Ein burgenländisches Nadelwäldchen mit ionischer und korinthischer Säulenordnung.

Foto: Lisi Specht

Jeden einzelnen Baustein, jedes einzelne Kapitell, ...

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... jedes einzelne blattvergoldete Ornamentdetail entwarf und baute Franz Schubaschitz (1928–2015) in Eigenregie.

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Ein Millimeterjob: der Bauprofi Schubaschitz bei der Arbeit.

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Man achte stets, sagte er, auf das richtige Verhältnis von Weißzement und Quarzsand. Man gieße den solcherart angemischten Beton in die selbstgebaute Negativgussform aus Kautschuk. Und dann, der wichtigste Schritt von allen, rüttle man die noch zähflüssige Masse so lange durch, bis alle Luftbläschen für immer entwichen sind. "Mit den Jahren", so der Tempelbauer, "bin ich zur absoluten Erkenntnis gelangt, dass die Schönheit allein Rechtfertigung und Vorschlag genug ist, schön zu bauen."

Das Resultat dieses 25 Jahre andauernden Schönheitsprozesses steht nicht auf Korfu, nicht in einem Wald in der Nähe von Thessaloniki, sondern mitten im Burgenland. In Steinberg-Dörfl, um genau zu sein, fünf Autominuten von Oberpullendorf entfernt.

Und der Herr mit der gelben Kappe und den kräftigen, von jahrzehntelanger Arbeit gestärkten Unterarmen ist kein Architekt, kein Baumeister, kein Antike-Spezialist, sondern ein Lebensmittelkaufmann und Bankbeamter, Franz Schubaschitz sein Name, oder auch Schubaschitz-Franzl, wie sie alle im Dörfl sagten, der sich an einem helllichten Tage Anfang der Siebzigerjahre in den Kopf gesetzt hatte, einen Tempel zu errichten, und sich von diesem geplanten Wahnsinn bis zu seinem 80. Lebensjahr nicht mehr abbringen ließ.

Griechischer Baustil

"Wie viele andere auch habe ich ursprünglich ein Wohnhaus im herkömmlichen Sinne bauen wollen", sagte Schubaschitz zu Lebzeiten in einem ORF-Dokumentarfilm aus der Reihe Unterwegs in Österreich, ausgestrahlt anno 1981. "Über die Zeit hinweg jedoch habe ich einen anderen Begriff von Schönheit erfahren, bin gewissermaßen auf den griechischen Baustil gestoßen und bin jetzt bestrebt, die Anlage mehr oder weniger originalgetreu auszuführen. Es sind ja Vorbilder zu Genüge vorhanden."

Schubaschitz studierte die Wiener Börse, das Parlament, den Theseustempel im Volksgarten und entwickelte sich nach und nach zum Fan des Klassizismus-Architekten Theophil von Hansen. Noch lange vor Internet, Photoshop und all den heute nicht mehr wegzudenkenden CAD-Programmen stöberte er in Büchern über die griechische Antike und sammelte Zettel für Zettel Vorlagen für seine Friese, Plinthen, Voluten, Eierstäbe, Zahnschnitte, Metopen und Triglyphe zusammen. Die Muster für seine mal ionischen, mal korinthischen Kapitelle wurden im Kopierer so lange vergrößert, bis die richtige Dimension für einen ersten Rohling erreicht war.

"Unser Vater war in seinem Leben kein einziges Mal in Griechenland", erzählen seine Tochter Eva-Sabine Stieber (57) und sein Sohn Klaus Schuba schitz (54), die in ihrer Kindheit und Jugend beim Mauern und Betonmischen mithalfen. "Und doch hat er sich so viel Sensibilität und Wissen über die Materie angeeignet, dass er in der Lage war, so ein Projekt zu stemmen." Dazu zählten auch regelmäßige Besuche des Theseustempels. "Eines Tages", erinnern sich seine beiden Kinder, "war der Tempel eingerüstet, und der Vater war entsetzt, weil er plötzlich keinen Zugang mehr zu seinem Lieblingsgebäude hatte."

Burgenländisches Epos

Begonnen hat das burgenländische Epos mit dem Bau eines Einfamilienhauses an der Oberen Hauptstraße 162. Nachdem Schubaschitz nach 15 Jahren Baustelle durch das Stiegenhausloch zehn Meter in die Tiefe stürzte und fortan an auf den Gehstock angewiesen war, ließ er den halbfertigen Rohbau stehen und wich in den Garten aus. Die nächsten 25 Jahre widmete er dem Bau von mehreren griechischen Tempeln, die heute wie verwunschene Zeitzeugen in einem auch von ihm gepflanzten Nadelwäldchen zwischen moosbewachsenen Felsbrocken herumstehen. Eine Mischung aus Staunen und Entsetzen, aus Gänsehaut und Grinsen.

"Genau aus diesem Grund", sagt Günter Renner, gebürtiger Steinberg-Dörfler, "habe ich der Familie Schubaschitz vor einigen Jahren das Grundstück abgekauft. Über die Sinnhaftigkeit dieser Anlage kann man denken, wie man will. Aber die Liebe, die Leidenschaft, diese Perfektion zum Detail ist wirklich atemberaubend. Ich wohne ein paar Grundstücke weiter, und der Tempelgarten ist unser Kraftort, an dem wir, aber auch unsere Apartment-Mieter und Seminargäste schöne Frühlings-, Sommer- und Herbsttage im Freien verbringen können."

Sogar der österreichische Architekt Friedrich Kurrent, anno dazumal Professor an der TU München, attestiert dem Werk des 2015 verstorbenen, vielleicht wahnsinnigen, vielleicht geniehaften Tempelbauers ohne jeden Zweifel baukünstlerische Qualitäten: "Es geht um den Zwang, um ein gewisses Ordnungsgefüge, um die Millimeter-Details im Verhältnis zum großen Ganzen. Und hier kommt Franz Schubaschitz mit allen Fragen in Berührung, die für einen Karl Friedrich Schinkel nicht minder wichtig waren." (Wojciech Czaja, 21.12.2019)