Claudius war in den Jahren 41 bis 54 römischer Kaiser. Die erste kritische Phase überstand er also problemlos – dafür wurde er pünktlich zu Beginn der zweiten dahingerafft, vermutlich durch Gift.
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Seit Franklin Delano Roosevelts Zeiten wird US-Präsidenten der symbolische Zeitraum der "First 100 days" eingeräumt: In dieser Anfangsphase lässt man sie mehr oder weniger erst einmal schalten und walten – schaut dann aber auch sehr genau aufs Ergebnis. Auch bei den römischen Kaisern war die Anfangsphase entscheidend, berichtet nun ein US-Forscher ... wenn auch in etwas drastischerem Sinne: Im ersten Jahr seiner Regentschaft war die Wahrscheinlichkeit nämlich am größten, dass ein Kaiser einem gewaltsamen Tod zum Opfer fiel.

Ein Muster(?)

Joseph Saleh vom Georgia Institute of Technology nahm sich die Vitae von 69 Kaisern vor. 43 davon, eine beachtliche 62-Prozent-Quote, kamen gewaltsam ums Leben – entweder durch Ermordung, Suizid oder in der Schlacht. Nachdem Saleh den Zeitpunkt der Machtübernahme und den des Todes in seine Statistik eingespeist hatte, kam er auf ein Muster, das sich quer durch vier Jahrhunderte und stark wechselnde politische Rahmenbedingungen zog.

Und so soll es laut der im Open-Access-Journal "Palgrave Communications" veröffentlichten Untersuchung aussehen: Das Todesrisiko war im ersten Jahr der Regentschaft sehr hoch und flachte dann über die nächsten sieben Jahre langsam ab. Es folgte eine mehrjährige "sichere" Phase, bis das Kaiserleben nach zwölf Jahren Regentschaft wieder riskanter wurde.

Mechanik und Menschenleben

Die Kurve, die sich daraus ergab, erinnerte Saleh an etwas: nämlich an den sogenannten Badewanneneffekt. Dazu muss man wissen, dass Saleh von Beruf Luftfahrtingenieur ist – ein Bereich, in dem Badewannenkurven wohlbekannt sind. Sie verbildlichen die Ausfallverteilung, also die zeitliche Wahrscheinlichkeitsverteilung, mit der mechanische Bauteile ihr Leben aushauchen. Anfangs erwischt es alle Bauteile, die von vorneherein fehlerhaft konstruiert waren. Sind die aus dem Spiel, gibt es nur noch vergleichsweise wenige Zufallsausfälle (der Boden der Kurve), bis Alterserscheinungen die Kurve wieder ansteigen lassen.

Man könnte natürlich argumentieren, dass für jemanden mit einem Hammer alles wie ein Nagel aussieht. Und einige von Salehs aus der Mechanik stammenden Vergleichen lesen sich in der Wortwahl auch eher kurios. Aber es bleibt zumindest die Möglichkeit einer neuen Perspektive. Saleh verweist darauf, dass die Tode der diversen Kaiser traditionell als Einzelfälle betrachtet werden, die allein auf die jeweils gerade relevanten Zufallsfaktoren zurückgeführt werden. Aber möglicherweise liege unter all diesen individuellen Faktorenkombinationen ja noch ein tieferes Muster, das es noch zu ergründen gilt.

Was dieses hypothetische Muster bestimmen könnte, dazu maßt sich Saleh aber keine Spekulation an. Fachleute wie Historiker, Soziologen und Psychologen wären gefragt, es zu finden. (red, 29. 12. 2019)