Ein Blick in die Makrostrukturen von Werkstoffen: Das 3D-Bild entsteht aus vielen zweidimensionalen Röntgenquerschnitten.

Foto: Aardworx

Ist von Datenbrillen und virtuellen Realitäten die Rede, denkt man zuerst vielleicht an Videospiele, virtuelle Trainings oder Architekten, die damit potenziellen Kunden noch ungebaute Häuser zeigen. Weniger naheliegend ist der Gedanke, dass man mithilfe der VR-Brillen auch in Mikrostrukturen "eindringen" und diese visualisieren kann. In der Medizin könnte so eine Erkundung des Innenlebens eines Körpers stattfinden. In der Materialprüfung taucht man in Werkstücke ein, navigiert durch innere Strukturen, erkundet die Stabilität und sucht mögliche Fehler.

Diesen Anwendungsfall in der sogenannten zerstörungsfreien Werkstoffprüfung hat das Wiener Start-up Aardworx in den Fokus genommen. Die Gründer Harald Steinlechner, Stefan Maierhofer, Michael Schwärzler und Georg Haaser – allesamt Entwickler am Wiener Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung (VRVis) – arbeiten in ihrem Spin-off-Unternehmen mit Daten aus Computertomographen (CT), um sie in Virtual-Reality-Inhalte zu verwandeln. Für den Ansatz erhielten Aardworx und seine Partner vom Österreichischen Gießerei-Institut (ÖGI) den vom Austria Wirtschaftsservice (AWS) unterstützten Start-up-Preis des Forschungsnetzwerks Austrian Cooperative Research (ACR). Dieser "ACR-Start-up-Preis powered by aws" wurde heuer zum dritten Mal vergeben.

Virtual-Reality-Experiment

Die Idee entstand in Auseinandersetzung der VRVis-Forscher mit dem Projekt "CT-Real" des zum ACR-Netzwerk zählenden Gießerei-Instituts. In dem von der Förderagentur FFG unterstützten Forschungsvorhaben ging es um die 3D-Darstellung und Analyse von sehr großen CT-Datensätzen für industrielle Anwendungen. "Für uns war damals der Versuch, die Daten in ein Virtual-Reality-System zu übertragen ein Experiment und eine Fleißaufgabe", blickt Aardworx-Geschäftsführer Harald Steinlechner zurück – ein Experiment, das auf sehr positives Feedback stieß. Die "begehbaren" Materialien stellten einen Mehrwert dar, der sich nicht nur für die Prüfung der Materialien selbst, sondern auch für Ausbildungszwecke oder Marketingmaßnahmen auf Messen nützen lässt. Nach einer Test- und Entwicklungszeit wurde im März 2019 das Unternehmen gegründet.

Das 3D-Bild, das ein CT-System aus vielen zweidimensionalen Röntgen-Querschnitten eines Werkstücks zusammenrechnet, wird für die Aardworx-Entwickler zum Ausgangsdatensatz. "Mit der Virtual-Reality-Brille steuert man in Wirklichkeit zwei Bildschirme. Die Inhalte für diese Bildschirme müssen in Echtzeit erzeugt werden, sodass sie auch bei schnellen Kopfbewegungen richtig dargestellt werden", erläutert Aardworx-Mitgründer Stefan Maierhofer. "Eine der Schwierigkeiten dabei ist, diese Bilder in einer hohen Wiederholungsrate bereitzustellen." Aus Sicht der Gründer werde damit auch die Neigung zu Übelkeit, die bei manchen Menschen mit dem Konsum von Datenbrilleninhalten einhergeht, reduziert.

Effiziente Algorithmen

Damit das Erlebnis immersiv und die Illusion perfekt ist, braucht es effiziente Algorithmen, die die VR-Inhalte schnell genug berechnen können, erläutern die Gründer ihre Entwicklungsarbeit. Dazu mussten auch etwa die richtigen Interaktionswerkzeuge gefunden werden, um intuitiv durch das Innere der Werkstoff navigieren zu können. Das System kann von Werkstoffforschern beispielsweise verwendet werden, um Lufteinschlüsse, die aus einem Gussprozess resultieren, zu untersuchen. Eine wichtige Frage dabei ist etwa, wie weit diese Einschlüsse von Oberflächen entfernt sind. Mit einem eigenen Messwerkzeug innerhalb der VR-Welt kann diese Frage beantwortet werden.

Künftig möchten die Gründer ihre VR-Aufbereitung auch noch für andere Bereiche nutzbar machen. Laserscans von Gebäuden könnten ebenso als Ausgangsdaten für Visualisierungen dienen, erklärt Steinlechner. Ein weiteres Zukunftsthema ist die Verlagerung der rechenintensiven Methode in die Cloud, sodass vor Ort auf spezialisierte Grafikkarten und andere teure Hardware verzichtet werden kann. VR-Inhalte werden dann wie Online-Filme gestreamt. Damit rücken auch neue Methoden der Online-Kollaboration in Reichweite. Entwickler an verschiedenen Orten können die 3D-Welt eines Werkstücks oder eines Gebäudes gemeinsam betrachten oder Anmerkungen hinterlassen. (Alois Pumhösel, 3.1.2020)