Das Flüchtlingsquartier in Drasenhofen sorgte landesweit für Empörung, nachdem dort Flüchtlinge eingesperrt wurden. Heute steht es leer.

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Stacheldraht war in Drasenhofen rund um den ehemaligen Grenzposten zu sehen, ansonsten gab die Landschaft nicht viel mehr her. 15 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wurden in der Einöde festgehalten, durften nur einmal am Tag für eine Stunde raus, und das nur in Begleitung von Mitarbeitern eines Sicherheitsdienstes.

Mehr als ein Jahr ist es nun her, dass Bilder von einer Flüchtlingsunterkunft in Niederösterreich durchs Land gingen. Die Aufnahmen lösten breite Erschütterung aus, der zuständige Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) hingegen verteidigte sein Vorgehen. Die untergebrachten Jugendlichen seien "auffällig" gewesen, teilweise sogar straffällig. Der Zaun sei ein Schutz in beide Richtungen – also auch für die Jugendlichen. Das Quartier sei "aus jugendrechtlicher Sicht im derzeitigen Zustand nicht geeignet", befand die Kinder- und Jugendanwaltschaft und brachte die Umquartierung in Gang.

Auf Quartiere aufgeteilt

Wo die Burschen heute sind, will oder kann niemand so recht sagen. In Waldhäusls Büro beruft man sich auf den Datenschutz. Fest steht: Rasch nach Bekanntwerden der Umstände in der Nacht auf den ersten Dezember 2018 wurden die Burschen auf Befehl von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) verlegt.

Sie kamen nach St. Gabriel in ein Quartier der Caritas, doch sie blieben dort nicht lange. Fünf der Jugendlichen wurden im Jänner 2019 volljährig und damit verlegt. Ende Februar zogen auch die restlichen Burschen aus St. Gabriel aus und wurden auf verschiedene Quartiere aufgeteilt. Von den zehn, die noch dort waren, machten damals laut Caritas vier gerade einen Pflichtschulkurs, einer hatte eine Anstellung bei einem Bäcker. Acht von ihnen waren in Therapie.

Im April wurde die Unterkunft gänzlich geschlossen. Einerseits kamen keine Zuweisungen mehr von Waldhäusl, andererseits sanken, wie auch in anderen Bundesländern, die Aslyantragszahlen, heißt es von der Caritas.

Und jener Politiker, gegen den wegen Drasenhofen ein Misstrauensantrag im niederösterreichischen Landtag einging? Mikl-Leitner gewährte Waldhäusl nach Bekanntwerden der Umstände im Quartier eine "letzte Chance". "Provokationen" wie diese dürften nicht mehr vorkommen, sagte sie damals. Sechs Wochen später bekam seine Abteilung Staatsbürgerschaft und Wahlen neue Kompetenzen zugeteilt: Sie war von dort an allein für die Grundversorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge zuständig und ist es noch immer.

Waldhäusls zehn Gebote

Oppositionsparteien kritisieren Waldhäusl regelmäßig und scharf. So heißt es etwa von der SPÖ Niederösterreich, er stehe unter "spezieller Beobachtung". Für Niederösterreichs Grüne ist er "untragbar", nicht zuletzt auch, nachdem er im April "Zehn Gebote für Asylwerber" präsentierte. Beide Parteien appellieren an Mikl-Leitner und die ÖVP, die ihm die Agenden entziehen könnte. Von Waldhäusl selbst heißt es dazu nur knapp: "Ich arbeite im Interesse der niederösterreichischen Bevölkerung. Wenn es Oppositionsparteien stört, nehme ich das zur Kenntnis, sie werden trotzdem damit leben müssen."

Auch die niederösterreichischen Neos kritisieren die "Intransparenz der Landesregierung", nachdem immer noch unklar sei, wie genau Sicherheitskonzepte in Asylheimen, die unter Waldhäusls Obhut standen, finanziert wurden. Vorwürfe gegen Waldhäusl, es habe unsaubere Zahlungen der Firma NSA – mit vollem Namen National Security Austria – an sein Büro gegeben, erhärteten sich nicht.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) stellte die Ermittlungen mangels Anfangsverdachts ein – auch die NSA wurde für die Flüchtlingsbetreuung engagiert. Das Quartier in Drasenhofen wurde von der ASOB GmbH betrieben. An diese zahlte das Land Niederösterreich laut Vertrag 8500 Euro pro Flüchtling und Monat. Im heurigen Juni ging sie insolvent.

Im Zuge eines anderen Verfahrens gab es aber sehr wohl einen Anfangsverdacht: Die WKStA ermittelt, wie sie dem STANDARD bestätigt, gegen zwei Personen wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs im Sinne von Freiheitsentzug. Zwei Anzeigen gegen Waldhäusl und eine Mitarbeiterin wurden von Rechtsanwalt Georg Zanger eingebracht.

Sollte Waldhäusl eine Strafe von über einem Jahr bekommen, würde er automatisch auch sein Amt verlieren, so Zanger. Doch auch bei einer geringeren Strafe "gehe ich davon aus, dass Mikl-Leitner seinen Dienstvertrag beendet", sagt der Anwalt. Waldhäusl selbst will sich zu den laufenden Ermittlungen nicht äußern. (Gabriele Scherndl, 10.1.2020)