Die Meinungsfreiheit ist der AfD wichtig. Aber nur, solang nicht Oma ins Spiel kommt.

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Erst kürzlich waren sich Deutschlands Rechte noch einig: Man dürfe leider gar nichts mehr sagen, die freie Meinungsäußerung in Deutschland sei gefährdet, "der mündige Bürger" längst eingeschüchtert. Auch Deutschlands Medienwelt fragte sich in zahlreichen Titelgeschichten bang, ob nicht am Ende wirklich die Redefreiheit gefährdet sei. Nun nehmen es die damals Empörten mit dem Kampf gegen die politische Korrektheit nicht mehr ganz so genau, denn: Bei Oma ist Schluss mit lustig.

Diese war in einem Kinderlied, das der WDR ausgestrahlt hatte, stellvertretend für ihre Generation satirisch als "Umweltsau" bezeichnet worden. Wütende Reaktionen im Netz, beim Boulevard und in der deutschen Politik ließen nicht lange auf sich warten. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und WDR-Senderchef Tom Buhrow, beide längst im theoretischen Alter der kritisierten Oma, wandten sich gegen die Ausstrahlung. Schon wenige Stunden nach der Veröffentlichung löschte der Sender den Beitrag wieder von seiner Facebookseite.

Die falsche Botschaft

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die Welt hat schon originellere Texte gesehen und das Streben nach Milderung der Klimakrise als reinen Generationenkonflikt darzustellen, ist keine sehr gute Idee. Ganz generell sollte man Menschen nicht mit Tieren, schon gar nicht mit Säuen vergleichen. Und natürlich ist es problematisch, kleine Kinder die eigene Meinung vorsingen zu lassen. Ob Letzteres im aktuellen Fall so war, ist aber ziemlich fraglich. Der WDR betont, man habe mit den Kindern zuvor ausführlich diskutiert, auch die Eltern haben zugestimmt.

Aber, und in jedem Fall: Den Beitrag zu löschen, nachdem man ihn schon ausgestrahlt hat und sich dann in reumütigem Ton für die Satire zu entschuldigen, nachdem Ministerpräsident, "Bild" und rechte Twitter-Accounts ihr Missvergnügen bekundet haben – das ist gewiss auch nicht die richtige Botschaft.

Denn jene, die jetzt am lautesten schreien, zeigen sich selbst sonst wenig zimperlich – nicht nur, aber natürlich auch dann, wenn es darum geht, 16-jährige Mädchen zu verunglimpfen, die gerne auch für ihre Generation noch einen bewohnbaren Planeten hätten. Wer etwa dauernd vor der "Zöpferl-Diktatur" warnt; wer Hetze gegen all jene, die aus den eigenen eng gesetzten Normen fallen unter dem Mantel des "Benennens von Missständen" schwach verhüllt, und wer eine politische Kunstform daraus macht, Andersdenkende am liebsten persönlich zu diffarmieren – der kann eigentlich kaum behaupten, von Oma als "Umweltsau" nun schockiert zu sein. Auch die FPÖ, die trotz eigener sporadischer Probleme in Sachen Liedgut nun den ORF zu einem Kooperationsstopp mit dem WDR aufgefordert hat, wird sich damit schwer tun.

Doch keine Umweltsau?

"Umweltsau" ist sicher kein schönes Wort. Aber viele Frauen, viele Angehörige von Minderheiten, und viele, die sich im Internet gegen jene Ziele wenden, die den Verteidigern der Deutschen Oma sonst noch wichtig sind, würden sich darüber freuen, nur mit diesem Titel bedacht zu werden. Sie sind viel Schlimmeres gewohnt – und ihre Verteidiger sind selten zahlreich oder mächtig.

Nicht zuletzt aber muss auch über den Inhalt des Liedes gesprochen werden – denn auch er erklärt vielleicht, wieso das Lied rohe Nerven trifft. Oma mag zwar nicht "tausend Liter Super jeden Monat" für Motorradfahrten im Stall verbrauchen, und auf dem Weg zum Arzt auch niemanden überrollen – kurze Allein-Fahrten mit dem SUV, billiges Fleisch vom Diskonter und Kreuzfahrten nehmen aber viele in Anspruch. Das gilt nicht nur für "Oma", sondern für uns alle. Noch immer hört das kaum jemand gerne. Empört Oma zu verteidigten ist dann doch einfacher, als das eigene Verhalten zu ändern – für Einzelne, und auch für die Politik.

Oder man könnte das Lied zu Ende hören. "Oma ist doch keine Umweltsau" heißt es dort. Das mag zwar nicht stimmen, klingt aber immerhin versöhnlich. (Manuel Escher, 29.12.2019)