Den ersten Teil des Satzes hat Mensur Suljovic noch jedes Jahr gesagt, er lautet: "Bei einer WM gibt es keinen leichten Gegner." Der zweite Teil ist neu: "Und auch keine leichte Gegnerin." Suljovic, Weltklasse-Dartsspieler aus Wien, steht bei den Titelkämpfen im berühmten Alexandra Palace in London, der den noch berühmteren Spitznamen Ally Pally trägt, vor einer ganz speziellen Partie. Nach einem Freilos kriegt es der 47-Jährige am Samstag (circa 22 Uhr, live bei DAZN und Sport 1) mit der Britin Fallon Sherrock zu tun. Sie hat kürzlich Historisches geschafft. Fallon Sherrock ist die erste Frau, die bei der viele Jahre lang den Männern vorbehaltenen WM der Professional Darts Corporation (PDC) einen Sieg feierte.

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Fallon Sherrock trifft in der zweiten Runde auf Mensur Suljovic.
Foto: AP/ Paston

Ted Evetts, wenn man so will, geht ebenfalls in die Geschichte ein, er hat am Dienstag 2:3 gegen Sherrock verloren. Über den zweiten Verlierer würde schnell Gras wachsen, insofern könnte Suljovic locker bleiben. "Aber es wird ein besonderes Match", sagt er dem STANDARD, "hoffentlich ein tolles." Es ist zu erwarten, dass die 3000 Zuseher, nun ja, wie ein Mann hinter Sherrock stehen. Suljovic geht davon aus, dass er das ausblendet. "Ich hoffe, dass sie mich nicht beim Ausmachen stören. Aber im Prinzip kriegt man die Fans gar nicht mit, wenn man voll konzentriert ist. Die machen Party, so soll es sein."

Mensur Suljovic hat in der zweiten WM-Runde gegen Fallon Sherrock und das Publikum zu werfen.
Foto: imago images / Action Plus

Hype

Der Österreicher hat sich Sherrocks Auftaktmatch im TV gegeben und war beeindruckt. "Sie hat super gespielt, die Nerven behalten, ihr Average war wirklich gut." In den vergangenen Tagen entstand um Sherrock ein regelrechter Hype. Die 25-jährige Friseurin aus Milton Keynes wurde von einem Interview zum nächsten gereicht und versteigerte das Board von ihrem Sieg zugunsten der britischen Autisten-Hilfe.

Auf Twitter, wo Sherrock knapp 40.000 Follower hat, gratulierte Billie Jean King. Die Tennislegende merkte gleichzeitig an, dass Dartsspielerinnen benachteiligt wären. "Fallon hat hier mit einem Erstrundensieg mehr verdient, als sie für den Titel bei der Frauen-WM erhalten würde." Der erste Platz bei den Frauen ist mit 10.000 Pfund dotiert, der Sieger der PDC-WM wird eine halbe Million Pfund einstreifen.

Es ist viel weitergegangen

Frauen wurden im Darts bis vor wenigen Jahren als Aufputz angesehen, da zogen sie als "Walk-on-Girls" mit den Spielern ein. Doch wie in der Formel 1 und in anderen Sportarten hat sich einiges gewandelt. Und so machten im Vorjahr, wenn auch erfolglos, erstmals zwei Frauen mit. Da und dort wurde das durchaus heftig kritisiert. Der populäre Sport-1-Experte Gordon Shumway verlor sogar seinen Job, weil er "diesen Zirkus" bekrittelte.

Professional Darts Corporation

Suljovic findet es gut, dass sich zwei Frauen im 96er-Feld fanden. Die zweite, die Japanerin Mikuru Suzuki, war in Runde eins knapp gescheitert. Noch lieber wäre es Suljovic, wären die Frauen regelmäßig dabei und also auch allen Qualifikationskriterien unterworfen. Er selbst hat sich für die WM sehr viel vorgenommen, macht auch kein Hehl daraus. "Ich will Silvester in London verbringen." Demnach zielt Suljovic auf das Erreichen des Finales ab, es steigt am 1. Jänner. Das wäre bei der zwölften WM-Teilnahme sein mit Abstand bestes Ergebnis, bis dato kam er nicht übers Achtelfinale hinaus. Nach London begleitet hat ihn sein zwölfjähriger Sohn Tarik, der ebenfalls schon brav Pfeile wirft. "Aber Schule geht vor." Auch Sherrock hat einen Sohn, der fünfjährige Rory sitzt maximal vor dem TV-Gerät.

"In guter Form"

Das Suljovic-Selbstbewusstsein kommt nicht von ungefähr. "Ich bin", sagt der Wiener, "in guter Form. Ich würde sogar sagen, ich bin in Form wie noch nie in meinem Leben. Zumindest im Training. Aber Ally Pally ist eine eigene Story." Zuletzt übte er vier bis sechs Stunden täglich, bei der WM will er sich und allen beweisen, wo sein Platz sei. "Ich gehöre in die Top Ten." Aus denen fiel er heuer hinaus, derzeit ist er Elfter. Die Saison war "ein Auf und Ab. Ein Wochenende war super, das nächste grottenschlecht. Ich brauche Konstanz." Man wird sehen, ob ihm das Duell gegen Fallon Sherrock dabei helfen kann. (Fritz Neumann, 20.12.2019)