Im Schloss Wilhelminenberg war bis 1977 ein Kinderheim untergebracht, in dem die Gewalt herrschte. Rechtsanwalt Öhlböck fordert, dass Missbrauchsopfer ihre Ansprüche ihr Leben lang geltend machen können.

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Die Klubobleute der Parlamentsparteien haben sich schon damit beschäftigt, und an Justizminister Clemens Jabloner hat sich der Wiener Rechtsanwalt Johannes Öhlböck vor kurzem gewandt. Der Anwalt, der Wiener Heimopfer vertritt, kämpft dafür, dass die Fristen der zivilrechtlichen Verjährung bei sexuellem Missbrauch von Minderjährigen verlängert werden. Die in Kindheit und Jugend traumatisierten Opfer seien aus psychischen Gründen sehr oft nicht in der Lage, ihre Ansprüche innerhalb der derzeit vorgesehenen Fristen geltend zu machen, argumentiert der Anwalt; die Traumatisierungen verhindern das.

Derzeit können Ansprüche etwa auf Schmerzensgeld nach sexuellem Missbrauch binnen drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger eingeklagt werden – was eben voraussetzt, dass die Opfer die Täter kennen. Die absolute Verjährungsfrist beträgt 30 Jahre ab der Tat, danach ist keine Geltendmachung mehr möglich.

30-Jahre-Frist

Und da setzt der Anwalt an. Oft sei für die Missbrauchsopfer auch die 30-Jahre-Frist zu kurz, da die Betroffenen oft erst nach Jahrzehnten in der Lage seien, ihre Erfahrungen zu realisieren und darauf zu reagieren. In diesen Fällen nütze die absolute Verjährungsfrist daher ausschließlich den Tätern und nie den durch Täter und Tat quasi paralysierten Opfern.

Öhlböck plädiert daher dafür, dass zivilrechtliche Ansprüche im Fall von sexuellem Missbrauch von Minderjährigen bis zum Tod des Opfers geltend gemacht werden können. Der Anspruch soll nicht auf Erben übergehen.

Schwierige Ausforschung von Tätern

Öhlböck hat ab 2011 jene beiden Frauen vertreten, durch die der systematische Missbrauch im städtischen Kinderheim auf dem Wiener Wilheminenberg bekannt geworden ist. In der Folge ging die von der Stadt beauftragte Wilhelminenberg-Kommission den Vorwürfen nach und stellte in ihrem Endbericht im Juni 2013 schwerste Missstände fest.

Kinder und Jugendliche seien zwischen 1948 und 1977 (da wurde das Heim geschlossen, die meisten Akten vernichtet) psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt gewesen, es sei zu massivem sexuellen Missbrauch gekommen und von Straftaten auszugehen. Allerdings sei die Ermittlung der möglichen Täter kaum noch möglich, so die von Richterin Andrea Helige geleitete Kommission. Die Opfer bekamen Entschädigungen, seit Juli 2017 steht gequälten ehemaligen Heimkindern in Österreich eine Heimopferrente zu: 300 Euro im Monat.

Heim-Geschichte aufarbeiten

Die Stadt Wien ließ untersuchen, was Kindern in städtischen Jugendwohlfahrt-Einrichtungen passiert ist. Im November präsentierte der Verein für Verbrechensopferhilfe Weisser Ring seinen Abschlussbericht; demnach bekamen 2.384 Betroffene Hilfe, 52 Millionen Euro wurden aufgewendet.

Geht es nach Öhlböck, braucht es aber noch eine historische Aufarbeitung der Geschichte aller Kinderheime der Stadt Wien, etwa über den Weg von geförderten Doktorarbeiten. "Denn", so meint der Jurist, "alle Opfer haben ein Recht auf ihre eigene Geschichte."

Aus Schloss Wilhelminenberg wurde längst ein Hotel samt Café-Restaurant – mit vier Sternen und, laut Homepage, "wunderschönem Blick auf die Hauptstadt". (Renate Graber, 25.12.2019)