Von der grünen Regierungsriege in spe kennt keiner die ÖVP so in- und auswendig wie Rudi Anschober – und als angehender Sozial- und Gesundheitsminister wird der 59-jährige der türkisen Kanzler- und Finanzministerpartei wohl auch immer wieder beherzt entgegentreten müssen. Denn sein Ressort wurde im Zuge der Koalitionsverhandlungen um die Arbeitsagenden abgeschlankt. Bedeutet: Über die Dotierung des Arbeitsmarktservice wacht demnächst die ÖVP – und damit auch über Wohl und Wehe der Arbeitslosen, die von dieser Seite schon einmal als "Durchschummler" bezeichnet wurden, wenn sie allzu lange ohne Job bleiben.

Oberösterreichs grüner Landesrat Rudi Anschober wird Sozialminister – mit ÖVP-Dominanz hat er in seiner Heimat bisher reichlich Erfahrung gesammelt.
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Doch mit der Zusammenarbeit mit einer dominanten ÖVP hat der ehemalige Volksschullehrer und mehrfache Buchautor reichlich Erfahrung: Als erster grüner Landesrat koalierte Anschober in seiner Heimat Oberösterreich von 2003 an zwölf Jahre lang mit Schwarz. Im Flüchtlingsjahr 2015 wechselte die ÖVP den Koalitionspartner, und als ihm die neue schwarz-blaue Koalition dann wegen des Proporzsystems ausgerechnet den Integrationslandesrat antrug, grübelte Anschober eine Nacht lang, ob er das Himmelfahrtskommando übernehmen sollte.

Er tat es, und sein Engagement in diesem Amt sollte sich später auszahlen: Nachdem die Grünen 2017 aus dem Nationalrat geflogen waren, brachte es Anschober während der türkis-blauen Bundesregierung mit seiner Initiative "Ausbildung statt Abschiebung" für Asylwerber in Lehre zu österreichweiter Bekanntheit.

Gewissenhafter Vielarbeiter

Dutzende Promis – von Ex-Ski-Ass Hermann Maier bis Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner – und über hundert Gemeinden unterstützten seine Resolution, was auch bei Türkis ein Umdenken auslöste. Nun dürfen Asylwerber mit negativem Bescheid zumindest ihren Lehrabschluss machen.

Bei den Grünen heuerte Anschober einst eigentlich als Anti-Atombewegter an, 1990 zog er als deren Verkehrssprecher in den Nationalrat ein, ehe es ihn zurück nach Oberösterreich zog. Nun geht’s wieder auf nach Wien – und eine seiner größten Aufgaben wird auch die Erstellung eines Pflegekonzepts sein.

Als gewissenhafter Vielarbeiter zog sich Anschober, der mit einer Journalistin zusammenlebt, im Herbst 2012 ein Burn-out zu, mittlerweile sorgt er als passionierter Läufer und Spaziergänger aber für genug Ausgleich. Oft mit dabei ist sein Hund, der ihn in den letzten Wochen auch immer wieder zu den Koalitionsgesprächen begleitete. (Nina Weißensteiner, 1.1.2020)