Ursula Simacek kommt zum Interview zu spät. Termine, sagt sie entschuldigend. Gold, Samt, Spiegel, opulente Möbel – zum Gespräch bittet sie in den Dining-Room in Wien-Donaustadt, eine Ansammlung unscheinbarer Betriebsgebäude. Simacek muss auch eiligst wieder von dannen ziehen, sie ist auf dem Sprung nach Stanford – zur Weiterbildung.

STANDARD: Es heißt, Sie hätten als junge Frau eine Vorliebe für Raubtiermotive bei Ihren Wohnaccessoires gehabt. Mit Ihrer Aufgabe als Honorarkonsulin der Demokratischen Republik Kongo hat das aber nichts zu tun, oder?

Simacek: Das ist wahrscheinlich meinem Sternzeichen zuzuschreiben. Als Löwin hat mir das schon immer gut gefallen. Heute habe ich das auch noch gern, aber in reduziertem Maße.

STANDARD: Und wie wird man nun Honorarkonsulin?

Simacek: Reiner Zufall. Irgendwann war eine Afrika-Delegation in Österreich. Da bin ich gefragt worden, ob ich für den Kongo ein Interesse hätte. Wir sind dann in den Kongo geflogen, ich hab dort den Präsidenten und die Minister kennengelernt, wir haben uns Krankenhäuser angeschaut, waren in Kamerun und haben uns eine HIV-Forschungsstation angeschaut, haben dort gleich einen Spendencontainer organisiert. So bin ich da dazugekommen.

Sie interessiere sich für ein bisschen einzigartige Dinge und nicht für das Alltägliche, sagt Ursula Simacek. Deswegen stöbert die Chefin der gleichnamigen Reinigungsfirma gern auf dem Flohmarkt.
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Kommerzialrätin sind Sie auch. Sind Sie nicht zu jung?

Simacek: Na ja, mit 45 würde ich mich jetzt zwar noch als jugendlich bezeichnen, aber auch nicht als die Jüngste, da gibt es viel jüngere Kommerzialräte in Österreich.

STANDARD: ... und Kommerzialrätinnen.

Simacek: Ja, das ist sehr schön, dass der Anteil der Unternehmerinnen und weiblichen Führungskräften steigt und man sie vor den Vorhang holt.

STANDARD: Auch Sie stehen dort sehr oft, wurden ausgezeichnet für Ihr Engagement in Sachen Integration und Diversität. Elitefrau, Powerfrau, Business-Lady, erfolgreich, reich durch Putzen, so beschreibt man Sie. Zufrieden?

Simacek: Um Gottes willen, lese ich gar nicht gern, reich an Erfahrung wär mir lieber (lacht). Ich vertrete unsere 8000 Simaceker und Simacekerinnen und bemühe mich, die Flagge hochzuhalten und zu zeigen, was wir können.

STANDARD: In der Branche herrscht starker Wettbewerb und hoher Preisdruck. Wie gehen Sie das Geschäft an?

Simacek: Jeder, der auf dem Parkett des Facility-Managements spielt, muss die gleichen Voraussetzungen haben. Angebote sind wirtschaftlich und qualitativ irgendwann preislich gleich, weil wir alle dieselben Zertifizierungen haben, alle ausgebildete Mitarbeiter. Deswegen haben wir uns vor mehr als einem Jahrzehnt bemüht, Maßnahmen zu setzen, um uns abzuheben. Wir haben gesagt, wir differenzieren uns durch den qualifizierten Mitarbeiter, den wir auch fördern und weiterentwickeln, durch Sprachförderungsprojekte oder betriebliche Sozialarbeit.

"Die Gastarbeiterwelle hat unserer Branche geholfen, die notwendigen Arbeitskräfte zu rekrutieren", sagt Simacek.
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Viele Ihrer Mitarbeiter verdienen acht Euro brutto in der Stunde. Haben die noch Nerven für so etwas?

Simacek: Dass wir uns in einer Niedriglohnbranche bewegen, die im Bereich des Kollektivvertrags Ausprägungen nach oben und nach unten hat – keine Frage. Aber wir sind ja auch beim Mindestlohn schon fast bei den 1500 Euro brutto bei 40 Stunden.

STANDARD: Die meisten Mitarbeiter arbeiten aber kaum 40 Stunden.

Simacek: Natürlich, wir sind eine Teilzeitbranche. Deswegen versuchen wir, unser mittleres Führungsmanagement so auszubilden und ihm das Handwerkszeug zu geben, dass es die Menschen unterstützen kann. Natürlich steigt auch die Produktivität, wenn die Mitarbeiter nicht mit der Kinderversorgung oder mit Pflege überfordert sind, weil sie wissen, sie können das anders organisieren. Wenn sie nicht deswegen in Krankenstand gehen müssen oder es zum Beispiel zu keiner Delogierung kommt – dann ist uns als Arbeitgeber auch geholfen.

STANDARD: Man kann Ihnen nicht vorwerfen, dass Sie nicht wissen, wie das Unternehmen funktioniert. Sie haben in den Ferien in der Firma gearbeitet, haben Salat in Kantinen geschnipselt, Schädlinge bekämpft. Schlichte Arbeit hat Sie nicht abgeschreckt?

Simacek: Schlichte Arbeit ist nicht so schlicht, sondern sehr schwierig. Das Thema Personal-Recruiting ist in der heutigen Zeit auch sehr schwierig.

STANDARD: Welche Eigenschaften muss ein Mitarbeiter mitbringen?

Simacek: Erstens, dass er will. Die Reinigung ist prinzipiell eine Branche, die schon auch als gesellschaftliches Auffangbecken dient – teilweise. Das sag ich wirklich so. Bei uns in der Reinigung hat jeder, der will, die Möglichkeit, einen Job zu bekommen. Es ist immer nur eine Frage der Einstellung und der Haltung. Wenn er den gut macht und dann sagt, ich würde jetzt gern die Meisterprüfung für die Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung machen, dann ist das möglich. Wir fördern das.

Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Es hat viel Imagepolitur gegeben, aber für viele bleibt der Putztrupp der Putztrupp.

Simacek: Jeder, der glaubt, Putzen ist so etwas Einfaches, soll unsere Gebäudereinigungsakademie besuchen. Man sieht dort ein Krankenzimmer, einen OP-Saal, einen U-Bahn-Waggon. Was wäre ein Krankenhaus ohne professionelle Reinigung? Wir würden uns in einem OP-Saal nicht wohlfühlen, wenn wir wüssten, da wird geputzt. Dort lernt man, dass Putzen Reinigen ist und wo der Unterschied liegt. Mit welcher Reinigungschemie, Dosierung, Einwirkzeit hantiert werden muss, mit welchen Maschinen, welchem Druck, was Sterilisation heißt. Das ist wirklich ein Fachbereich. Behandelt man einen Marmorboden falsch, sind gleich bis zu 100.000 Euro Schaden verursacht.

STANDARD: Wie lautet der korrekte Begriff für die Damen, die am Morgen das Großraumbüro reinigen und den Geschirrspüler füllen?

Simacek: Wenn man wertschätzend mit diesen Mitarbeitern umgehen will, bezeichnet man sie als Reinigungskräfte oder Reinigungsfachkräfte und nicht als Putzfrauen. Putzfrau klingt ja per se nicht wirklich ansprechend. Sie machen ja einen für uns alle sehr wichtigen Job, den vielleicht doch nicht so viele in unserer Gesellschaft machen möchten, und deswegen wollen wir ihnen ein gutes Gefühl geben.

STANDARD: Die Branche ist weiblich dominiert mit einem hohen Anteil an Migrationshintergrund. Bewerben sich auch Österreicher?

Simacek: Wir reden ja jetzt ständig nur von der Reinigung. Wir haben auch einen Verpflegungsbetrieb. Dort schon. Aber bei der Reinigung haben wir sicher eine über 90-prozentige Migrantenquote. Menschen mit Migrationshintergrund waren bei uns immer schon ein Thema. Die Gastarbeiterwelle zum Beispiel hat unserer Branche geholfen, die notwendigen Arbeitskräfte zu rekrutieren.

STANDARD: Was denken Sie bei Diskussionsbeiträgen, deren Aussage ist, man möge diese Menschen fernhalten?

Simacek: Ich sehe, wie schwierig es ist, Mitarbeiter zu rekrutieren, gerade für den Bereich der Reinigung. Ich rede jetzt nicht einmal von Ostösterreich, sondern von Westösterreich. Da hätten wir Aufträge und finden teilweise keine Mitarbeiter, weil die Tourismusbranche ganz viele Menschen benötigt. Wir sollten schauen, dass wir jene, die kommen und der deutschen Sprache vielleicht nicht so mächtig sind, möglichst früh in Beschäftigung kriegen.

Will man wertschätzend mit Mitarbeitern umgehen, bezeichnet man sie als Reinigungsfachkraft und nicht als Putzfrau, meint Ulrike Simacek.
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Davon sind wir einigermaßen weit entfernt.

Simacek: Ja, wir müssen aber, weil sie dann bei uns erstens einmal eine Aufgabe hätten. Man muss ja nicht gleich mit den schwierigsten Aufgaben anfangen. Wir haben schon einige Integrationsmessen erlebt. Da sind auch geflüchtete Menschen gekommen, zum Beispiel aus Syrien, teilweise gut ausgebildet. Die haben gesagt: Reinigung, hmm. Ich will ins Controlling oder in die Medizin.

STANDARD: Verständlich bei gut ausgebildeten Menschen.

Simacek: Ja, aber sie finden ja mit der guten Ausbildung teilweise nicht die Möglichkeit der Beschäftigung. Unsere Branche zum Beispiel ist eine gute Branche, wo man einmal einsteigen kann in den Berufsprozess, sich in Österreich auch integrieren kann. Ich glaube, dass man da noch mehr machen kann in Zukunft.

STANDARD: Mit sanftem Druck?

Simacek: Es ist zwar nicht schön, aber wir haben auch Lehrer oder Ärzte, die Taxi fahren. Es ist immer auch die Frage, was gibt der Arbeitsmarkt her. Wenn man einmal drei Jahre lang reinbeißt, schaut die Welt vielleicht schon anders aus. Ich muss vielleicht raus aus dieser Komfortzone und dann sagen, ich mach das jetzt einmal, wer weiß, wohin der Weg mich bringt. Dazu gehört das Wollen, eine Tätigkeit anzupacken, auch wenn es nicht gleich die ist, die ich mir wünschen würde. Ist ja klar, dass ein Arzt gern gleich Arzt wird, aber das ist halt auch ein bisschen unrealistisch. (Regina, Bruckner, 29.12.2019)