Die Schweizer Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron haben schon die Elbphilharmonie in Hamburg gebaut. Ihr Entwurf für das Berliner Museum für moderne Kunst zog reichlich Spott auf sich.

Foto: Herzog & De Meuron

Die kürzeste geläufige Bedeutung für "Scheune" lautet: Speichergebäude. In eine Scheune bringen Bauern, was sie geerntet haben, vor dem Tor einer Scheune stehen gelegentlich Ochsen und wissen nicht so recht, was sie vor sich haben.

In Berlin wurde Anfang Dezember der Spatenstich für eine besondere Scheune getätigt: ein Museum der Moderne, geplant von den Schweizer Stararchitekten Herzog und de Meuron, soll 2026 eröffnet werden. Die Stadt möchte damit eine ihrer wichtigsten Bau- und Konzeptionslücken schließen, denn die Fläche am Kulturforum unweit des Potsdamer Platzes wird zwar von zahlreichen bedeutenden Gebäuden gesäumt (die Philharmonie und die Staatsbibliothek, die Neue Nationalgalerie, die St.-Matthäi-Kirche und die Gemäldegalerie). Aber es fehlt noch ein Element, um das Ensemble zu komplettieren und städtebaulich zu integrieren, und das soll das Museum der Moderne werden.

"Reitstall" bis "Bierzelt"

Der Rufname "Scheune" geht auf den ersten Entwurf zurück, den Herzog und de Meuron 2016 präsentierten. Damals waren auch noch unfreundlichere Worte zu vernehmen, zum Beispiel "Reitstall" oder "Bierzelt". Die überwiegend hämischen Reaktionen hatten auch damit zu tun, dass damals im Grunde nur eine Fassade und ein Umriss zu sehen war oder, besser gesagt, ein großes Dach auf einem Gebäude, von dessen Innerem man aber noch keine klare Vorstellung hatte.

Es war klar, dass die Detailplanung erst mit dem Baubeschluss erfolgen würde. Und damit begann eine Geschichte, die schließlich in den vergangenen Wochen noch einmal zu einer intensiven Debatte über die Sinnhaftigkeit des Projekts insgesamt führte.

Denn in dem Maß, in dem Herzog und de Meuron das Innenleben der "Scheune" konkret werden ließen, in dem Maß, in dem sie über Unterkellerung und Abstände zu der schlanken St.-Mattäi-Kirche aus dem 19. Jahrhundert nachdachten, in dem Maß wuchsen auch die konzipierten Baukosten. Monika Grütters, die deutsche Kulturstaatsministerin, war deswegen in der Verlegenheit, das Projekt nun mit einem Budget von 450 Millionen Euro statt der ursprünglich genannten 200 auf den Weg zu bringen. Und natürlich glaubt ihr auch diese Summe niemand mehr. In Berlin, einer Stadt, die für 2020 die Eröffnung eines fast zehn Jahre verspäteten Flughafens erwartet, von dem niemand mehr weiß, wie viel er ursprünglich kosten sollte.

Dass die deutsche Hauptstadt ein Museum der Moderne braucht, steht außer Frage. Wien hat das Mumok, Paris das Centre Pompidou, New York das einschlägige Vorbild, das Museum of Modern Art, das lange den Kanon des 20. Jahrhunderts festgelegt hat und ihn nun gerade für die Anliegen des 21. Jahrhunderts öffnet. 2004 sorgte die Ausstellung MoMA in Berlin für lange Besucherschlangen. Spätestens damals wurde deutlich, dass ohne eine klar umrissene Institution der ganze Bereich der Gegenwartskunst in Berlin verwaist bleiben würde. Dabei hat die Stadt gerade wegen ihrer Vergangenheit in zwei Systemen diesbezüglich Dinge zu bieten, die auch Alleinstellungsmerkmale enthalten.

In der Neuen Nationalgalerie und im Hamburger Bahnhof gab es in den vergangenen Jahren auch immer wieder punktuell spannende Ausstellungen, die die Geschichte der Kunst in der DDR thematisierte oder eine postkoloniale Revision der Sammlung der Freunde der Neuen Nationalgalerie bot. Zugleich aber waren die Ausstellungsprogramme ein Flickenteppich, der auch die jahrelang prekäre Finanzlage der Stadt erkennen ließ. Gerade in den Nullerjahren, als Berlin "arm, aber sexy" war (Klaus Wowereit, damals regierender Bürgermeister) und die Republik als "kranker Mann in Europa" galt, mussten auch alle Lösungen für die bildende Kunst möglichst kostenneutral sein. Das hatte zur Folge, dass private Sammler wie Erich Marx oder Friedrich Christian Flick die Lücken schlossen, die sich aus dem Fehlen öffentlicher Ankaufsbudgets ergaben. Gerade der Deal mit Flick im Jahr 2004 stieß auf große Kritik, denn die Sammlung verdankt sich einem Reichtum, dessen Grundlagen auch im Nationalsozialismus gelegt wurden.

Wunde der Teilung heilen

Für den Bauträger der "Scheune", die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, ist das Museum der Moderne auch vor diesem Hintergrund ein entscheidendes Projekt. Denn es hat im Grunde nicht nur den Auftrag, der Hauptstadt eine Institution von Weltgeltung zu bescheren, es soll auch die Wunden heilen, die durch die Teilung der Stadt und die Korruption der 90er-Jahre geschlagen wurden. Berlin ist inzwischen längst nicht mehr so arm wie anno 2000, und der Bund als Hauptfinanzierer der Stiftung Preußischer Kulturbesitz verfügt ebenfalls über beträchtliche Steuermittel für Kultur.

Ob 450 Millionen Euro bis ins Jahr 2026 nun ein exzessives oder ein relativ angemessenes Budget sind, wird sich letztendlich ohnehin erst entscheiden, wenn die "Scheune" steht und die ersten Ausstellungen stattfinden. Gebaut wird sie auf jeden Fall, das steht jetzt fest. (Bert Rebhandl, 31.12.2019)