Der Anak Krakatau gilt als einer der aktivsten Vulkane der Erde.
Foto: APA/AFP/BISNIS INDONESIA

Vor ziemlich genau einem Jahr kam es in der Sundastraße zwischen den indonesischen Inseln Sumatra und Java zu einem dramatischen Ausbruch des Vulkans Anak Krakatau. Der Feuerberg wuchs gegen Ende der 1920er Jahre an jener Stelle aus dem Meeresboden empor, wo sein Vorgänger, der Krakatau, im August 1883 für eine der stärksten Vulkanexplosionen der jüngeren Geschichte gesorgt hatte. Nach Jahrzehnten der Inaktivität folgten zwischen 1959 und 1963 einige sehr turbulente Phasen. Seit 2007 ist es erneut immer wieder zu teilweise heftigen Eruptionen gekommen, die Schlimmste wurde im September 2012 registriert. Dann herrschte wieder vorübergehende Ruhe.

Dass sich am Anak Krakatau ("Kind des Krakatau") neuerlich eine heftigere Aktivitätsperiode abzeichnen würde, war spätestens ab Mitte 2018 klar. Tatsächlich ereignete sich am 22. September 2018 eine sich steigernde Eruptionsfolge. Den Höhepunkt dieser aktiven Phase bildete schließlich die Explosion vom 22. Dezember 2018 um 21.03 Uhr Ortszeit. Bei dem Ausbruch schrumpfte der Vulkan von 338 auf 110 Meter um annähernd zwei Drittel. Die Gesteinsmassen wurden ins Meer geschleudert, was Tsunamis zur Folge hatte, die in der Region für über 400 Todesopfer sorgten.

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Die Aufnahmen des japanischen Satelliten ALOS-2 zeigen den Anak Krakatau vor (links) und nach dem Ausbruch vom 22. Dezember 2018.
Foto: AP/Geospatial Information Authority of Japan

Es hätte schlimmer kommen können

Die Katastrophe hätte allerdings noch weitaus größere Dimensionen annehmen können, wie kürzlich ein Forscherteam um Mohammad Heidarzadeh von der Brunel University London nachgewiesen hat. Nach bisherigen Daten waren die Meereswellen, die nach der Anak-Krakatau-Explosion die umliegenden Küsten trafen, bis zu zehn Meter hoch. Dies war zwar dramatisch genug, doch wie die Wissenschafter im Fachjournal "Ocean Engineering" berichteten, erreichten diese Tsunamis davor zwischenzeitlich sogar Höhen von 150 Metern.

Unbewohnte Inseln in der unmittelbaren Nähe des Ausbruchs wurden immerhin noch von bis zu 80 Meter hohen Wellen überspült. Dass bewohnte Gebiete zumindest von solchen Monstertsunamis verschont blieben, lag an der Reibung und dem Einfluss der Schwerkraft, die die Wellen schließlich auf drei bis zehn Meter schrumpfen ließen.

Die bis zu zehn Meter hohen Tsunamis zerstörten zahlreiche Küstengebiete und kosteten über 400 Menschen das Leben. Die aktuelle Studie zeigt: Die ursprünglichen Wellen waren mehr als zehnmal so hoch.
Foto: Fauzy Chaniago

Unerwartete Riesenwelle

Dass es beim Anak-Krakatau-Ausbruch zu derart hohen Wellen gekommen war, schlossen Heidarzadeh und seine Kollegen aus Daten unter anderem von Messbojen, die in unmittelbarer Nähe des Vulkans platziert waren. Die Forscher spielten auf Grundlage dieser Werte unterschiedliche Szenarien durch. Das Ergebnis dieser Modelle: Der Zusammenbruch des Feuerbergs führte nicht wie angenommen zu vielen kleineren Wellen, sondern lösten einen einzigen gigantischen Wellenberg aus.

Die Energie, die dabei frei wurde, entspricht jener, die ein Erdbeben der Stärke 6 bewirkt. Nach Aussage der Wissenschafter war bisher unbekannt, dass Vulkaneruptionen solch hohe Tsunamis auslösen können. Selbst der Ausbruch des Krakatau von 1883, bei dem mindestens 36.000 Menschen ums Leben kamen, löste nach bisheriger Ansicht allenfalls 42 Meter hohe Wellen aus – diese Annahme muss aufgrund der neuen Erkenntnisse freilich in Zweifel gezogen werden. (tberg, 24.12.2019)