Der Bau der Gaspipeline, an dem auch die OMV beteiligt ist, würde die geopolitische Position des Kremls stärken.

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Das Milliardenprojekt Nord Stream 2, an dem auch die OMV beteiligt ist, sorgt seit Jahren für heftige Kritik in der EU – und das zu Recht. Denn der Bau der zweiten Gaspipeline von Russland nach Deutschland ist nicht nur ein Beitrag zu mehr Versorgungssicherheit. Der direkte Weg unter Umgehung von Polen und der Ukraine stärkt die geopolitische Position des Kreml gegenüber schwierigen Nachbarn und könnte die EU mittelfristig auseinanderdividieren.

Die Sanktionen, mit denen die USA die Pipeline auf den letzten Kilometern noch stoppen wollen, sind allerdings noch problematischer. Die extraterritoriale Anwendung von US-Zwangsgesetzen gegen nichtamerikanische Unternehmen hat in Washington Tradition – etwa bei Geschäften mit Kuba oder dem Iran. Auch das war immer schon fragwürdig. Aber in all diesen Fällen waren und sind legitime US-Interessen zumindest indirekt berührt.

Bei Nord Stream 2 gibt es diese Betroffenheit nicht. Europas Grad der Abhängigkeit von russischen Gasexporten ist eine rein europäische Angelegenheit. Noch nie haben die USA so offensichtlich versucht, ihre wirtschaftliche Macht zum eigenen Vorteil auszuspielen – nämlich um die eigenen Erdgasexporte nach Europa anzukurbeln.

Der Weiterbau der Pipeline wird nun kompliziert, das für die Verlegung der Rohre verantwortliche Unternehmen Allseas hat die Arbeiten aus Angst vor US-Strafen bereits ausgesetzt. Doch bei aller Skepsis gegenüber Wladimir Putins Ambitionen: Die gesamte EU muss daran Interesse haben, dass Nord Stream 2 gegen den Widerstand der USA vollendet wird. Es darf nicht sein, dass ein US-Präsident, der selbst gerne Putins Handlanger spielt, europäischen Staaten die Energiepolitik diktiert. Nord Stream 2 könnte zwar unerwünschte Folgen mit sich bringen, aber das Projekt an sich ist legitim. Das US-Sanktionsgesetz ist es nicht. (Eric Frey, 23.12.2019)