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Antonio Rüdiger: "Es ist eine Schande, dass Rassismus im Jahr 2019 noch existiert."

Foto: Reuters/Keogh

London/Frankfurt – Am Ende seiner vier Twitter-Nachrichten hatte Antonio Rüdiger nur noch eine Frage: "Wann hört dieser Schwachsinn endlich auf?" Mit diesem Schwachsinn meinte der deutsche Nationalspieler den Rassismus, dessen Opfer er zuvor geworden war. Die Beleidigungen gegen den Verteidiger des FC Chelsea während des Londoner Stadtduells am Sonntag bei Tottenham Hotspur (2:0) haben nicht nur Rüdiger, sondern auch die Premier League und sogar ganz England aufgewühlt.

Dafür sorgte vor allem der frühere englische Nationalspieler Gary Neville. In seiner Rolle als Experte bei Sky Sports hob der Ex-Profi von Manchester United die Diskussion auf ein anderes Level, indem er der den beiden großen Parteien (Tories und Labour) eine Mitschuld an dem Problem gab. Das große Echo auf der Insel wurde aber vor allem dadurch ausgelöst, dass der Moderator die Diskussion abwürgen wollte – Neville aber auf seinem Standpunkt beharrte.

"Wir hatten gerade Wahlen in diesem Land. Dabei wurde beiden großen Parteien und den Chefs dieser beiden Parteien immer wieder vorgeworfen, dass sie Rassismus schüren und Rassismus in ihren Parteien akzeptieren", sagte Neville. "Wenn es also in den höchsten Ämtern dieses Landes akzeptiert ist, sprechen wir nicht von einem Problem auf einer unteren Ebene." Für diese klaren Worte wurde Neville von zahlreichen englischen Sportgrößen wie Gary Lineker und Ian Wright ausdrücklich gelobt.

Zuletzt hatte bereits Uefa-Präsident Aleksander Ceferin den umstrittenen englischen Premier Boris Johnson attackiert. "Wenn ein Politiker, der Frauen mit Burkas als 'Briefkästen' bezeichnet, der Uefa vorwirft, sie würde das Rassismusproblem nicht bekämpfen – würden Sie darauf antworten? Glauben Sie, dass das aufrichtig ist? Also bitte ...", sagte Ceferin Anfang Dezember.

Rüdiger forderte die Gesellschaft auf, die Augen vor dem Problem, das zuletzt in der Premier League sowie in der italienischen Serie A immer wieder auftauchte, nicht zu verschließen. "Es ist eine Schande, dass Rassismus im Jahr 2019 noch existiert", schrieb der 26-Jährige. "Es ist wichtig, dass man darüber in der Öffentlichkeit spricht, sonst wird es in ein paar Tagen wieder vergessen sein."

Rassistische Gesänge

Rüdiger hatte sich Mitte der zweiten Halbzeit über rassistische Gesänge der Spurs-Anhänger beklagt. Daraufhin ließ der Schiedsrichter über den Stadionsprecher eine Warnung an die Fans aussprechen. Die Spurs kündigten eine Untersuchung und harte Sanktionen an. Nach Abpfiff positionierten sich beide Teammanager mit deutlichen Worten. "Ich hasse Rassismus in der Gesellschaft und im Fußball", sagte Tottenhams Jose Mourinho. Chelseas Frank Lampard ergänzte: "Das Problem muss mit aller Kraft angegangen werden."

Die englische Gewerkschaft der Profifußballer (PFA) sieht die Politik in der Pflicht. "Wir sind angewidert und bestürzt, dass erneut ein Premier-League-Spiel betroffen ist", hieß es in einer Stellungnahme. "Die PFA fordert eine Untersuchung der Regierung hinsichtlich des Rassismusproblems und der Zunahme von Hassverbrechen im Fußball." Sportminister Nigel Adams ("Es gibt keinen Platz für Rassismus und jede andere Art von Diskriminierung – weder im Fußball noch irgendwo anders") kündigte bereits ein Treffen mit den Spurs-Bossen an.

Nach Ansicht von Neville muss auch die Liga reagieren. "Wir haben ein Rassismusproblem in der Premier League. Die Liga muss etwas dagegen tun und sich nicht weiter hinter dem Verband verstecken", betonte der 44-Jährige. "Und vielleicht sollten wir den Spielern erlauben, bei solchen Vorfällen vom Platz zu gehen – und den Unterhaltungsbetrieb einzustellen." (sid, 23.12.2019)