Mit welchen Kompromissen kann Grün leben?

Foto: APA/Punz

Wer die Farben Grün und Blau mischt, landet bei Türkis. So wird auch das nächste Regierungsprogramm aussehen: Denn die ÖVP war nicht bereit, auf Kernelemente ihres harten rechten Kurses zu verzichten, der die Koalition mit der FPÖ so harmonisch gemacht hat. Herauskommt also keine Mitte-links-Regierung, sondern eine wilde Mischung aus Mitte, Grün und rechts. Warum lassen sich die Grünen darauf ein?

Realpolitisch ergibt dieser Pakt für die Grünen nur wenig Sinn. Das sagen hinter den Kulissen auch wichtige Verhandler. Wären die Grünen zynische Machtpolitiker, würden sie Sebastian Kurz und seine "neue Volkspartei" abblitzen lassen, Türkis-Blau II und den weiteren Zerfall der Sozialdemokratie abwarten und hoffen, dass bis zur nächsten Nationalratswahl weitere Wetterextreme und Umweltkatastrophen Grün für viele Menschen zur sinnvollsten Wahl machen.

Zugeständnisse beim Klimaschutz herausholen

Aber so sind die Grünen nicht: Dort finden sich viele Idealisten, denen es tatsächlich um die Rettung des Planeten geht. Und die denken, dass es in drei, vier oder fünf Jahren zu spät ist, um eine Klimawende in Österreich möglich zu machen – vor allem mit einer FPÖ in der Regierung, deren Obmann Norbert Hofer erst am Sonntag wieder vor einer "Zöpferldiktatur" unter Greta Thunberg warnte.

Den Grünen ging es also darum, große Zugeständnisse beim Klimaschutz herauszuholen – beim Rest musste es reichen, das Schlimmste zu verhindern. Hier kam der Verfassungsgerichtshof zu Hilfe, der die größten Hürden im Endspurt der Verhandlungen als verfassungswidrig wegräumte: beispielsweise die Koppelung der Mindestsicherung an Sprachkenntnisse oder massive Überwachungsmaßnahmen. Ohne diese Entscheidungen hätten sich die Koalitionsgespräche noch weitaus schwieriger gestaltet.

Demokratie heiße auch, Kompromisse nicht zu denunzieren, schrieb Grünen-Chef Werner Kogler vorsorglich in seiner E-Mail an Parteimitglieder. Das stimmt natürlich. Aber mit welchen Kompromissen kann Grün leben? An der Basis wird es viele lange Gesichter geben. Denn Grün hieß ja nicht nur Umweltschutz, sondern auch Armutsbekämpfung, Diversity und Minderheitenschutz. Das Patriarchat wird man mit der ÖVP ebenso wenig abschaffen wie die Ungleichheit bei Vermögen. Um es jedoch mit der grünen Logik zu sagen: Wenn die Erde unbewohnbar ist, lohnt sich der Kampf für grünsoziale Anliegen auch nicht mehr.

(Fabian Schmid, 30.12.2019)