Klopp herzt den am Donnerstag überragenden Rechtsverteidiger Trent Alexander-Arnold.

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Leicester/Liverpool/London – 30 Jahre des Schmerzes in der englischen Meisterschaft dürften für Liverpool 2020 ein Ende haben. Die Reds befinden sich nach einem 4:0-Sieg bei Verfolger Leicester City klar auf Titelkurs. In England werden bereits die größten Selbstfaller der Sportgeschichte hervorgekramt – für den Fall, dass das Team von Jürgen Klopp seinen aktuellen 13-Punkte-Polster noch verspielen sollte.

Nur nicht verschreien

Die Akteure selbst wollten nach der vielleicht besten Saisonleistung des Champions-League-Siegers noch nichts von einer vorzeitigen Titelentscheidung wissen. Jürgen Klopp schlüpfte sofort in die Rolle des "Partycrashers". "Ich kann richtig gut die Sau rauslassen, da können Sie meine Freunde fragen", raunte der Teammanager streng ins Mikrofon und inszenierte seine Seriosität zusätzlich mit eingefrorener Miene: "Aber ich wollte noch nie ohne Grund Party machen. Wenn es etwas zum Feiern gibt, werde ich es Ihnen mitteilen – bis dahin werden wir arbeiten.

Liverpool FC

Dichtes Programm

"Für mich klingt es, als wäre noch nichts entschieden", betonte Erfolgscoach Klopp. "Wir versuchen einfach alles, um für unsere nächsten Spiele bereit zu sein." Das nächste steigt bereits am Sonntag (17.30 Uhr MEZ, live Sky) zu Hause gegen Wolverhampton.

Die einzigen verbliebenen Herausforderer Leicester und ManCity haben im dichten Weihnachts- und Neujahrsprogramm einen Tag weniger Zeit zur Regeneration. Leicester muss weniger als 48 Stunden nach der Heimpleite gegen den Tabellenführer am Samstagabend (18.30 Uhr) bei West Ham antreten, ManCity (Freitagabend in Wolverhampton im Einsatz) empfängt am Sonntag (19 Uhr) Sheffield United. Klopp bezeichnete dieses dichte Programm im Vorfeld als "Verbrechen".

Rechnereien

13 Punkte sind der größte Premier-League-Vorsprung am traditionellen Boxing Day (26. Dezember) seit Manchester United 1993. Mit einem ausgetragenen Spiel weniger scheint der Weg zum ersten Meistertitel seit 1990 für Liverpool frei zu sein. In den ausständigen 20 Spielen müssten die Reds 14 Punkte abgeben, um den Verfolgern zumindest eine mathematische Chance zu geben. In ihren jüngsten 45 Premier-League-Partien waren es allerdings nur 13.

Die bisher letzte Liganiederlage setzte es am 3. Jänner 2019 gegen ManCity (1:2). Seither ist Liverpool 35 Premier-League-Spiele ungeschlagen. "Die einzige Sache, die sich ändert, sind die Zahlen", erklärte Klopp. "Es waren zehn, elf, und jetzt sind es 13 Punkte. Aber wir denken nicht daran. Wir haben es nicht einmal thematisiert. Es ist einfach nicht interessant."

Fokus aufs Positive

Zu oft hat Liverpool in den vergangenen drei Dekaden gute Gelegenheiten verspielt – etwa im April 2014, als der damalige Kapitän Steven Gerrard beim Titelshowdown gegen Chelsea in der entscheidenden Szene ausrutschte. 2020 soll das alles nicht passieren. Zu überzeugend war der Auftritt in Leicester, angeführt von einem überragenden Rechtsverteidiger Trent Alexander-Arnold (ein Tor, zwei Assists).

In Sicherheit will sich Liverpool dennoch nicht wiegen. "Ich kann die Geschichten selbst schreiben", sagte Klopp über mögliche Medienreaktionen auf einen Selbstfaller. "Nie zuvor in der Geschichte des britischen Fußballs hat ein Team einen größeren Vorsprung verspielt. Das klingt sehr negativ für mich, also sind wir nur darauf konzentriert, was wir zu tun haben."

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Für den "Guardian" ist der frühere Rekordmeister dem 19. Titel "einen großen Schritt näher" gekommen, laut dem "Telegraph" hat der frischgebackene Klub-WM-Sieger bereits nach dem 19. Spieltag "eine Hand an der Trophäe" – und die "Times" ist sich mit Blick auf die erste Meisterschaft seit 1990 sicher: "Liverpool ist zu clever, um es jetzt noch wegzuwerfen."

Mutige Saints

Für Ralph Hasenhüttl geht es mit Southampton in der zweiten Saisonhälfte vor allem um den Klassenerhalt. Mit einem 2:0-Sieg beim Tabellenvierten Chelsea gaben die Saints ein kräftiges Lebenszeichen. Sein Team stürmte auf den 14. Tabellenplatz, Hasenhüttl nach Spielende auf den Platz. Von den mitgereisten Fans wurde der Steirer noch lange danach frenetisch gefeiert – dabei hatte er im Oktober mit einem 0:9 gegen Leicester noch die höchste Niederlage der Premier-League-Geschichte zu verantworten.

"Man kann einen taktischen Plan haben, aber ohne Leidenschaft funktioniert es nicht", erklärte Hasenhüttl seinen emotionalen Ausbruch. "Wir sind mutig geblieben. Es war mit Abstand unsere beste Leistung dieser Saison." Es sei immer noch ein langer Weg zu gehen. "Aber in den ersten zwei, drei Monaten haben wir wie ein Absteiger gespielt. Jetzt spielen wir wie ein Premier-League-Team."

London-Derby

Am Samstag (16 Uhr) wartet ein Heimspiel gegen Mittelständler Crystal Palace. Chelsea bekommt es am Sonntag (15 Uhr) auswärts mit Arsenal zu tun. Arsenal hat nur eines der vergangenen 14 Pflichtspiele gewonnen. Auf Neo-Trainer Mikel Arteta warten nach der verpatzten Premiere in Bournemouth (1:1) mit Chelsea und drei Tage später Manchester United die nächsten schweren Prüfsteine. (APA, Reuters, 27.12.2019)