Kim Jong-un baut wieder an einer Drohkulisse – er will neue Zugeständnisse der USA.
Foto: EPA / Jeon Heon-Kyun

Der Kreis der Zuseher mag beschränkt gewesen sein. Aber jene, die in der Neujahrsnacht auf der Suche nach versteckten Botschaften das nordkoreanische Staats-TV verfolgt haben, wurden fündig: Eine Flut an Bildern wertvoller Vasen wurde da präsentiert. Eine mögliche Anspielung auf US-Präsident Donald Trump. Der hatte ja zu Nordkoreas Drohungen mit einer "Weihnachtsüberraschung" gesagt, vielleicht sei es ja keine negative, sondern "eine schöne Überraschung, etwa eine wertvolle Vase".

Das war es dann aber auch mit möglichen Gesten des guten Willens, denn Machthaber Kim Jong-un schlug wenig später in seiner Neujahrsbotschaft ganz andere Töne an. Weil die USA in ihren Verhandlungen mit seiner Regierung "nur auf Zeit" spielten, nicht aber an einer Lösung interessiert seien, drohte er der Welt. Diese werde "bald schockierende tatsächliche Aktionen" wahrnehmen müssen, wenn sich die Haltung der USA nicht ändere.

Kein Testmoratorium mehr

Worum es sich dabei genau handeln könnte, sagte Kim nicht. Allerdings betonte er, sein Land verfüge über eine "neue strategische Waffe". Viele Experten gehen davon aus, dass es sich dabei um eine neue Feststoffrakete handeln könnte. Bisherige nordkoreanische Interkontinentalraketen werden mit Flüssigbrennstoff betrieben, was längere Vorlaufzeiten für einen Einsatz nötig macht. Daher erlauben sie Feinden eher, Raketen vor einem Einsatz zu erspähen und unschädlich zu machen.

Auch an das seit 2017 informell gültige Moratorium für Atom- und Langstreckenraketentests fühlt sich Kim nun nicht mehr gebunden. Dieses hatte Nordkorea mit US-Präsident Donald Trump im Austausch für ein Ende der US-südkoreanischen Militärübungen und für Nachlass bei den Sanktionen vereinbart – laut Pjöngjang sind die USA dabei säumig.

"Neuer Kurs"

Dass Kim einen "neuen Kurs" einschlagen will, war nicht nur seinen Beteuerungen, sondern auch dem Medium zu entnehmen, in dem er seine Botschaft überbrachte. Hatte er in den beiden vor angegangenen Jahren mit einer live verlesenen Videobotschaft noch Modernität und Weltoffenheit signalisiert, handelte es sich nun um ein in der koreanischen Nachrichtenagentur KCNA übermitteltes Statement. Dieses gab die Worte des Vorsitzenden nach einem viertägigen Treffen mit den Spitzen der Arbeiterpartei wieder.

Dort deutete Kim auch eine neue Strategie an. War in den vergangenen Jahren die wirtschaftliche Entwicklung seines Landes stärker im Zentrum gestanden als die militärische, sagte er nun, die Nordkoreaner müssten "den Gürtel wieder enger schnallen". Das wird, abseits des Machthabers selbst, vielen aber schwerfallen: Denn bereits im Vorjahr hatte ein massiver Einbruch der Wirtschaft das Land nahe an eine Hungersnot gebracht.

Mögliche Missverständnisse

Wer trotz der massiven Drohungen Optimistisches in den Worten Kims suchen will, wird in einigen "wenn"-Sätzen fündig. Die Entwicklung neuer Waffen ebenso wie die angedrohten "schockierenden Aktionen" gebe es nur dann, wenn die USA nicht zu ernsthaften Gesprächen zurückkehren würden, so Kim. Allerdings: Trump und sein Außenminister Mike Pompeo betrachten die aktuellen Gespräche bereits als substanziell – dass man zu weiteren Zugeständnissen bereit wäre, hat Washington nicht signalisiert.

Im Gegenteil: Trump betonte in einer ersten Reaktion, er sei über Kim, zu dem er "ein gutes Verhältnis" habe, überrascht. Immerhin habe dieser sich vertraglich zu einem Testmoratorium verpflichtet (was möglicherweise ein Missverständnis ist, siehe links). Kim spekuliert darauf, dass der US-Präsident sich im Wahlkampfjahr keine Konfrontation leisten will – auch das könnte sich womöglich als Missverständnis erweisen. (Manuel Escher, 1.1.2020)