzlich stimmig. Ich bin dabeigeblieben, weil die Yogalehrerin mein Herz berührt hat. In mir hat das große Freude ausgelöst.

Natürlich war ich vor der ersten Einheit sehr nervös, vor allem wegen der anderen Menschen im Kurs. Das war völlig unbegründet. In den ersten paar Einheiten dachte ich noch: Das werde ich alles nie können. Aber Yoga ist kein Wettbewerb. Mittlerweile ärgere ich mich auch nicht mehr, wenn ich aus einer Position herausfalle. Stattdessen freue ich mich, dass ich fokussiert atme. Meine Lieblingsposition ist nun der Unterarmplank. Dass ich den kann, darauf bin ich besonders stolz. Derzeit mache ich drei- bis viermal pro Woche Yoga. Meistens im Studio, weil mir zu Hause die Gesellschaft abgeht. In der Gruppe ist die Stimmung eine andere. Alleine gebe ich schneller auf.

Bei mir hat sich durch den Sport viel verändert. Meine Rückenschmerzen, die ich durch jahrelanges Sitzen im Büro hatte, sind verschwunden. Außerdem habe ich es durch das Yoga geschafft, meine Ernährungsgewohnheiten umzustellen und 20 Kilo abzunehmen. Dadurch geht auch das Yoga plötzlich viel leichter.

Mir hat es am Anfang sehr geholfen, dass mich meine Tochter, die selbst Yogalehrerin ist, gefördert und gefordert und mich für Kurse angemeldet hat. Ein bis zwei Wochen muss man schon durchhalten, um zu merken: Das tut mir so gut! Das sind 75 Minuten nur für mich.

Sportskanone bin ich keine geworden. Aber nach einem langen Tag im Büro gehe ich heute in Yoga. Dort komme ich ordentlich ins Schwitzen. Früher wäre mir das zu anstrengend gewesen. Heute stört es mich nicht mehr."

Christina Obermayer: "Ich habe beim Frisbeespielen eine Community gefunden."
Foto: Christian Fischer

Christina Obermayer, 20, spielt Ultimate Frisbee:

"Tennis, Schwimmen, Tanzen: Mit Sport habe ich es immer wieder probiert, aber ich bin nie dabeigeblieben. Irgendwann habe ich gar nichts mehr gemacht. 2015 wurde mir klar, dass es so nicht weitergehen kann. Ich habe mich nicht mehr wohlgefühlt. Mir hat etwas gefehlt, aber ich wusste nicht, was.

Dann hat mich mein Bruder einmal in ein Frisbeetraining in der Schule mitgenommen. Ich habe es mir angeschaut und ein wenig mitgespielt. Da war ich aber relativ schlecht. Ich bin trotzdem immer wieder mitgegangen. Einige Monate später rief mich eine heutige Teamkollegin an, ob ich spontan bei der Jugendstaatsmeisterschaft einspringen kann. Ich war völlig unvorbereitet und hatte keine Ahnung, was auf mich zukommt. Aber ich habe Ja gesagt.

Dort habe ich Leute spielen gesehen, die viel, viel besser waren als ich. Das hat mich richtig motiviert. Ich habe mir gedacht: Das möchte ich auch alles können. Dass ich dabeibleiben werde, wusste ich einige Monate später bei einem Weihnachtsturnier, bei dem wir bunt durchgemischt miteinander gespielt haben. Mich hat fasziniert, dass wir so viele unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Lebensgeschichten und sportlichen Levels sind – und das Spiel trotzdem so toll funktioniert.

Ich habe beim Frisbeespielen wirklich eine Community gefunden. Ich finde es außergewöhnlich, wie man Ausdauersport mit Taktik und einem sozialen Aspekt verbinden kann. Ultimate Frisbee ist ein intensiver Wettkampf, aber vor allem auch ein fairer.

Jetzt spiele ich zwei- bis dreimal pro Woche mit meinem Team Box – Vienna Ultimate und coache ein Team. Außerdem arbeite ich an meiner Ausdauer und an meiner Kraft. Aufs Fitnessstudio habe ich zugegebenermaßen nicht immer Lust, das lasse ich manchmal ein wenig schleifen. Ich habe immer noch Phasen, in denen ich weniger mache. Aber mittlerweile merke ich, dass mir die Bewegung abgeht."

"Ich wusste gar nicht, wie toll man sich in seinem Körper fühlen kann", sagt Thomas Bauer.
Foto: Christian Fischer

Thomas Bauer, 36, geht fast jeden Tag ins Crossfit-Studio:

"Ich war früher ein Parade-Unsportlicher. Ich hatte Asthma, war übergewichtig und immer der Letzte, der ins Team gewählt wurde. Ein Freund hat mich vor fünf Jahren zu Crossfit mitgenommen. Als ich das erste Mal in die "Box" kam, dachte ich mir nur: Was, bitte, machen die da? Und ich habe mich über das ständige Einschlagen miteinander lustig gemacht.

Aber dann hat mich der Ehrgeiz gepackt. Der Vergleich mit den anderen spornte mich sofort an. Ein entscheidender Moment war für mich, als ich nach einigen Wochen merkte, dass ich mit den anderen plötzlich mithalten konnte. Auf einmal schaffte ich Übungen, für die ich früher viel zu patschert war. Ich lernte zum Beispiel Seilklettern, was ich in der Schule nie konnte.

Das Gute an der Sportart: Man muss nur die Motivation aufbringen, ins Studio zu gehen. Um den Rest kümmert sich der Trainer, der uns durch die Stunde leitet und dabei jeden anspornt. Fortschritt passiert so fast von selbst. Mir hat beim Dabeibleiben auch geholfen, dass man sich vorab online für eine bestimmte Einheit anmelden muss. So fällt es schwer, nicht aufzutauchen.

Nach einer Stunde ist es vorbei, und man ist richtig stolz darauf, was man geschafft hat. Ich habe etwas getan und etwas geleistet – egal wie der Tag sonst gelaufen ist. Man ist an seine Grenze und darüber hinaus gegangen. Das ist ein Gefühl, nach dem man ein bisschen süchtig wird.

Mittlerweile trainiere ich fünf- bis sechsmal pro Woche in meinem Studio Crossfit Vienna The Starship. Der Sport ist ein Fixtermin in meinem Kalender geworden. Für mich hat sich dadurch viel verändert. Heute muss ich mir keine Gedanken mehr darüber machen, ob ich mithalten kann, wenn Freunde mich zum gemeinsamen Sporteln einladen. Das hat mir ein neues Selbstbewusstsein gegeben. Ich wusste als Unsportlicher gar nicht, wie toll man sich in seinem Körper fühlen kann!" (31.12.2019)