Einsamkeit trotz Ingeniosität: Filmstar Hedy Lamarr.

Foto: Diltz / RDA / Everett Collection

Sie galt als die schönste Frau der Welt, löste mit der ersten Nacktszene auf der Kinoleinwand einen Skandal aus, wurde zum Hollywoodstar und erfand nebenbei ein Vorgängerverfahren der Bluetooth-Technologie. Die Schauspielerin Hedy Lamarr fasziniert bis heute, und ein Blick auf das seit ihrem Tod im Jahr 2000 steigende Interesse an der Wienerin macht deutlich, dass ihre Lebensgeschichte noch lange nicht auserzählt ist. Nach mehreren Dokumentationen und einer neuen Biografie hat der US-Sender Showtime für 2020 eine Miniserie mit Gal Gadot in der Hauptrolle angekündigt.

Dass auch in Wien der prominenten Tochter der Stadt gedacht wird, ist also längst überfällig. Mit Lady Bluetooth. Hedy Lamarr widmet ihr das Jüdische Museum eine Ausstellung als Teil seines Bestrebens, jüdische Wiener Persönlichkeiten vor dem Vergessen zu bewahren – insbesondere Frauen. Lamarr könne heute "durchaus in vielerlei Hinsicht als Pionierin für Emanzipation und Selbstbestimmung verstanden werden", so Direktorin Danielle Spera.

Fokus auf die Wiener Jahre

Die von Andrea Winklbauer kuratierte Schau fokussiert dabei die Lebensjahre in Wien. Die 1914 als Hedwig Kiesler geborene Tochter eines Bankdirektors und einer Konzertpianistin wuchs behütet auf, später wurde sie durch ihre Heirat mit dem Waffenproduzenten Fritz Mandl zur Dame der Gesellschaft. 1937 entfloh sie der unglücklichen Ehe in Richtung Holly wood. Der Vielzahl an Archivmaterialien stehen äußerst knappe Wandtexte gegenüber, die die Stationen in Lamarrs Leben umreißen. Dabei entsteht weniger eine feine Charakterzeichnung als ein grober Umriss. Die zahllosen Porträts der Schauspielerin betonen nur, was schon bekannt ist: Hedy Lamarr sah fantastisch aus. Doch genau das hatte sie selbst recht bald satt: stets auf ihr Aussehen reduziert zu werden.

Ein Videointerview mit Lamarrs Sohn Anthony Loder gibt eine Ahnung davon, wie es unter der Oberfläche aussah. Fies konnte sie sein, als Mutter war sie abwesend und trotz der gesellschaftlichen Stellung einsam. "Es ist einfach so traurig, dass sie in ihrem eigenen Leben niemanden hatte, der sie ermutigte, sie unterstützte."

Vordenkerin von Bluetooth

Das von Lamarr gemeinsam mit dem Komponisten George Antheil entwickelte Frequenzsprungverfahren gilt heute als Bluetooth-Vorgänger. 1941 fand das Patent jedoch keine Beachtung. Lamarr profitierte nie von ihrer Entwicklung und wurde erst am Lebensende mit Preisen als Wissenschafterin gewürdigt. Obwohl sich der Ausstellungstitel unmittelbar auf Lamarrs Erfindertum bezieht, geht dieser Aspekt ihres Lebens in der Schau beinahe unter. Gerne hätte man mehr über die Umstände der Entwicklung und auch über nicht näher benannte Erfindungen für den Alltag erfahren.

Hedy Lamarr selbst kommt nur kurz zu Wort: In zwei ORF-Interviews der späten 1960er-Jahre reflektiert sie ihre bereits zum Erliegen gekommene Karriere nüchtern. Auf ihre anfängliche Naivität blickt sie desillusioniert zurück: All diese Filme würde sie nicht mehr drehen. Sollte sie noch einmal vor die Kamera treten, dann in einer Charakterrolle. Sie wolle eine echte Person spielen, kein "Pupperl". Sie kehrte nie mehr auf die Leinwand zurück.

So impliziert die Ausstellung Fragen zur Rolle der Frau, die bis heute aktuell sind. Sie versucht dabei, im kleinen Rahmen vieles gleichzeitig zu leisten. Sie holt zeitgenössische Positionen von Künstlerinnen ein und zeigt lebensgroße Selfie-Pappaufsteller. Dadurch geht jedoch die Tiefe verloren. Denn es ist gerade ihre Komplexität, die Lamarr bis heute so interessant macht. Der Blick in ihre Abgründe wäre notwendig, um sich der facettenreichen Persönlichkeit Hedy Lamarr über die bildschöne Oberfläche hinaus anzunähern. (Kathrin Heinrich, 26.12.2019)