Wien – Prognosen sind bekanntlich immer schwierig, insbesondere dann, wenn sie die Zukunft betreffen. Diese oftzitierte Bonmot, dessen Autorenschaft umstritten ist, trifft in der Wissenschaft noch am wenigsten auf die Astronomie und die Raumfahrt zu: Die Bewegungen verschiedenster Himmelskörper lassen sich lange vorausberechnen, und Raumfahrtmissionen haben meist eine Vorlaufzeit von mehreren Jahren, ehe sie tatsächlich starten. Deshalb lässt sich Ende 2019 schon mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass 2020 vor allem im Zeichen des Mars stehen wird.

Treffpunkt Roter Planet

Gleich vier Missionen, die im kommenden Jahr starten sollen, nehmen den Roten Planeten ins Visier. Darunter ist freilich nach wie vor noch immer keine bemannte. Am meisten mediale Aufmerksamkeit hat bis jetzt das Projekt Mars 2020 der US-Raumfahrtagentur Nasa erhalten. So hat kürzlich das Kernstück der Mission, der Rover Mars 2020, erfolgreich seine Probefahrt absolviert. Von zahlreichen Nasa-Ingenieuren beobachtet, rollte das ferngesteuerte Fahrzeug im kalifornischen Pasadena zehn Stunden lang über ein Testgelände und überwand erfolgreich verschiedenste Hindernisse.

Futuristische Szene in Pasadena, US-Bundesstaat Kalifornien: Der Rover der Nasa-Mission Mars 2020 wird von einem Ingenieur zu Testzwecken überprüft. Ab Sommer 2020 wird das Gerät zum Roten Planeten gebracht.
Foto: NASA/JPL-Caltech

Die nächste Ausfahrt soll dann schon am Mars stattfinden, konkret angepeilt ist der Jezero-Krater, der ab Februar 2021 erkundet werden soll. Um dafür rechtzeitig am Nachbarplaneten anzukommen, ist ein Start der Mission im Sommer 2020 ins Auge gefasst. Wissenschaftlich erhoffen sich die Forscher neue Aufschlüsse über das Marsgestein: Einzelne Brocken sollen bei einer nächsten Mission dann zur Erde gebracht werden. Zudem ist im Zuge von Mars 2020 erstmals der Einsatz einer kleinen Drohne geplant.

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Europa, China und VAE

Auch die europäische Weltraumorganisation Esa will im Sommer 2020 mit einem eigenen Rover zum Roten Planeten starten. Ihre Mission nennt sich Exomars, und das Fahrzeug ist nach der Biochemikerin Rosalind Franklin benannt. Ob Exomars tatsächlich schon 2020 abheben wird, war wegen Schwierigkeiten mit dem Fallschirmsystem zuletzt fraglich. Neueste Tests gemeinsam mit der Nasa verliefen aber erfolgreich, sodass mit einem pünktlichen Start der Mission zu rechnen ist.

Ebenfalls gen Mars wird die chinesische Mission Huoxing-1 aufbrechen, die auch einen kleinen Rover auf der Oberfläche des Planeten landen will. Die Vereinigten Arabischen Emirate schicken hingegen nur einen Orbiter zum Roten Planeten, also eine Sonde, die den Mars umkreisen wird. Immerhin handelt es sich dabei um die erste arabische Marsmission.

China möchte 2020 außerdem jenes Gestein vom Mond zur Erde schaffen, das bei der Mission Chang’e-5 eingesammelt wurde. Ähnliches gilt für die japanische Hayabusa-2-Mission, nur sollen damit Proben des Asteroiden Ryugu zur Erde gebracht werden. Das Gleiche soll im Zuge des Nasa-Projekts Osiris Rex mit dem Asteroiden Benno geschehen.

Hat 2019 das erste Foto eines Schwarzen Lochs gebracht (für manche das wichtigste Wissenschaftsereignis des abgelaufenen Jahres), so steht 2020 eine Fortsetzung an: Nun soll das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße (bzw. eigentlich: seine Umgebung) abgelichtet werden. Womöglich wird es sogar ein Video über die Gasströme rund Sagittarius A* geben, wie dieses Schwarze Loch wissenschaftlich heißt.

Experimente auf der Erde

Auf der Erde wird im Sommer 2020 in den italienischen Laboratori Nazionali del Gran Sasso im gleichnamigen Gebirgsmassiv das internationale Experiment Cosinus aufgebaut, das sich auf die Suche nach Signalen der rätselhaften Dunklen Materie machen wird, die zwar im Universum massenhaft vorhanden sein soll, sich bis jetzt aber nicht nachweisen ließ.

Beim Cern in Genf wiederum gehen die zweijährigen Wartungs- und Aufrüstungsarbeiten an der größten Maschine der Welt dem Ende zu: Im 27 Kilometer langen Teilchenbeschleuniger LHC sollen 2020 wieder Protonen kollidieren, aber erst ab Mai 2021 mit noch höherer Energie als bisher. Im kommenden Jahr könnte auch eine wichtige Entscheidung für die Nachfolge des LHC fallen.

2020 könnte es auch beim internationalen Kernfusionsreaktor Iter in Südfrankreich ernst werden: Der Zusammenbau des Reaktors beginnt, der Energie aus der Verschmelzung von Wasserstoff-Atomen erzeugen und damit die Funktionsweise der Sonne imitieren soll. Konkret ist ab März die Installation der 1250 Tonnen schweren Kryostatbasis geplant. Das erste Plasma in Iter soll es dann Ende 2025 geben.

Bei der Kernfusion sind Prognosen indes stets mit ganz besonderer Vorsicht zu genießen, insbesondere dann, wenn sie die längerfristige Zukunft betreffen. (tasch. 29.12.2019)