Harry Kupfer verstarb nach langer Krankheit im Alter von 84 Jahren.

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Wien – Große Regisseure werden zu herumgereichten "Opernerlösern" und geraten dann aus der Mode, obwohl sie ihre Kunst auf hohem Niveau zu halten vermögen. So kam der deutsche Regisseur Harry Kupfer während der Salzburger Festspielära von Alexander Pereira mit dem "Rosenkavalier" in Berührung – als ein fast schon vergessener Bote aus ferner, glorreicher Regiezeit.

Im Großen Festspielhaus präsentierte sich der Routinier dann allerdings als atmosphärisch, bildstarker, wie auch subtiler Detailerzähler. Den turbulenten Höhepunkt des dritten Akts gestaltete Kupfer als heiter-gruseliges Spiel der Verkleidung und Entkleidung. In einer Praterschenke verdichtet sich Ochs’ lächerliches Drama zum virtuosen Tohuwabohu, das die Marschallin schließlich in Ordnung verwandelt. Hier zeigte Kupfer noch einmal, was ihn über Jahrzehnte als Gestalter ausgezeichnet hatte.

Obwohl aus der Schule eines eher "realen" Musiktheaters stammend, konnte er fantasievoll in Regionen des Subjektiven abheben. Dabei bewegte sich Kupfer stets nahe an der Musik, entwickelte seine Ideen regelrecht aus dieser heraus. Eine genaue Figurenzeichnung verstand sich von selbst. Selbige fand sich allerdings elegant in einen Kontext eingebunden, dem es nicht an politischem Deutungswillen mangelte.

Der Opernkönig von Berlin

Der 1935 geborene Berliner debütierte als 23-Jähriger mit Dvoraks "Rusalka" in Halle, um nach Jahren der Entwicklung schließlich 1981 Leiter der Komischen Oper Berlin zu werden. Er war auch ein Advokat der Moderne: Kupfer inszenierte unter anderem Aribert Reimanns "Lear", Bernd Alois Zimmermanns "Soldaten" oder 1986 bei den Salzburger Festspielen die Uraufführung von Pendereckis "Die schwarze Maske". Aus der DDR konnte Kupfer in den Westen reisen – schließlich auch nach Bayreuth: Mit Dirigent Daniel Barenboim setzte er den "Ring des Nibelungen" durchaus kühn um.

Die "Zeit" nannte ihn einmal "Opernkönig von Berlin", aber auch in Wien setzte es Erfolge – sogar abseits der Oper: 1992 inszenierte Kupfer die Uraufführung des Musicals "Elisabeth", das zum Welterfolg wurde. 1999 kümmerte er sich zudem im Theater an der Wien, das damals noch Musicals zeigte, um "Mozart!". Auch hier herrschten Präzision, Leichtigkeit und ein Vertiefen in die Figuren, denen so eine leichte Befreiung aus dem Oberflächencharme des Musicalgenres winkte. "Eine Inszenierung wird nicht dadurch aktuell, dass man die Figuren heutig anzieht", sagte Kupfer und traf den Punkt. Heutig wird eine Inszenierung durch ihre Intensität und die Anbindung des Werkes an aktuelle Fragen der Zeit wie auch durch die Übersetzung des Werkgehalts ins Heute. Auch dies ist ein Vermächtnis des Regisseurs. Am Dienstag ist Harry Kupfer mit 84 Jahren in Berlin gestorben. (Ljubisa Tosic, 31.12.2019)